Wichtiges Signal im Kampf gegen Spekulation: Bezirk nutzt Vorkaufsrecht zugunsten Dritter im Wrangelkiez

Seit Monaten kämpft die Mieter*innengemeinschaft der Wrangelstraße 66 in Kreuzberg für den Erhalt ihrer bezahlbaren Mietwohnungen. Am Donnerstag war nach langem Kampf ein großer Erfolg zu vermelden: Um die Mieterinnen und Mieter vor Verdrängung zu schützen, hat der Bezirk von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht, das es in Milieuschutzgebieten theoretisch gibt. Gemeinsam mit den Mietern und dem grünen Baustadtrat Hans Panhoff wurde mit einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft und einer Stiftung verhandelt. In einem bisher einmaligen Kooperationsmodell sollen beide das Haus jetzt übernehmen. Auf diesem Weg kann der Bezirk sein Vorkaufsrecht zu Gunsten Dritter wahrnehmen. Der Bezirk setzt so ein deutliches Zeichen gegen Immobilienspekulation. Als Grüne haben wir auf Landes- und Bezirksebene die Mieter*innengemeinschaft der Wrangelstraße 66 unterstützt und uns für die Ausübung des Vorkaufsrechts durch den Bezirk stark gemacht. Dass es am Ende geklappt hat, ist insbesondere dem großen Engagement der Mieter*innen sowie dem Bezirksamt zu verdanken.

Die Wrangelstraße 66 und das vorgesehene Kooperationsmodell zwischen Wohnungsbaugesellschaft und Stiftung zur Ausübung des bezirklichen Vorkaufsrechts zu Gunsten Dritter ist ein wichtiger Präzedenzfall – dabei darf es aber nicht bleiben. Der strategische Einsatz des Vorkaufsrechts zum Verkehrswert muss endlich zum Regelfall werden, um preiswerten Wohnraum zu erhalten und die Mieter*innen vor Verdrängung durch Spekulation zu schützen. Seit Jahren versuchen die Bezirke in ihren Milieuschutzgebieten vom Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen. Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften haben aufgrund hoher Kaufpreise und Verkehrswerte Anfragen der Bezirke aber meist negativ beantwortet. Damit das Vorkaufsrecht durch die Bezirke zukünftig häufiger eingesetzt und nicht immer nur im Einzelfall angewendet werden kann, müssen endlich formale und finanzielle Hürden auf Landesebene und bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften abgebaut werden. Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften müssen in die Lage versetzt werden, innerhalb der kurzen gesetzlichen Fristen (8 Wochen) mit den Bezirken das Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten trotz steigender Verkehrswerte (Kaufpreis, der durch Gutachten festgestellt wird) ausüben zu können. Neben dem Neubau von Wohnungen muss auch die Sicherung von preiswertem Wohnraum zentraler Bestandteil der Wohnungspolitik werden.

Um das Vorkaufsrecht als Instrument einer gestaltenden Stadtentwicklungspolitik dauerhaft nutzen zu können, braucht es deshalb geeignete Standardverfahren.

Eine Möglichkeit wäre ein landesweiter Ankaufsfonds, um das bezirkliche Vorkaufsrecht finanziell innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Zweimonatsfrist ausüben zu können. Ein von uns Grünen in den Haushaltsberatungen auf Landesebene eingebrachter Vorschlag für einen solchen Fonds wurde jedoch abgelehnt. Vorreiter für den strategischen Einsatz des Vorkaufsrechts sind Hamburg und München. Dort gibt es seit vielen Jahren klare Vereinbarungen mit Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften, wann und zu welchen Vorgaben sie die Stadt bei der Ausübung des Vorkaufsrechts unterstützen. Beide Städte haben so eine glaubwürdige Option für einen Aufkauf aufgebaut. Und auch wenn nicht alle Häuser aufgekauft werden können, so gibt es auch noch das Instrument der sog. Abwendungsvereinbarungen: Mit der Ankaufs-Drohung kann die Kommune bzw. der Bezirk die Eigentümer dazu bringen, eine Abwendungsvereinbarung mit dem Bezirk zu schließen: Der Käufer kann das Vorkaufsrecht abwenden, wenn er sich dazu verpflichtet, das Haus im Sinne der sozialen Erhaltungssatzung zu bewirtschaften. Dazu gehört, dass die Miete bei Neuvermietungen die ortsübliche Vergleichsmiete nicht überschreiten darf und dass modernisierungbedingte Mietsteigerungen bei einer bestimmten Höhe gekappt werden. Seit 1995 gibt es das Vorkaufsrecht in Hamburg. Und die Stadt München hat in den letzten 20 Jahren durch Vorkaufsrecht und Abwendungsvereinbarungen 430 Immobilien mit 6000 Wohnungen einer sozialverträglichen Entwicklung zugeführt.

In Hamburg und München wird in den meisten Fällen eine solche Abwendungsvereinbarung geschlossen. Nur selten werden Häuser tatsächlich gekauft. Aber: wenn die Drohkulisse fehlt, dass im Zweifelsfall auch aufgekauft wird, dann wird sich kein Investor auf eine Abwendungsvereinbarung einlassen, da er weiß, dass die Bezirke derzeit ihr Vorkaufsrecht meist aus strukturellen Gründen nicht wahrnehmen können. Deshalb braucht es endlich formale und finanzielle Regelungen zwischen Senat, landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und Bezirken, zum Einsatz des Vorkaufsrechts in Milieuschutzgebieten. Im Falle der Wrangelstraße 66 wollte ein Luxemburger Investor das Haus nicht als Ganzes verkaufen, sondern jede Wohnung einzeln an ein- und denselben Käufer. Damit wäre rein theoretisch das Vorkaufsrecht umgangen worden, das in Milieuschutzgebieten immer nur für ganze Häuser greift. Der Bezirk wertete den Verkauf aller Einzelwohnungen aber als Gesamtverkauf, wodurch das Vorkaufsrecht zur Anwendung kommen konnte. Die Erklärung der Mieter*innengemeinschaft der Wrangelstraße 66 ist hier zu finden.