Offener Brief zum Erhalt des Ladens Kamil Mode am Kottbusser Damm 9

Nach 16 Jahren erfolgreichem Betrieb hat der Eigentümer Kamil Mode gekündigt bzw. war bisher zu keinerlei Verlängerung des Mietvertrages bereit. Gemeinsam mit anderen KollegInnen von R2G habe ich am 25. April einen offenen Brief an den Eigentümer verfasst, weil er sich leider bisher allen Gesprächen verschlossen hat.

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Sehr geehrter Herr Cussler,

wir alle haben uns in den vergangenen Wochen und Monaten in zahlreichen Schreiben an Sie gewandt und uns für den Verbleib von Kamil Mode eingesetzt. Auch die Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg hat eine entsprechende Resolution beschlossen.
Eine Reaktion Ihrerseits blieb jedoch bisher aus. Ihre Entscheidung mag zwar rechtlich korrekt sein, Ihrer Verantwortung als Eigentümer werden Sie so aber nicht gerecht.

Deshalb wenden wir uns mit diesem offenen Brief und Appell erneut an Sie, um den Verbleib des Familienbetriebes am Kottbusser Damm 9 in Kreuzberg zu ermöglichen. Wir fordern Sie auf, sich einem Gespräch über Möglichkeiten für einen neuen Mietvertrag nicht länger zu verweigern. Wir sind der Meinung, dass es auch in Ihrem Interesse liegen sollte, eine einvernehmliche Lösung zu finden.

Seit 16 Jahren bietet Kamil Mode ein beliebtes Angebot für die angrenzende Nachbarschaft. Der Familienbetrieb ist im Kiez verwurzelt und erfreut sich einer großen Kundschaft. Die derzeitigen Entwicklungen werden daher nicht nur seitens der Politik und der Verwaltung, sondern vielmehr noch durch die Nachbarschaft und die Zivilgesellschaft genauestens verfolgt. Es besteht Einigkeit,
dass ein weiteres Café, Bistro oder Restaurant nicht dem Bedarf des Kiezes entspricht und vielmehr zur Beförderung von gewerblichen Monostrukturen beitragen würde.

Wir alle erleben seit einigen Jahren, dass immer mehr wichtige Teile der sozialen und kleingewerblichen Infrastruktur verloren gehen – meist durch immer weiter steigende Gewerbemieten oder auslaufende und nicht verlängerte Verträge. Die Attraktivität der Kieze hängt jedoch unbedingt auch mit der kleinteiligen Struktur zusammen, die eine ausreichende, persönliche und räumlich nahe Versorgung mit sozialen
und anderen Dienstleistungen sicherstellt. Das Geschäft befindet sich in einem sog. Milieuschutzgebiet. Diese Gebiete sollen die soziale Zusammensetzung der Wohnbevölkerung schützen und erhalten. Dafür ist aber auch eine funktionierende Nahversorgung unerlässlich.
Und gerade die kleinen, seit vielen Jahren verwurzelten Läden sind Orte gelebter Nachbarschaft. Die Erhaltung funktionierender Viertel mit einer vielfältigen, gewerblichen Mischung, in denen Menschen und Familien gerne leben, sollte selbstverständlich in unser aller – und somit auch Ihrem – Interesse liegen.

Für den Familienbetrieb kommt erschwerend hinzu, dass er aufgrund der angespannten Situation auf dem Gewerbemietmarkt bisher keinen Ersatzstandort gefunden hat. Auf das Angebot, auch über die Mietkonditionen zu verhandeln, sind Sie überhaupt nicht eingegangen. Gerade für Herrn Qadi bedeutet das wenige Jahre vor seinem Ruhestand den Verlust seiner Existenzgrundlage. Es wird berichtet, dass Sie statt des Familienbetriebs Kamil Mode lieber „etwas Schönes“ in den Räumen des Kottbusser Damms 9 haben möchten. Wir hoffen sehr, dass hier nur ein Missverständnis vorliegt.

In Zeiten von Wohnungsnot und der zunehmenden sozialen Spaltung unserer Stadt, ist die Raumfrage zu der sozialen Frage geworden. Für Sie mag die Vermietung des Gewerberaumes eine Frage des Geschmacks oder einer höheren Rendite sein, für die Menschen im Kiez und Herrn Qadi geht es aber um die Existenz und um den sozialen Zusammenhalt. Durch die Art Ihres Agierens, also die konsequente Verweigerung eines Dialogs seit Monaten, schüren Sie aus unserer Sicht leider Vorurteile gegenüber Vermieter*innen und heizen die angespannte Stimmung in Berlin mit an.

Wir appellieren deshalb nachdrücklich an Sie, entsprechend Ihrer Verantwortung als Vermieter zu handeln und einen Verbleib von Kamil Mode zu ermöglichen. Gerne stehen wir für Gespräche zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Canan Bayram, Mitglied des Bundestages
Gaby Gottwald, Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses
Andy Hehmke, Bezirksstadtrat für Wirtschaft, Ordnung, Schule und Sport
Friedrichshain-Kreuzberg
Cansel Kiziltepe, Mitglied des Bundestages
Pascal Meiser, Mitglied des Bundestages
Florian Schmidt, Bezirksstadtrat für für Bauen, Planen und Facility Management
Friedrichshain-Kreuzberg
Katrin Schmidberger, Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses

Vier-Punkte-Plan zur Sicherung der 137.000 Sozialwohnungen in Berlin

Im Rahmen der Pressekonferenz „Berlin braucht bezahlbare Mieten“ haben Wohnungs- und stadtpolitische Initiativen am 3. Juni einen Vier-Punkte-Plan zur Sicherung der 137.000 bestehenden Berliner Sozialwohnungen vorgestellt.

Anstatt den Fokus nur auf den Neubau von Sozialwohnungen zu richten – wie das der rot-schwarze Senat im Moment macht – braucht Berlin bezahlbare Mieten im Bestand. Die bestehenden Sozialwohnungen müssen gesichert werden und bezahlbar bleiben, die Mieterinnen und Mieter müssen vor Verdrängung geschützt werden. Aus mietenpolitischer Sicht ist eine Unterstützung des Vier-Punkte-Plans unbedingt nötig. Der Senat ist aufgefordert, nicht weiter nur zu reden, sondern endlich zu handeln.

Den Vier-Punkte-Plan gibt's hier.

Übrigens: die 137.000 bestehenden Sozialwohnungen sind rund 29 mal so viel, wie die 4.700 Wohnungen, die der Senat für das Tempelhofer Feld plante.  

Rede zur aktuellen Stunde: „Gescheiterte Wohnungspolitik der 80er Jahre – was unternimmt der Senat gegen Armutsviertel am Berliner Stadtrand?“

Am vergangenen Donnerstag diskutierte das Abgeordnetenhaus in der aktuellen Stunde zum Thema "Gescheiterte Wohnungspolitik der 80er Jahre – was der Senat gegen Armutsviertel am Berliner Stadtrand?". Über 10 Jahre hat der Senat nichts dafür getan, dass die Stadt für alle bezahlbar bleibt. Berlin braucht endlich ein Gesamtkonzept für faire Lebenschancen, einen Mix aus Sozialpolitik und Wohnungspolitik. Der Erhalt bezahlbarer Mieten für Familien, Alleinerziehende, Rentner, Studenten und Künstler sind der Dreh- und Angelpunkt für eine lebenswerte und sozial gerechte Stadt!

Die Rede zum Nachlesen im Wortlaut gibt`s hier:

„Rede zur aktuellen Stunde: „Gescheiterte Wohnungspolitik der 80er Jahre – was unternimmt der Senat gegen Armutsviertel am Berliner Stadtrand?““ weiterlesen