Auf unserer Neujahrsklausur hat sich meine Fraktion dem Thema Armut und soziale Gerechtigkeit gewidmet. Dabei haben wir ein Positionspapier verabschiedet, das unsere Strategie für eine neue Sozialpolitik für Berlin vorstellt (Link zum Papier).
Wir sehen in der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung eine Schlüsselaufgabe für das wachsende Berlin. Denn trotz der positiven Entwicklung Berlins konnte bisher ein großer Teil der Berlinerinnen und Berliner in der Stadt nicht davon profitieren. Stattdessen spitzt sich die soziale Spaltung weiter zu. Die Armutsquote ist gestiegen, von 17 Prozent in 2006 auf 21,4 Prozent in 2013. Die Erwerbslosigkeit ist im deutschen Vergleich weiterhin sehr hoch, die Zahl der Langzeitarbeitslosen bleibt nahezu konstant und jedes dritte Kind lebt in einer Bedarfsgemeinschaft nach SGB II, jedes fünfte Kind lebt in Armut. Wenn inzwischen beliebte Kieze im Innenstadtbereich eine „soziale Aufwertung“ erfahren, darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass parallel eine Verdrängung in die äußeren Stadtbezirke stattfindet. Soziale Brennpunkte verschwinden nicht, sie verlagern sich lediglich geographisch oder haben sich sogar verfestigt.
Der starke Zuzug von Menschen in den letzten Jahren macht die Versäumnisse der Sozialpolitik in der Vergangenheit nun noch sichtbarer. Wo die vorhandenen Hilfesysteme schon vorher den Bedarf kaum decken konnten, stehen sie bei der wachsenden Bevölkerung nun noch stärker unter Druck. Es rächt sich bitter, dass der soziale Wohnungsbau schon vor Jahren aufgegeben und keine neuen Wohnungen gefördert wurden, dass eine verfehlte Sparpolitik weite Teile der Verwaltung, insbesondere in den Bezirken, handlungsunfähig gemacht hat und dass dringende Investitionen in die soziale Infrastruktur schon viel zu lange unterlassen werden.
Es braucht in Berlin eine entschiedene Kurskorrektur. Verfestigte Ungleichheiten müssen endlich wirkungsvoll angegangen und neue Konflikte mit aller Kraft vermieden werden. Dabei muss es auch um eine gerechtere Verteilung der Ressourcen gehen, denn sie ist eine zwingende Voraussetzung für eine solidarische Gesellschaft. Wir befinden uns in einer entscheidenden Phase, um die richtigen Weichen zu stellen, damit sowohl die alteingesessenen Berlinerinnen und Berliner als auch Neuankommende gleiche Teilhabechancen haben und in gleichem Maße vom Aufschwung der Stadt profitieren können.
Voraussetzung dafür ist in einem ersten Schritt das richtige Verständnis von Armut: sie darf nicht nur in Zusammenhang mit einem geringen Einkommen gesehen werden, sondern bedeutet Unterversorgung und Benachteiligung in mehreren Lebensbereichen.
Wir fordern daher eine abgestimmte, ressortübergreifende Handlungsstrategie. Das erfordert koordinierte Maßnahmen in verschiedenen Politikfeldern, die von Politik, Verwaltung, Trägern und Verbänden, Fachleuten und im Dialog mit Betroffenen gemeinsam erarbeitet und umgesetzt werden müssen. Eine besondere Bedeutung haben für uns Grüne, neben einem guten Hilfesystem für akute Krisensituationen, vor allem präventive Maßnahmen, also die Verhinderung von sozialer Ungleichheit durch die Bekämpfung der Ursachen. Alle Maßnahmen können nur Erfolg haben, wenn dabei die vorhandenen Ressourcen im Sozialraum erkannt, genutzt und miteinander vernetzt werden. Als Planungsgrundlage brauchen wir Daten, die die Zusammenhänge unterschiedlicher Lebenslagen der Menschen sichtbar machen. Wir halten den „Entwurf für eine integrierte Armuts- und Sozialberichterstattung“ (Link zum PDF) der Landesarmutskonferenz Berlin für eine zentrale Voraussetzung, um Armut ressortübergreifend und nachhaltig abbauen zu können.
Schon im Jahr 2010 hat die Landesarmutskonferenz in einer Resolution eine gesamtstädtische Strategie zur Überwindung von Armut und sozialer Ausgrenzung von der Politik gefordert. Passiert ist trotz mehrerer Ankündigungen durch den Senat bis heute nichts. Wir von Bündnis 90/Die Grünen gehen deshalb voran und schlagen hiermit für die verschiedenen Politikbereiche konkrete Maßnahmen vor, um Armut und soziale Ausgrenzung in Berlin wirksam zu bekämpfen und mehr Chancengleichheit zu schaffen.
Damit wollen wir gute Chancen für die Kleinsten schaffen, durch Investitionen in Bildung systematisch das Armutsrisiko reduzieren, Erwerbsbeteiligung verbessern, Wohnungslosigkeit entschieden bekämpfen, für alle BerlinerInnen gleiche Chancen auf eine gute Gesundheit erreichen, Maßnahmen gegen die zunehmende Altersamut treffen, eine sozial gerechte Mobilität unabhängig vom Einkommen garantieren sowie Diskriminierung überwinden.
Hier geht’s noch mal zum Beschluss bzw. Maßnahmenkatalog: Armut bekämpfen, soziale Gerechtigkeit stärken, Teilhabe schaffen
Es gibt darüber hinaus noch ein langes AutorInnenpapier, das die Themenblöcke und Maßnahmen ausführlich vorstellt. Dieses wird bis zum Sommer weiter diskutiert und ergänzt bevor die gesamte Fraktion es beschließen wird.