Ein wirksamer Mieterschutz in Berlin erfordert mehr als nur politische Versprechen. Er braucht klare Regeln, Transparenz und eine entschlossene Steuerung der landeseigenen Wohnungsunternehmen (LWU). Der neue Dokumentarfilm „VIELE eInzelfälle WENIG KONTROLLE“ der Initiative Kotti und Co legt offen, wie sehr Wunsch und Realität in der Berliner Wohnungspolitik auseinanderklaffen.
Ich wurde für diesen Film interviewt und er zeigt auf drastische Weise: Die Kommunalisierung privater Wohnbestände, die eigentlich ein großer Erfolg für die Mieter*innen sein sollte, erfüllt ihre sozialen und instandhalterischen Versprechen oft nicht.
Versprechen und Ernüchterung: Die Bilanz der Kommunalisierung
Die Rückkäufe von Wohnungen durch das Land Berlin waren ein hart erkämpfter Sieg der Mieter*innenbewegung. Die Hoffnung war groß: sozial leistbarer Wohnraum, gute Instandhaltung, Transparenz und Mitbestimmung.
Doch die Bilanz ist ernüchternd. Der Film dokumentiert:
- Mangelhafte Instandhaltung: Mieter*innen berichten von weiterhin schlechtem Zustand der Häuser, kaputten Heizungen und ineffektivem Service.
- Explodierende Betriebskosten: Trotz öffentlicher Hand zahlen Mieter*innen zum Teil doppelt so hohe Betriebskosten wie der Berliner Durchschnitt. Das „Contracting“ von Wärme und undurchsichtige Abrechnungen führen zu hohen Nachzahlungen.
- Fehlende Mitbestimmung: Die Bewohner*innen fühlen sich nicht ernst genommen und ihre Beobachtungen zu Mängeln und Vorkommnissen verhallen.
Das zentrale Problem, das der Film herausarbeitet, ist das Fehlen einer konsequenten politischen Steuerung des Senats gegenüber den landeseigenen Unternehmen.
Meine Kritik im Film: Der Senat lässt die Landeseigenen an der langen Leine
In meinem Interview für den Film habe ich meine Einschätzung zur Steuerung der LWU durch den Berliner Senat deutlich gemacht. Die wichtigsten Punkte:
1. Fehlende politische Steuerung:
Die Landeseigenen werden im Moment gar nicht politisch gesteuert und können dadurch eigentlich machen, was sie wollen. Obwohl das Land Berlin der Hauptgesellschafter ist und demnach die Verantwortung für die politische Ausrichtung trägt, agiert der Senat oft nicht wie eine Obrigkeit, die Vorschriften macht, sondern betont die „unternehmerische Unabhängigkeit“ der LWU. Wenn der Senat Anweisungen geben kann, hat er auch Sanktionsmöglichkeiten, diese werden aber nicht genutzt.
2. Die falsche Rechtsform:
Zwei der größten LWU sind Aktiengesellschaften. Diese Rechtsform passt nicht zu einem sozialen Versorgungsauftrag. Sie impliziert eine Logik, die auf Gewinn und Einnahmengenerierung ausgerichtet ist, anstatt primär gemeinwohlorientiert zu handeln.
3. Ausgehöhlte Kontrollmechanismen:
Der Film zeigt, wie Kontrollinstrumente abgeschafft oder geschwächt wurden:
- Die Kontrollbehörde „Wohnraumversorgung Berlin“ wurde zu einer weitgehend machtlosen Ombudsstelle namens „Sicheres Wohnen“ umgewandelt. Der wichtige jährliche Bericht und der Auftrag für ein politisches Controlling fallen weg.
- Die parlamentarische Kontrolle findet in einem vertraulichen Unterausschuss statt, in dem jede Fraktion nur 10 Minuten Zeit hat, Fragen an die LWU-Geschäftsführungen zu stellen. Eine wirkliche Kontrolle ist so nicht möglich.
- Die neue Kooperationsvereinbarung ab 2024 ist deutlich „laxer“. Sie erlaubt höhere Mieterhöhungen als die vorherige Regelung und erhöht die WBS-Einkommensgrenze, sodass weniger Wohnungen an tatsächlich einkommensschwache Haushalte gehen.
Der Blick nach vorn: Wie eine vernünftige Vergesellschaftung gelingen kann
Die Lösung liegt in einem fundamentalen Wandel der Struktur. Wie im Film betont, könnte die politische Steuerung und soziale Ausrichtung am einfachsten und wirksamsten gelingen, indem die LWU-Bestände in eine Anstalt öffentlichen Rechts überführt werden.
Das bedeutet:
- Ende der AG: Die Rechtsform wird dem sozialen Versorgungsauftrag angepasst.
- Demokratische Verwaltung: Die Verwaltung erfolgt durch Mieter*innen, Beschäftigte, die Stadtgesellschaft und Senatsvertreter*innen. Eine politische Steuerung wird nicht nur möglich, sondern verpflichtend.
- Dezentralisierung für Mieter*innen: Eine Zusammenlegung der LWU könnte in der politischen Steuerung effizienter sein, muss aber mit einer gleichzeitigen Dezentralisierung und Schaffung von mehr Ansprechpartner*innen vor Ort für die Mieter*innen einhergehen.
Wir können nicht zulassen, dass die landeseigenen Wohnungen nur dem Namen nach sozial sind. Ich bleibe dran. Für eine Wohnungspolitik, die hält, was sie verspricht, mit sozial leistbarem Wohnraum, guter Instandhaltung und echter Kontrolle. Berlin braucht eine starke politische Hand, die die LWU im Sinne der Mieter*innen steuert.
Den Film findet ihr hier: https://youtu.be/Jj3J93jUVfU?si=WxQlBO2HavoDoXam
