Die Ampel muss ran!

Wie das Vorkaufsrecht gerettet werden kann

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. November 2021 hat alle geschockt, die sich für den Erhalt von bezahlbarem Wohnraum und den Schutz von Mieter*innen einsetzen. Jetzt muss die zukünftige Bundesregierung zum Zuge kommen und die Anwendung des Vorkaufsrechts in Erhaltungssatzungsgebieten sichern – nicht nur für Berlin, sondern für alle Städte, die von der Mietenexplosion und Verdrängung aus den Kiezen betroffen sind.

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Was ist das Vorkaufsrecht?

Das Instrument des Vorkaufsrechts nach §26 des BauGB war bis dato ein wichtiger Baustein im Kampf gegen Spekulation und Verdrängung. Das Vorkaufsrecht besagt, dass in sogenannten „sozialen Erhaltungsgebieten“ (Milieuschutzgebieten) der Bezirk bei anstehenden Verkäufen das Gebäude erwerben kann. Alternativ kann von Käufer*in eine Abwendungsvereinbarung unterzeichnet werden, die den Mieter*innen für 20 Jahre einen besonderen Schutz garantiert, z.B. keine Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen.

In Berlin gibt es insgesamt 72 soziale Erhaltungsgebiete. Allein im Jahr 2020 wurden 252 Käufe geprüft, 18 Vorkaufsrechte ausgeübt und 143 Abwendungserklärungen unterzeichnet. Damit wurden in nur einem Jahr 4121 Wohnungen in ganz Berlin gesichert. Und auch Friedrichshain-Kreuzberg ist bekannt für diese Praxis. In dieser Legislaturperiode wurde hier 31 Mal das Vorkaufsrecht gezogen und somit 718 Wohnungen direkt in gemeinwohl-orientierte Bewirtschaftung übertragen. 

Was bedeutet das Urteil?

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. November 2021 schiebt dieser Praxis nun einen Riegel vor – und zwar in allen Städten. Es besagt, dass der Verdacht auf eine mögliche Verdrängung der Mieter*innen nicht ausreicht, um das Instrument zu ziehen und macht das Vorkaufsrecht bei Gebäuden unwirksam, bei denen keine Mängel festgestellt werden. Das bedeutet: In Zukunft kann so das Vorkaufsrecht nur bei unbebauten Grundstücken und sogenannten „Schrottimmobilien“ angewandt werden, ist also für 99% der aktuellen Fälle nicht anwendbar.

Dabei erfolgte erst kürzlich eine Novellierung des Baulandmobilisierungsgesetzes, das die Frist für das Vorkaufsrecht von zwei auf drei Monate verlängerte. Der Ausschuss des Bundesrats hatte damals sogar bereits empfohlen, dass der Paragraph 26 BauGB novelliert werden muss, um das Vorkaufsrecht rechtssicher zu machen. Die schwarz-rote Bundesregierung hatte diese Empfehlung leider ignoriert. Obwohl das Urteil keine Auswirkungen auf bereits abgeschlossene Fälle und Abwendungsvereinbarungen hat, sind aktuell laufende Vorkaufsfälle davon betroffen – in Berlin sind das ganze 600 Wohnungen und damit einige Mieter*innen mehr, die jetzt akut zittern müssen.

Was ist jetzt zu tun?

Dieses Urteil ist bitter für den Kampf gegen Verdrängung und Spekulation. Aber der Zeitpunkt kann auch eine Chance sein, Rechtssicherheit für das Instrument herzustellen.

Dafür könnte die Forderung nach der Novellierung des Vorkaufsrechts im Koalitionsvertrag der zukünftigen Regierungskoalition verankert und schnell im Bundestag geändert werden. Als Land Berlin haben wir auch bereits eine Bundesratsinitiative dazu geplant. Inhaltlich müsste lediglich §26, Absatz 4 um den Zusatz erweitert werden:  Dies gilt nicht in Gebieten nach § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 – damit wäre der umstrittene Paragraph geklärt.

Ich werde mich dafür einsetzen, dass die Anwendung des Vorkaufsrechts gesichert wird und hoffe, dass gerade mit einer grünen Regierungsbeteiligung auf Bundesebene alles dafür getan wird, um Immobilienspekulation und der Verdrängung der Berliner*innen aus der Innenstadt entgegenzuwirken. Wir haben als Grüne Berlin bereits dazu Vorschläge für die Koalitionsverhandlungen gemacht und hoffen auf eine baldige Einigung innerhalb der Ampel. Denn für den Schutz von Kiezstrukturen und für den Schutz von Mieter*innen braucht es ein wirksames kommunales Vorkaufsrecht. Wir Politiker*innen in den Ländern und Kommunen brauchen dringend scharfe Instrumente, um überhaupt unserer Verantwortung zum Schutz der Bevölkerung auch gerecht werden zu können.