Deutsche Wohnen & Co Enteignen – Volksentscheid zur Vergesellschaftung geht in die zweite Runde

Vor zwei Jahren haben sich die Berliner*innen mit 56,4% in einem Volksentscheid FÜR die Vergesellschaftung renditeorientierter Wohnungsunternehmen ausgesprochen. Seitdem schiebt die SPD-geführte Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen das Thema auf die lange Bank. Um offene rechtliche Fragen zu prüfen und Klarheit über die Konsequenzen zu bekommen, wurde 2022 eine Expert*innenkommission eingerichtet, die nach einem Jahr Arbeit zu dem Ergebnis kam: Es gibt keine rechtlichen Hürden für die Vergesellschaftung und die Entschädigungssumme könnte unter dem Marktwert liegen, die Vergesellschaftung wäre also für das Land Berlin finanzierbar.

Statt sich folgerichtig an eine zeitnahe Umsetzung des Vorhabens zu setzen, wirft Senator Gaebler (SPD) nur mit Nebelkerzen und plant ein sog. „Rahmengesetz“ für die Vergesellschaftung. Dass dieses Rahmengesetz nicht nur sinnfrei und juristisch fragwürdig ist, habe ich in der vergangenen Plenarsitzung deutlich gemacht. Das Verhalten der SPD zum Volksentscheid „Deutsche Wohnen und Co Enteignen“ grenzt an Arbeitsverweigerung.

Deshalb hat die Initiative DWE vergangenen Dienstag bekanntgemacht, dass sie das Ruder selbst in die Hand nehmen und einen Gesetzesvolksentscheid auf den Weg bringen wird. Als Bündnis90/die GRÜNEN unterstützen wir diesen Vorstoß zum zweiten Volksentscheid für die Vergesellschaftung renditeorientierter Wohnungsunternehmen und werden für ein klares JA! für die Vergesellschaftung werben!

Die Tatsache, dass der Umgang von CDU und SPD dies notwendig machen, untergräbt weiter das Vertrauen der Bürger*innen, dass staatliche Institutionen ihren Willen umsetzen und sich um die Probleme der Stadt kümmern. Die Notwendigkeit, große profitorientierte Wohnungskonzerne zu vergesellschaften, ist seit dem Start der Initiative nur noch größer geworden. Die Mieten steigen immer weiter, immer mehr Menschen werden verdrängt oder sind akut vor Verdrängung bedroht. Selbst Personen mit höherem Einkommen werden aufgrund der hohen Mietkosten immer mehr an ihre finanziellen Grenzen gebracht. Paare oder Familien verzichten auf ihren eigentlichen Kinderwunsch, da sie sich schlichtweg den Wohnraum, den eine Familie braucht, nicht leisten können. Auch die Obdachlosigkeit in unserer Stadt steigt durch die hohen Mieten weiter. Jetzt schon müssen 220.000 Berliner*innen mehr als 40% des Haushaltseinkommens für das Wohnen aufbringen, weitere 250.000 Haushalte leben mit einer Mietbelastungsquote von 30-40%. Insgesamt sind damit fast ein Drittel der Berliner Mieter*innen mit den Mietkosten tendenziell überlastet. Da die Löhne bei weitem nicht so schnell wachsen wie die Mieten, wird sich diese Lage nur weiter verschärfen.

Klar ist, die Vergesellschaftung von rund 200.000 Wohnungen kann nur einen Teilbeitrag leisten, um den Wohnungsmarkt zu entlasten, aber sie ist ein wichtiger Schritt in den langfristigen Umbau des Berliner Wohnungsmarktes hin zu einer gemeinwohlorientierten Bewirtschaftung des Bestandes.

Vorkaufsrecht für die Weichselstraße 52 – Senat gibt Gelder frei

Pressemitteilung: Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen hat heute offiziell grünes Licht für eine Bezuschussung zu Gunsten der landeseigene Immobiliengesellschaft „Stadt und Land“ zur Ausübung des kommunalen Vorkaufsrecht für die Weichselstraße 52 gegeben.

Dazu Katrin Schmidberger, Sprecherin für Wohnen und Mieten von Bündnis 90/die GRÜNEN im Berliner Abgeordnetenhaus:

„Mit der Entscheidung der Senatsverwaltung sind die Weichen für die Wiederbelebung des kommunalen Vorkaufsrechts gestellt. Es wurde im November 2021 durch das Urteil des Bundesverwaltungsgericht zwar stark eingeschränkt. Seitdem kann nur für Häuser das Vorkaufsrecht ausgeübt werden, die starke städtebauliche Mängel oder überwiegenden Leerstand aufweisen. Durch die Freigabe der Gelder kann nun ein weiteres Haus mit 60 Bewohner*innen dem Markt dauerhaft entzogen werden.

Wir gratulieren den Mieter*innen der Weichselstraße 52 und dem Bezirk für ihren unermüdlichen Kampf. Der potentielle Käufer aus Hamburg „Hansereal“, der das Gebäude gekauft hätte, ist dafür bekannt, seine Bestände verfallen zu lassen, Wohnungen aufzuteilen, meistbietend zu verkaufen und die Mieter*innen zu verdrängen. Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts wird ein Zeichen gegen die Praxis profitorientierter sog. Investoren gesetzt.

Die Weichselstraße 52 darf kein Einzelfall bleiben. Derzeit gibt es drei weitere Häuser, die sich in der Prüfung befinden. Der Senat steht in der Pflicht, nun alle Landeseigenen Wohnungsunternehmen, Genossenschaften, Stiftungen und andere gemeinwohlorientierte Akteure an einen Tisch zu holen, um eine gemeinsame Ankaufstrategie zu entwickeln.

Der Berliner Wohnungsmarkt kann und muss umgebaut werden – neben bezahlbarem Neubau ist der Ankauf von bestehendem Wohnraum gerade in den Kiezen, in denen der Verdrängungsdruck am größten und das Neubaupotential am geringsten ist, zentral für eine bezahlbare Stadt für Alle.

Die Liste der bedrohten Häuser bzw. Hausgemeinschaften ist lang. Wie die Mieter*innen der Weichselstraße 52 warten jetzt die Mieter*innen der Rigaerstraße 94/95 und Liebigstraße 14 auf die Prüfung eines Ankaufs durch ein landeseigenes Unternehmen oder durch eine Genossenschaft. Der Senat muss sich auch hier ernsthaft um eine Unterstützung bemühen und darf die Mieter*innen nicht alleine lassen.“

André Schulze, Sprecher für Haushalt und Finanzen von Bündnis 90/Die GRÜNEN im Berliner Abgeordnetenhaus ergänzt:

„Dieser Fall zeigt: Die Entscheidung des Bezirksamtes Neukölln war richtig die rechtliche Möglichkeiten zur Anwendung des Vorkaufsrechts in diesem Fall intensiv zu prüfen und den Vorkauf vorzubereiten. Das große Engagement der Mieter*innen trägt heute Früchte. Der Senat und die Koalition sind jetzt in der Verantwortung das Vorkaufsrecht im Doppelhaushalt 2024/2025 finanziell so abzusichern, dass die nötigen finanziellen Mittel zur Anwendung bei weiteren Fällen bereitstehen.“

Das Beste für Berlin: Vergesellschaftung jetzt!

Die heutige Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen hatte heute das Thema „Abschlussbericht der Expertenkommission zum Volksentscheid „Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen“ und Ausblick auf das „Vergesellschaftungsrahmengesetz“ zum Thema. Dazu habe ich folgendes Statement abgegeben:

Die Diskussion in der Ausschusssitzung heute hat erneut bekräftigt, dass Vergesellschaftung rechtlich machbar und finanzierbar ist. Auch die abgegebenen Sondervoten stünden nach der Vorsitzenden der Expert*innenkommission, Frau Däubler-Gmelin, einem entsprechenden Gesetz nicht im Wege. Die offenen Fragen zur Verhältnismäßigkeit und Entschädigungshöhe müssen aber geklärt werden. 


Statt auf Vergesellschaftung hat die SPD damals auf das Wohnungsbündnis gesetzt. Die vergangenen Wochen haben gezeigt: Das Bündnis ist kläglich gescheitert, die Konsequenzen müssen jetzt gezogen werden. Nach Jahren der sprudelnden Gewinne wollen sich die privaten Wohnungskonzerne nun auf Kosten von Mieter*innen und Steuerzahler*innen ihre Renditen auch in Krisenzeiten garantieren, ganz dem Motto: Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren. Während sie zeitgleich ihre Haupt-Daseinsberechtigung, das Schaffen von Wohnraum, stark oder, wie im Falle von Adler und Vonovia/Deutsche Wohnen, komplett eingestellt haben. Es zeigt sich immer wieder: Freiwillige, intransparente Selbstverpflichtungen können keine echten Gesetze und echten Mieterschutz ersetzen!

Und die Zeit drängt: Wenn 220.000 Berliner Miethaushalte mehr als 40% des Haushaltseinkommens für das Wohnen aufbringen müssen, ist das alarmierend. Weitere 250.000 Haushalte leben mit einer Mietbelastungsquote von 30-40%. Insgesamt sind damit fast ein Drittel der Berliner Mieter*innen mit den Mietkosten tendenziell überlastet. Wer immer noch bezweifelt, dass ein Wohnungsmarkt, der von kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen dominiert wird, deutlich niedrigere Mieten hervorbringt, muss lediglich nach Wien schauen. Rund 62% des Wohnungsbestands in der österreichischen Hauptstadt unterliegen dem Allgemeinwohl, was zu deutlich niedrigeren Mieten und einer höheren Lebensqualität führt. Nicht umsonst wird Wien regelmäßig zur lebenswertesten Stadt der Welt gekürt.

Die Expert*innenkommission sollte die juristische Antwort auf die offenen Fragen zur Vergesellschaftung geben, aber auch jetzt, trotz des positiven Berichts, will der Senat weiterhin verschleppen, statt direkt umsetzen und ein allgemeines Rahmengesetz vor einem Umsetzungsgesetz erarbeiten. Auch die Mitglieder der Expert*innenkommission haben bekräftigt: Ein allgemeines Rahmengesetz ist unnötig, da sich die konkreten und offenen Fragen nur in einem Umsetzungsgesetz (z.B. Verhältnismäßigkeit und Entschädigungshöhe) klären lassen können. Mit einem Rahmengesetz würde sich kein Maßstab für weitere Umsetzungsbereiche und spätere Gesetzgebung setzen lassen, da das spätere Gesetz sich immer durchsetzen würde. Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtes, von gesetzgeberischen Institutionen befragt zu werden, ob erarbeitete Gesetze zulässig sind. Eine Prüfung kann nur von der Opposition beauftragt werden.

Der Abschlussbericht hat zudem ergeben, dass deutlich unter Markt- bzw. Verkehrswert entschädigt werden kann. Es ist eben nicht so, dass das Land Berlin bei einer Vergesellschaftung analog zur Enteignung entschädigen muss – in diesem Fall muss nämlich nach Marktwert entschädigt werden. Daher ist klar: Die damalige Kostenschätzung des Senats über 36 Milliarden Euro ist hinfällig und muss überarbeitet werden.

Das Argument „Vergesellschaftung schafft keine neue Wohnung“, das auch heute vom Senat vorgebracht wurde, ist unterkomplex und folgt zu einem gefährlichen Schwarz-Weiß-Denken, das der aktuellen Debatte nicht weiterhilft. Es geht um die Sicherung des Bestandes zu gleichbleibenden bzw. gesenkten Mieten. Die Kombination aus kaum noch existentem belegungsgebundenem Bestand und der stark fallenden Anzahl von Sozialwohnungen mit den Plänen von Schwarz-Rot, die Ansprüche auf WBS deutlich auszuweiten, bedarf dringend neuer kommunaler Wohnungen. Kein Neubau der Welt kann diesen Bedarf decken, da es bereits heute für jede Sozialwohnung zehn WBS-Berechtigte gibt. Auch die Gefahr, private „Investor*innen“ im Wohnungsbau zu verprellen, ist ebenfalls fadenscheinig, da die dringend gebrauchten Sozialwohnungen fast ausschließlich von den landeseigenen Wohnungsunternehmen (LWU) gebaut werden. Die Anhebung der Fördermittel für unsere LWUs wäre daher die beste Neubaustrategie und nicht Bittsteller der privaten Wohnungsunternehmen zu werden. Diese haben ihre fehlende Verlässlichkeit im Wohnungsbündnis bereits zur Schau gestellt. Für uns Bündnis 90/GRÜNE ist klar, dass nur ein Zusammendenken verschiedener Maßnahmen die aktuelle Dynamik auf dem Wohnungsmarkt eindämmen kann- Vergesellschaftung ist dabei ein wichtiger Baustein. Wir fordern daher die zügige Erarbeitung eines Umsetzungsgesetzes, statt das Vorhaben weiterhin verschleppen zu wollen. Die Mitglieder der Kommission haben sich bereit erklärt, an dem Gesetz weiterzuarbeiten und ihre Expertise zur Verfügung zu stellen.

Wir Grüne werden gemeinsam mit der Initiative weiterhin den Druck auf den Senat erhöhen und uns weiterhin für die Umsetzung des Volksentscheids einsetzen!

Abschlussbericht Vergesellschaftung: Vergesellschaftung ist politisch machbar und finanzierbar

Zum heute vorgelegten Abschlussbericht der Expertenkommission Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen erklärt Katrin Schmidberger, Sprecherin für Wohnen und Mieten:

„Der Abschlussbericht bestätigt, dass Vergesellschaftung die politisch machbar sowie finanzierbar ist. Gerade weil die Vergesellschaftung von Wohnraum juristisches Neuland ist, war es richtig, eine Expert*innenkommission einzurichten, die die rechtlichen Wege und Möglichkeiten einer Vergesellschaftung untersucht. Wir danken den Expert*innen für die Mitarbeit.

Anders als beim Mietendeckel sieht die Kommission eine Zuständigkeit des Landes Berlin als sicher gegeben. Sie ist demnach auf große private Wohnungsunternehmen anwendbar und mit der Berliner Verfassung vereinbar. Bemerkenswert ist, dass die Vergesellschaftung als mildestes Mittel „für die Zwecke des Allgemeinwohls“ bewertet wird. Eine Entschädigung muss dabei nicht nach dem Verkehrswert, sondern kann mindestens deutlich darunter oder sogar nach Vorgaben einer sozialen Bewirtschaftung der Bestände erfolgen.
Die Kommission spielt den Ball nun zurück an die Politik. Ein Umsetzungsgesetz für die Vergesellschaftung von Wohnungsunternehmen muss die Antwort des Senats auf den Abschlussbericht sein. Eine Verzögerung der Umsetzung würde auch das Vertrauen in das politische System beschädigen. Gerade die SPD hatte sich per Beschluss verpflichtet, sollte die Vergesellschaftung von Wohnraum für Berlin möglich sein, den Volksentscheid auch umzusetzen. Jetzt muss die SPD-Fraktion beweisen, dass Parteitagsbeschlüsse und damit die sozialdemokratische Handschrift in der Koalition auch wirklich zählen.
Und auch die CDU muss ihre ideologischen Scheuklappen absetzen und darf sich dem Abschlussbericht nicht verweigern. Sie steht als stärkste Fraktion in der Verantwortung, das mehrheitliche Votum der Berliner*innen zu respektieren. Zudem kann es nicht sein, dass sie ein Herz für Enteignungen bei Autobahnen hat, während sie Mieter*innen dieses Instrument ideologisch verweigert.

Der Druck auf dem Wohnungsmarkt wird weiter zunehmen, auch weil die bestehenden Instrumente, wie im Bundesmietrecht oder das kommunale Vorkaufsrecht, seit Jahren eben nicht geschärft oder wieder hergestellt werden im Sinne der Mieter*innen. Auch bestehende Landesgesetze gegen Leerstand und Abriss werden in den nächsten Jahren durch Schwarz-Rot voraussichtlich nicht verbessert. Nur ein mehrheitlich gemeinwohlorientierter Wohnungsmarkt kann dauerhaft bezahlbare Mieten und eine soziale Wohnraumversorgung für die Berliner*innen erreichen.
Auch deshalb muss das Instrument Vergesellschaftung jetzt in ein Gesetz gegossen werden. Der Senat sollte hierzu einige Expert*innen der Kommission sowie weitere Expert*innen aus der Wohnungswirtschaft bei der Gesetzeserarbeitung einbinden.