Rede zur aktuellen Stunde: „Gescheiterte Wohnungspolitik der 80er Jahre – was unternimmt der Senat gegen Armutsviertel am Berliner Stadtrand?“

Am vergangenen Donnerstag diskutierte das Abgeordnetenhaus in der aktuellen Stunde zum Thema "Gescheiterte Wohnungspolitik der 80er Jahre – was der Senat gegen Armutsviertel am Berliner Stadtrand?". Über 10 Jahre hat der Senat nichts dafür getan, dass die Stadt für alle bezahlbar bleibt. Berlin braucht endlich ein Gesamtkonzept für faire Lebenschancen, einen Mix aus Sozialpolitik und Wohnungspolitik. Der Erhalt bezahlbarer Mieten für Familien, Alleinerziehende, Rentner, Studenten und Künstler sind der Dreh- und Angelpunkt für eine lebenswerte und sozial gerechte Stadt!

Die Rede zum Nachlesen im Wortlaut gibt`s hier:

"Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

auch nach dem Aschermittwoch lacht die Bundesrepublik über die nicht endende Pannenserie des BER. Wir wollten heute eigentlich mit Ihnen und dem Regierenden Bürgermeister über den BER diskutieren: über zwei Jahre verfehltes Krisenmanagement von Klaus Wowereit, über die Scheinprojekte Ihres Mitarbeiters Hartmut Mehdorn, über die Idee, beim Schallschutz ein bisschen weniger zu machen und, und, und. Aber das Haus will lieber über die 80er Jahre reden. Ok, dann machen wir das eben.

Geschichte ist dazu da, um aus den Fehlern zu lernen und die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Das, was und wie es gebaut wurde, macht uns heute Probleme. Damals war das Programm der Sozialdemokratischen Partei, Armenviertel zu verhindern. Doch das ist mächtig schief gegangen. Der Leerstand im Falkenhagener Feld ist so niedrig wie nie – und das ist kein positives Zeichen! Denn die Menschen dort berichten, dass das vor allem am starken Zuzug einkommensschwacher Haushalte aus der Innenstadt liegt.

Wir müssen vermeiden, dass sich Armut im Falkenhagener Feld und in anderen Kieze und Statdtteilen konzentriert, die übrigens nicht alle am Stadtrand liegen. Dafür müssen wir die Rahmenbedingungen so setzen, dass auch Menschen mit mittlerem Einkommen in diese Viertel ziehen. Das kann das Programm „Soziale Stadt“ allein nicht leisten. Da reicht es nicht, mal eben dort einen Park zu sanieren oder einen Spielplatz zu bauen. Es braucht ein Gesamtkonzept für faire Lebenschancen, einen Mix aus Sozialpolitik und Wohnungspolitik und nicht mal eben nur kleine Reparaturen durch QM-Gebiete. Wir brauchen vor allem gute Bildungseinrichtungen eine bessere Verkehrsanbindung und eine größere Nutzungsmischung! Und vor allem müssen wir die zunehmende Verdrängung von Menschen aus ihren Stadtteilen und Kiezen, wo sie gerne leben, auch verhindern!

Sie haben 10 Jahre lang nichts dafür getan, dass die Stadt für alle bezahlbar bleibt. Es gab ja angeblich kein Problem! Und jetzt müssen wir Ihre langjährige Untätigkeit ausbaden!

Auch wenn die Wirtschaftskraft steigt ist die Kaufkraft in Berlin so niedrig wie in kaum in einer anderen Großstadt. Die Mieten dagegen steigen unaufhaltsam. Die Berliner Einkommen halten da nicht mit. Und es ist nicht nur der neue Einwohnerzuwachs, der Berlin eine neue Wohnungsknappheit und Verdrängung bringt. Es ist vor allem die zunehmende Immobilienspekulation, seit die globalen Finanzmärkte das Heil nicht mehr in faulen Derivaten, sondern in Sachwerten suchen. Und da man eine hohe Rendite erwartet, steigen die Mieten exorbitant. Und deshalb gilt es: der Erhalt bezahlbarer Mieten für Familien, Alleinerziehende, Rentner, Studenten und Künstler sind der Dreh- und Angelpunkt für eine lebenswerte und sozial gerechte Stadt!

Liebe Koalition, werden Sie endlich aktiv! Wir brauchen endlich das Wohnungsbauprogramm! Wo andere Städte seit Jahrzehnten auf Kontinuität setzen, wacht Berlin erst langsam aus seinem Dornröschenschlaf auf. Senator Müller hat zwar in Worten einiges Engagement für eine soziale Wohnungspolitik angekündigt. Es bleibt aber meist bei den Ankündigungen. Eine wohnungspolitische Gesamtstrategie fehlt!
Bisher wurde vom Senat lediglich ein sog. Mietenbündnis mit den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften vereinbart. Das war ein erster Schritt in die richtige Richtung. Aber die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften brauchen auch ausreichend Wohnungen in der Innenstadt und in guten Wohnlagen. Und sie dürfen die soziale Entmischung nicht verstärken, weil sie Wohnungen in guter Lage bevorzugt an solvente Mieter vergeben oder in Eigentum umwandeln. Die Landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften haben einen gemeinwohlorientierten Auftrag und der Senat hat dafür zu sorgen, dass sie diesem auch gerecht werden!

Der neue IBB-Wohnungsmarktbericht ist alarmierend! Denn er zeigt, dass sich die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen im Vergleich zu den beiden Vorjahren verdoppelt hat. Die Mieten in umgewandelten Wohnungen liegen bis zu 30% höher als in nicht-umgewandelten Wohnungen. Mit der Umwandlungsverordnung kann der Spekulation mit Wohnungen ein Riegel vorgeschoben werden. Selbst die CSU will das jetzt machen. Ist die CSU also sozialer als die SPD hier in Berlin? Bei Ihnen scheint die Politik des solidarischen Miteinanders leider unbekannt verzogen zu sein!

Kommen wir nochmal auf die Großwohnsiedlungen zurück: Wir haben da eine absurde Situation: nämlich, dass gerade die Familien, für die Sozialwohnungen extra gebaut wurden, dass gerade diese Menschen nun für diesen mafiösen Wohnungsbau, den Sie jahrelang systematisch betrieben haben, bluten sollen. Sie sitzen dieses Problem aus und lassen die Leute im Regen stehen! Sie sind nicht einmal bereit, Kotti und Co dabei zu unterstützen, selbst einen Weg für eine Rekommunalisierung zu finden. Der Kotti gehört übrigens auch zu den Gebieten, in die viel Geld aus der Städtebauförderung geflossen ist. Die jahrelange Arbeit von Quartiersmanagement und Sozialinitiativen machen Sie zunichte, wenn Sie es zulassen, dass die Menschen dort ihr Zuhause verlieren. Diesen Menschen sollten sie sich wirklich verpflichtet fühlen, Herr Müller! Denn die können nichts für ihre Politik.

Noch ist der Anteil einkommensschwacher Familien in Innenstadtbezirken wie Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln noch überdurchschnittlich hoch. Der Anteil wird aber weniger. Und das nicht weil der Senat eine gute Arbeitsmarktpolitik betreibt. Sondern weil die Menschen, die arbeitslos sind oder geringe Einkommen haben, sich ihre Wohnungen dort nicht mehr leisten können. Und diese Verdrängung zeigt sich in ganz Berlin wellenartig: dabei geht es immer weiter nach draußen an den Stadtrand. Sie sind es den Berlinerinnen und Berlinern, bis heute schuldig geblieben angemessen Wohnraum zu schaffen, um zu vermeiden, dass die Stadt sich sozial spaltet!

Um diesen Trend umzukehren braucht es – zusätzlich zu den Maßnahmen im Bestand- auch Neubau. Bezahlbarer Neubau wird bei der Linderung der Wohnungsknappheit aber immer ein Tropfen auf den heißen Stein sein. Trotzdem: auf den lange angekündigten Wohnungsbaufonds warten wir immer noch. Das Berichtsdatum des rot-schwarzen Antrags vom Herbst wurde auf Ende April verschoben. Das ist zu spät! Denn die Neubauzahlen zeigen zwar einen Anstieg von Neubau und Baugenehmigungen. Aber es gibt immer noch keinen geförderten Wohnungsbau, der geht sogar immer mehr verloren. Wenn man sich anschaut, was gebaut wird, wird schnell klar, dass mit Wohnungen im Luxussegment keine Entlastung des Wohnungsmarktes zu erwarten ist.

Wer die politische Aufgabe, bezahlbare Wohnungen für alle zu schaffen, nicht angemessen löst, der riskiert den sozialen Frieden im Land.

Es geht doch insgesamt heute um die Frage: In welcher Stadt wollen wir leben? Wollen wir in einer Stadt leben, in der die Menschen Spielbälle von Spekulanten sind? Wollen wir in einer Stadt leben, in der nur noch Reiche sich Wohnungen leisten können? Wollen wir in einer Stadt leben, in der allein Investoren darüber entscheiden, wer im Kiez leben darf? Nein, Wohnen ist ein Menschenrecht, weil es elementar ist für die Lebensqualität und es entscheidet über Lebenschancen. Und ich bin nicht aus dem reichen Bayern hierher gezogen, damit Sie, Herr Wowereit aus Berlin München, London oder Paris machen!

Noch ist Berlin die größte Mieterstadt in Europa, die nicht in Arm und Reich geteilt ist – noch haben Sie die Chance, die verfehlte Wohnungspolitik von damals zu korrigieren!"

2 Kommentare

  1. Gute Rede, scheinbar
    allein: hier wird wieder so ein Klassismus gefördert, der mittlerweile eisenharte
    Norm geworden ist, auch wenn es versucht wird nicht zu tun. Obdachlose oder psychisch Kranke könne ohne Bedenken für den Profit rausgeworfen werden aus dem feinen Berlin, da will niemand mehr eine „soziale Stadt“ wie das früher noch
    Leitbild war.

    Das sieht mensch daran, dass der text zwar gegen die Verdrängung der Ärmsten
    versucht anzureden, aber doch der Norm gehorcht, dass Raum zu fordern, im
    Sinne der positiven Politik also bezahlbare Wohnungen nur für die besseren Schichten, indem für die mitteleren die Verdränungsräume doch bitte attraktiver gemacht werden sollen „Dafür müssen wir die Rahmenbedingungen so setzen, dass auch Menschen mit mittlerem Einkommen in diese Viertel ziehen. “

    Das sagt alles über die Klientel, die die Grünen zu bediehnen wünschen…

    1. Ich sehe mich dem Artikel 28 der Berliner Landesverfassung verpflichtet, der vorsieht, Wohnungen besonders für einkommensschwache Familien zu schaffen und zu schützen.

      Besonders Flüchtlinge, Obdachlose und Kranke sind dabei zu berücksichtigen, natürlich! Daher kann ich deine Einschätzung über meine Politik nicht teilen. Ich will die soziale Spaltung Berlins

      nicht, sondern Arm und Reich sollen nebeneinander und miteinander wohnen und leben. Das ist mein Ziel. Dazu gehört aber auch, dass wir Armutsviertel erst gar nicht entstehen lassen

      druch Verdrängung, sondern von vorneherein verhindern. Allerdings haben wir ja im Moment schon Armenviertel (Falkenhagener Feld, Moritzplatz), da finde ich schon, dass

      es eine Aufwertung geben sollte, und zwar durch Bildung, Arbeit und bauliche Maßnahmen, und nicht n bisschen nur QM Arbeit (wie es im Reuterkiez passiert ist). Ich will keine Klientel bedienen,

      ich mache Politik für die, die kein Sprachrohr haben, also bitte mich nicht einfach mal eben in die Schublade packen! Beste Grüße Katrin

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