Seit dem Frühjahr diskutiert die ganze Stadt über die Einführung eines Mietendeckels für Berlin. Durch das öffentliche Mietpreisrecht wollen wir den Berliner*innen eine Atempause verschaffen, die ihre Mieten kaum noch bezahlen können. Wir betreten jedoch juristisches Neuland und müssen daher gut abwägen, welches Modell gleichzeitig sozial und fair, aber auch umsetzbar und rechtssicher ist, damit das Gesetz die zu erwartende Klagewelle vor Gericht besteht und nicht gekippt wird.
Pervertierte Preise und lückenhaftes Mietrecht
In Berlin sind die Grundstückswerte seit 2008 um 870 Prozent angestiegen. In diesem Zeitraum haben sich die Mieten hier mit 104 Prozent mehr als verdoppelt – während die Einkommen nur um 24,7 Prozent angewachsen sind. Die Mietpreise galoppieren der Einkommensentwicklung davon. Jeder fünfte bis sechste Haushalt bringt bereits über 40 Prozent des Nettoeinkommens für Wohnkosten auf. Jede*r zweite Berliner*in hat Angst vor Verdrängung. Fast ein Viertel der Umzüge werden aufgrund von Verdrängung verursacht, durch Mieterhöhungen, Eigenbedarfskündigungen, teure Modernisierungen, fehlende Instandhaltung, Abrisse oder Druck von Eigentümer*innen. Wir haben uns als rot-rot-grüne Koalition dazu verpflichtet, die fortschreitende soziale Spaltung der Stadt aufzuhalten. Dafür ist der Mietendeckel ein wichtiger Baustein, denn wir wollen in Berlin einen Wohnungsmarkt erreichen, bei dem auch Gering- und Normalverdiener*innen wieder eine Chance haben, zu bezahlbaren Preisen eine Wohnung zu finden.
Der Senatsbeschluss
Am 18. Juni 2019 wurde ein erstes Eckpunktepapier für ein Berliner Mietengesetz bzw. einen Mietendeckel durch den Senat beschlossen. Daher ist der 18. Juni der Stichtag, ab dem der Mietendeckel gelten soll, sobald ein Gesetz bis Anfang 2020 verabschiedet sein wird. Ziel ist es, die Mieten in Berlin für fünf Jahre einzufrieren bzw. zu deckeln. Dabei sollen Mietobergrenzen je Baualtersklasse der Wohnhäuser definiert werden. Die Lage soll dabei keine Rolle spielen, um die soziale Spaltung der Quartiere und Bezirke zu überwinden. Überhöhte Mieten sollen auf die Miettabellen-Werte abgesenkt werden, so der Beschluss, der von allen drei Koalitionen getragen wurde.
Juristisches Neuland
Vor einigen Wochen wurde der Presse ein Vorentwurf eines Referentenentwurfs zugespielt. Er war nicht die Arbeitsgrundlage für den tatsächlichen Senatsentwurf und enthält eine Vielzahl von möglichen Instrumenten für einen Mietendeckel, die noch nicht in der Koalition abgestimmt waren und so auch nicht von der Senatorin vorgeschlagen wurden. Dass der Mietspiegel 2011 als Maßstab für möglich Mietobergrenzen gelten sollte, wurde nie abschließend innerhalb der Koalition geklärt, weil diese Frage leider nie genau untersucht wurde. Besonders ärgerlich ist dabei, dass den Mieter*innen durch die Veröffentlichung suggeriert wurde, dieses Modell würde bald Realität werden. Es gibt aber nicht nur den einen Mietendeckel, sondern verschiedene Modelle. Wir betreten juristisches Neuland. Das haben wir immer wieder betont und das bedeutet doch auch, dass wir uns natürlich gerade in einem Abwägungs- und Diskussionsprozess befinden, erst dann kann entschieden werden, welches Modell es werden kann. Jedes Modell hat bezüglich der Gerechtigkeitsfrage und der Umsetzung Vor- und Nachteile, die es gegenüber zu stellen und rechtlich zu prüfen gilt.
Und bei dem Mietendeckel geht es eben nicht alleine um die Frage, was wir wohnungspolitisch für geboten halten, sondern ob dies auch juristisch haltbar und damit verhältnismäßig und am Ende rechtssicher ist. Der Mietendeckel wird vielen juristischen Auseinandersetzungen stand halten müssen. Es gibt kein Recht auf unendliche Renditen, aber es gibt eben auch die Verhältnismäßigkeit, die beim Eingriff in die Eigentumsfreiheit zu gelten hat. Wird diese nicht beachtet, droht der Mietendeckel vor Gericht zu scheitern. Und das kann keiner wollen. Der unabgesprochene Vorentwurf hätte bedeutet, dass es bei bis zu 50 Prozent der Mietverhältnissen zu Mietabsenkungen hätte kommen können, was wohnungspolitisch vielleicht wünschenswert wäre, jedoch leider nicht verhältnismäßig ist, sprich rechtlich leider nicht möglich ist. Es muss zwar eine Härtefallregelung für Eigentümer*innen geben, jedoch darf auch diese nicht zur Regel werden, sondern muss eine Härte und somit Ausnahme darstellen. Die große Herausforderung ist insgesamt, beim Gesetz für einen Mietendeckel die Balance zwischen dem Eingriff ins Eigentum und der Sozialpflichtigkeit des Eigentums zu halten – und zwar so, dass die Mieter*innen auch effektiv geschützt werden. Der Mietendeckel muss also ebenso scharf und sozial sein, so dass er auch wirkungsvoll für alle belasteten Mieter*innen ist. Und er darf nicht so differenziert wie der Mietspiegel sein, sonst ist er für die Bezirke nicht mehr umsetzbar – vor allem weil diese bis Januar 2020 wohl kein Personal dafür bekommen bzw. einstellen können – und ähnelt auch zu sehr den Regeln des Bundesmietrechts, was wohl wiederum juristisch problematisch ist. Berlin wendet als erstes Bundesland mit dem Mietendeckel öffentliches Preisrecht beim Wohnen an. Das bedeutet kurz gesagt, dass es andere Regelungen geben muss als einfach analog das Bundesmietrecht in ein Landesgesetz zu gießen. So jedenfalls bewerten das die gutgewillten Jurist*innen bisher.
Jetziger Zwischenstand – viele Baustellen und Fragen
Im derzeitigen Referentenentwurf der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen wurden daher die Mietspiegelwerte 2013 zur Berechnung der Obergrenzen herangezogen und die Berliner Einkommensentwicklung bis heute ist dabei eingeflossen. 2013 wurde ein angespannter Wohnungsmarkt für Berlin erklärt, sprich dieser Schritt machte es dem Senat möglich, mehr weitergehende wohnungspolitische Maßnahmen zu treffen, wie zum Beispiel die Mietpreisbremse zu nutzen. Die beschriebenen Obergrenzen gelten sowohl für alle Neuvermietungen als auch bei den Bestandsmieter*innen, die sonst mehr als 30 Prozent ihres Einkommens dafür aufwenden müssten. Wer mehr als 30 Prozent seines Nettoeinkommens für die Nettokaltmiete ausgibt, soll das Recht auf eine Mietabsenkung haben. In diesem Fall sollen die Mieter*innen einen Antrag bei den bezirklichen Wohnungsämtern stellen können. Damit wollen wir die Geschäftsmodelle überzogener Immobilienpreise und überhöhter Renditeerwartungen beschneiden, wenn nicht sogar abstellen. Denn sie entziehen anderen Wirtschaftsbereichen Kaufkraft. Investitionen, die auf Maximalrenditen durch Verdrängung, überhöhte Mieten und Luxuswohnungsbau setzen, sind schädlich für den Zusammenhalt der Stadtgesellschaft. Echte energetische Sanierungen, die wirklich das Klima schützen und den Geldbeutel der Mieter*innen entlasten, finden dagegen kaum statt. Stattdessen werden mit vorgeblich energiesparenden Sanierungen die Mieten weiter nach oben getrieben. Mit dem Mietendeckel wollen wir diese Spekulation und Verdrängung eindämmen und deshalb ist es zentral, dass wir überhöhte Mieten absenken. Jedoch ist es auch hier wichtig, dass wir die rechtlichen Risiken gering halten. Das heißt wir müssen noch klären, ob der Bezug auf die Mietbelastung bei Mietabsenkungen rechtlich wirklich schlüssig ist bzw. ob man die Bedarfsgruppen zielgerichteter auf alle Haushalte mit einem Einkommen, die einen Wohnberechtigungsschein beziehen dürfen, begrenzen kann bzw. sollte. Ein ebenso gangbarer Weg scheint die Definition von Wuchermieten zu sein. Das würde bedeuten, dass ab einer gewissen Überschreitung Mieten abgesenkt werden können. Ich will mit diesen Möglichkeiten aufzeigen, dass dies alles keine leichten Entscheidungen sind und miteinander im Zusammenspiel abgewogen werden müssen. Hierbei muss auch nochmal betont werden, dass wir auf Landesebene leider nicht den gleichen Handlungsspielraum wie die Bundesebene haben. Daher können wir auch nicht alle wohnungspolitischen Vorstellungen im Gesetz zum Mietendeckel unterbringen, da ansonsten damit zu rechnen ist, dass das Gesetz vor Gericht als ungültig erklärt wird – was zu Lasten aller Mieter*innen und zu Gunsten von auf Renditesteigerungen setzenden Immobilienkonzernen gehen würde.
Atmender Deckel von unten
Wie gesagt, es gibt unterschiedliche Modelle, die abgewogen werden müssen: Wenn wir mit dem Mietendeckel einen Mietenstopp meinen, würden zwar alle Mieter*innen davon profitieren, was wohnungspolitisch durchaus überzeugend ist. Das Einfrieren der Mieten würde aber auch heißen, dass die Genossenschaften und kleine private Vermieter*innen mit 2,3,4 Häusern, die ihre Mieten in den letzten Jahren gar nicht erhöht haben und teils noch weit unter dem Mietspiegel liegen, gegebenenfalls Probleme bekommen und gleichzeitig die Wohnungsunternehmen mit den bereits hochpreisigen Mieten einen Bestandsschutz erhalten. Da sehe ich eine große Gerechtigkeitslücke, die wir schließen sollten. Denn verantwortungsvolle Bestandshalter*innen und gemeinwohlorientierte Akteure wie die Genossenschaften sind unsere Verbündeten, wir brauchen mehr davon und deshalb ist doch klar, dass wir das fair gestalten müssen. Derzeit nimmt der Anteil von Genossenschaftswohnungen leider eher ab. Ein atmender Deckel, der bis zu bestimmenden Obergrenzen moderate Mietsteigerungen zulässt, schließt die Gerechtigkeitslücke, würde aber bedeuten, dass Einkommensschwache, die einen Mietenstopp brauchen und in noch vergleichsweise niedrigpreisigen Wohnungen leben, gar nichts vom Mietendeckel hätten. Das ist ebenso ungerecht. In diesem Fall könnte aber eine ergänzende Härtefallregelung für die einkommensschwachen Mieter*innen helfen. Denn klar ist auch: wir brauchen einen wirkungsvollen Mietendeckel für die Berliner*innen. Wir Grüne haben von Anfang an einen atmenden Deckel von unten gefordert, auch weil wir nicht zu viele Härtefälle erzeugen dürfen, um das Gesetz rechtssicher zu halten. Zu dem Schluss kommt auch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen und im jetzigen Entwurf steht folgende Regelung: alle Mieten, die unterhalb der bestimmten Mietobergrenzen liegen, dürfen ein Jahr nach dem Gesetz um dann jährlich 1,3 Prozent erhöht werden . Dass der Mietendeckel jetzt auch von oben atmen soll und die Mietobergrenzen per Rechtsverordnung nach kurzer Zeit angehoben werden können, finden wir nicht richtig. Zumindest in den ersten fünf Jahren sollten keine Mieterhöhungen erfolgen, um die versprochene Atempause auch einzulösen.
Energetische Sanierung und Modernisierungsaufschlag
Fragwürdig bzw. kritikwürdig in dem von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen vorgelegten Entwurf ist der Vorschlag, dass die Mieten aller Wohnungen, die in den letzten 15 Jahren modernisiert wurden, einen Aufschlag von 1,40 Euro/QM bekommen sollen. Es wurde bisher weder beantwortet, wie sich diese Summe rechtfertigt, noch welche Maßnahmen dabei wie berücksichtigt werden. Dieser Vorschlag muss überarbeitet werden. Ebenso ist noch keine befriedigende Lösung beim Thema energetischer Sanierung gefunden. Der Missbrauch als Verdrängungsmotor ist bekannt. Wir stehen vor der großen Herausforderung, einerseits diesen unterbinden zu wollen und andererseits auch sinnvolle Maßnahmen für den Klimaschutz zuzulassen. Dass jetzt alle Maßnahmen bis zu einer Umlage von 1 Euro/QM nur anzeigepflichtig sein sollen, und erst danach ein Genehmigungsverfahren nötig ist, scheint dieser Herausforderung nicht gerecht zu werden. Ein Vorschlag des Berliner Mietervereins, der je nach Maßnahme Aufschläge gewährt, scheint sinnvoller. Aber auch da stellt sich die Frage, wie wir es schaffen, dass eben Altbauten nicht in dickes Styropor gepackt werden, nur damit die Miete steigt, sondern nur sinnvolle Maßnahmen wie z.B. die Dämmung der Kellergeschossdecke durchgeführt oder eine neue klimafreundliche Heizungsanlage eingebaut wird. Diese Steuerungswirkung haben wir mit dem jetzigen Entwurf noch nicht erreicht. Auch muss hier immer wieder betont werden, dass es zur Kontrolle auch das dafür ausgebildete Personal braucht. Allen muss bei diesem wichtigen Zukunftsthema klar sein, dass der Mietendeckel es nicht schaffen kann, die Sanierungsrate in Berlin zu steigern. Das geht nur mit deutlich mehr Förderung, der sozialpolitischen Absicherung der Mieter*innen und der Anwendung von Ordnungsrecht. Zum jetzigen Zeitpunkt müssen wir auch bei diesem Aspekt des Mietendeckels noch viele Baustellen klären und die Vor- und Nachteile der diversen Wege beleuchten.
Anwendungsbereich und Ausnahmen
Der Mietendeckel soll nicht für alle Neubauten gelten. Ausgenommen sind dem Referentenentwurf derzeit alle Neubauten, die nach dem 1. Januar 2014 fertiggestellt wurden. Begründet wird dies mit der zu diesem Datum wieder eingeführten Wohnungsneubauförderung, die preiswerten Wohnraum im Neubau unterstützt. Ebenso sind Wohnheime und Wohnungen sozialer Träger und studentische Wohnheime davon ausgenommen. Dagegen fallen möblierte Wohnungen und Kurzzeitvermietungen von Wohnungen unter den Mietendeckel, ebenso wie Staffel- und Indexmietverträge. Auch das ist nötig, um den Missbrauch von Wohnraum als Renditeobjekt zu unterbinden und mögliche Umgehungen des Mietendeckels von vornherein zu verhindern. Dem Entwurf der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen zufolge soll der soziale Wohnungsbau auch von den Regelungen des Mietendeckels ausgenommen werden. Das könnte jedoch zu absurden Verhältnissen führen, wenn einkommensschwache Mieter*innen in den Sozialwohnungen schlechter gestellt sind als die Mieter*innen auf dem „freien“ Markt. Hier bedarf es dringend einer Reform des sozialen Wohnungsbaus, die dafür sorgt, dass die sog. Kostenmieten bereinigt und mit der finanziellen Beteiligung von Eigentümern gesenkt werden. Leider ist es uns als Koalition bisher nicht gelungen, eine gemeinsame Lösung zu finden. Wir Grüne schlagen schon lange vor, die Kostenmieten in einer Berliner Berechnungsverordnung zu bereinigen, bisher fehlt dafür aber die Unterstützung in der Koalition.
Härtefallregelung für Eigentümer*innen und Mieter*innen
Das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Mietpreisbremse, das am 20. August bekannt gegeben wurde, bestärkt uns als Landesgesetzgeber zu handeln. Die Verfassungsrichter*innen stellen fest, dass keine Grundrechte verletzt wurden und entschieden: „Es liegt im öffentlichen Interesse, der Verdrängung wirtschaftlich weniger leistungsfähiger Bevölkerungsgruppen aus stark nachgefragten Stadtteilen entgegenzuwirken“. Die Regulierung der Miethöhe sei dazu geeignet und Vermieter*nnen auch zumutbar, denn: „Ihr Vertrauen, mit der Wohnung höchstmögliche Mieteinkünfte erzielen zu können, wird durch die Eigentumsgarantie nicht geschützt.“ Das gibt uns Rückenwind, bestätigt es doch, dass staatliche Eingriffe auf dem Wohnungsmarkt zulässig sind, wenn sie gut begründet sind und in Grenzen stattfinden – so wie es mit dem Gesetz zum Mietendeckel unser Ziel ist. Falls der Mietendeckel dazu führt, dass Eigentümer*innen oder Wohnungsunternehmen auf Dauer Verluste machen, die zur Substanzgefährdung der Mietsache führen würden, dann können Eigentümer*innen einen Härtefallantrag stellen, der eine gewisse Steigerung der Miete ermöglicht. Sollten die betroffenen Mieter*innen dies nicht zahlen können und ihr Einkommen innerhalb der WBS-Einkommensgrenzen liegen, bekommen sie den Betrag als Mietzuschuss gewährt. Dabei muss aber beachtet werden, dass nur bestimmte Wohnungsgrößen gelten, die auch beim sozialen Wohnungsbau und bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen eingehalten werden müssen. Sollte das der Fall sein, wird der Mietzuschuss anteilig bezahlt. Und auch hier ist die Krux, wie wir Missbrauch durch Wohnungsunternehmen verhindern und wie wir es schaffen, dass Unternehmen wie Akelius ihr Geschäftsmodell mit überhöhten Mieten abstellen müssen, während gemeinwohlorientierte Hausprojekte, die z.B. als Hausgemeinschaft oder Genossenschaft zu einem hohen Preis ein Haus übernommen haben und es so vor dem Verkauf an einen Immobilienfonds zu schützen, jetzt nicht doch zum Verkauf gezwungen werden und entsprechende Härtefallregelungen bekommen. Dabei stellt sich die Frage, ob es im Rahmen des Gesetzes rechtlich möglich ist, Aktiengesellschaften, die Dividenden auszahlen, anders zu behandelt als etwa Genossenschaften, die in den Bestand wieder investieren? Kann es Obergrenzen für Renditen geben und wie messen wir genau, ob eine „Substanzgefährdung“ einer Immobilie vorliegt? Fragen über Fragen, die dringend beantwortet werden müssen – und zwar spätestens im Gesetzgebungsverfahren.
Wie geht es weiter?
Der Erfinder des Mietendeckels, Peter Weber, hatte selbst bereits zu Beginn der öffentlichen Diskussion einen Gesetzesvorschlag vorgelegt, der in seiner Konzeption viel umfassender ansetzt – von einem Landesamt für Wohnungswesen, einem Wohnungskataster bis hin zu einem dauerhaften Preisgesetz, dass auch die Kaufpreise von Immobilien beschränkt. Das werden wir mit dem jetzigen Gesetz leider nicht mehr erreichen. Aber es gilt einen Mietendeckel zu gewährleisten, der allen beschriebenen Punkten gerecht wird. Vor uns steht ein komplexes Verfahren: Senatsbeschluss, Verbändeanhörung und Befassung im Rat der Bürgermeister und das reguläre Gesetzgebungsverfahren im Parlament. Wir führen derzeit viele Gespräche mit der Stadtgesellschaft und versuchen alles abzuwägen. Leider haben wir bis heute keinerlei Zahlen oder Folgeabschätzungen durch den Senat erhalten, um die Szenarien besser abschätzen zu können. Auch warten wir noch auf die Beantwortung eines eingereichten Fragenkatalogs. Und was brisant ist: es gibt bisher kein Konzept für das bezirkliche Personal, welches zur Umsetzung dringend nötig ist. Von 120-150 nötigen Stellen ist die Rede. Die Bezirke können ohne Gesetzesgrundlage und zusätzlicher finanzieller Ausstattung nicht einstellen oder sich vorbereiten. Doch bislang ist keine Software geplant, um ein Wohnungskataster aufzubauen, es gibt keine Anforderungsbeschreibungen für die Stellen und das Geld für die Bezirke dazu ist auch noch nicht bereit gestellt. Hier kommt es auf den Senat an, die notwendigen Schritte parallel zum Gesetzgebungsverfahren in die Wege zu leiten. Denn aus das ist für die Umsetzung und den Erfolg des Mietendeckels von großer Bedeutung. Auch an diesem Punkt werden wir uns für umsetzbare Lösungen stark machen und schnelles Handeln einfordern.
Landeskompetenz gegeben
Besonders zentral für die Frage, ob das Gesetz für einen Mietendeckel vor Gericht bestand hat, ist die Zuständigkeit vom Land Berlin. Peter Weber und viele andere versierte Jurist*innen argumentieren, dass die Länder seit der Föderalismusreform von 2006 für das Wohnungswesen zuständig sind. Daraus leitet er auch die Zuständigkeit für das öffentliche Preisrecht und damit für den Mietendeckel ab. Auch wir teilen diese Einschätzung und vor allem: so oder so lohnt es sich dafür zu kämpfen, damit Berlin eben nicht wie London oder Paris wird. In einem Interview in der Berliner Zeitung hat kürzlich der emeritierte Professor für Staats- und Verwaltungsrecht der Freien Universität und Grundgesetz-Kommentator, Christian Pestalozza, treffend festgestellt, dass eine ungeklärte Rechtsfrage für das Land Berlin kein Grund sein darf, die Hände in den Schoß zu legen – Recht hat er. Für eine andere, gemeinwohlorientierte Wohnungspolitik wurden wir, Rot-Rot-Grün, gewählt und es kommt darauf an, dass wir als Koalition zusammen halten und gemeinsam einen Mietendeckel gestalten, der sozial, fair, rechtssicher und umsetzbar ist.
Genossenschaften sind nicht „gemeinwohlorientiert“. Rechtlich, nach GenG, sind sie ihren Mitgliedern verpflichtet, nicht der Allgemeinheit. Allenfalls vertreten sie also ein Gruppeninteresse und nicht etwa soziale Ziele auf gesellschaftlicher Ebene.
Aber es geht weiter: Auch in Genossenschaften fließen Mieteinnahmen in private Taschen und von unten nach oben:
1.) Mitglieder halten Geschäftsanteile, auf die aus den Mieteinnahmen prozentual Dividenden gezahlt werden. Wer viele Anteile hält, bekommt auch viel Dividende, wie überall.
Die Aussage, Genossenschaften würden im Gegensatz zu Aktiengesellschaften Überschüsse in den Bestand reinvestieren, ist also rundweg falsch. Genossenschaften zahlen ebenso wie Aktiengesellschaften Dividenden aus. Im Gegenteil sind Genossenschaftsanteile in Zeiten niedriger Zinsen zu einer begehrten Anlageform geworden.
2.) Aus den Mieten aller Mitglieder wird Neubau mitfinanziert, dessen Mieten die meisten Mitglieder nicht bezahlen können.
3.) Viele Genossenschaften lehnen es ab, Vorstandsgehälter offen zu legen.
4.) Genossenschaften betreiben eigene „Altersvorsorgekassen“ und „Sparkassen“. Die Verzinsung wird von allen Mitgliedern mit den Mieten bezahlt. Also auch hier: Die Altersvorsorge der einen ist die Altersarmut der anderen.
5.) Genossenschaften leiten Mieteinnahmen in Stiftungen um, die dann wiederum gutbezahlte Vorstände usw. haben.
Allein dass in Genossenschaften Wahlen stattfinden, garantiert also genauso wenig wie in der Gesellschaft als Ganzer eine gerechte und humane Verteilung der vorhandenen Ressourcen.
Ein Mietsenkungszwang der Prenzlauer Berg genauso behandelt wie Marzahn kann nur zu massiven Ungerechtigkeiten führen. Menschen in Marzahn haben von so einem Gesetz vermutlich gar nichts – Mieter in schicken Altbauwohnungen im Prenzlauer Berg werden massiv bevorteilt. Zunächst mal auf Kosten der Vermieter, ob groß oder klein. Noch kritischer: Die Preise auf dem Immobilienmarkt im Prenzlauer Berg würden implodieren – Banken könnten von Eigennutzern zusätzliche Sicherheiten fordern, wer die nicht erbringen kann sitzt auf der Straße – und bei Eigennutzern greift keine Härtefallregelung.
Die Linke betreibt hier unverhohlenen Klassenkampf – wie können die Grünen da mitmachen?
Es scheint also völlig unerheblich zu sein, in welchem Zustand und in welcher Wohnlage die Wohnung liegt. Also könnte eine Wohnung am Ku-Damm deutlich preiswerter sein als eine gleich große Wohnung
in Neukölln. Oder wie wäre es mit dem Wohnsilo Pallasstr./Potsdammer Str. (Baujahr ca 1970) mit einer
Villenetage im Grunewald Baujahr 1900?
Ferner werden die kleinen Wohnungsbesitzer (z.B. mit 1 Wohnung zur Alterssicherung) erheblich bestraft: der Wert der Wohnung ist deutlich gesunken, die Mieteinnahmen decken kaum die aufgenommenen Hypotheken-Schulden. Und das soll sozial sein? Sie sollten wirklich gezielter nur die Miethaie mit deren Gesamtrenovierungen in Kreuzberg usw .belangen!!!