Grüner Antrag: Für eine soziale Ausrichtung der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften

Rede zu Protokoll im Plenum am 08.03.2012 zum Tagesordnungspunkt 23: Grüner Antrag (17/0201) „Landeseigene Wohnungsbaugesellschaften müssen vorrangig Haushalte mit wenig Einkommen aufnehmen“

Sehr geehrte Mieterinnen und Mieter, sehr geehrter Herr Präsident,

Wer eine Wohnung bei den sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen in Berlin mietet, wohnt nicht immer billiger als bei einem privaten Vermieter – oft sogar teurer. Das ging erstmalig aus einer Übersicht der Senatsverwaltung für Finanzen "zur wirtschaftlichen Lage der städtischen Wohnungsbaugesellschaften 2009" hervor. Nachdem der Senat die städtischen Wohnungsbaugesellschaften jahrelang nach Belieben schalten und walten ließ, müssen sie von Ihnen endlich wieder wohnungspolitisch in die Pflicht genommen werden. Mit diesem Antrag machen wir Ihnen einen konkreten Vorschlag dafür.

Denn die Aufgabe der städtischen Gesellschaften ist es, vor allem die Versorgung der einkommensschwachen Haushalte mit Wohnraum sicher zu stellen. Dass wir einen angespannten Wohnungsmarkt haben, dürfte ja niemandem entgangen sein und der macht es den Menschen mit wenig Einkommen sehr schwer angemessenen Wohnraum auch in ihrem Lebensumfeld zu finden. Daher ist die Erweiterung der Bestände durch Zukauf notwendig. Und das vor allem weil die Herren von SPD und Linke unter der Regie des damaligen Finanzsenators Thilo Sarrazin die GSW mit 75.000 Wohnungen und 130.000 Mieterinnen und Mietern im Jahr 2004 verkauften. Wissentlich hat also damals vor allem die SPD eine der letzten Möglichkeiten, regulierend auf den Wohnungsmarkt eingreifen zu können, verkauft. Und was hatten die Mieterinnen und Mieter der GSW-Häuser davon? Keine oder schlechte Sanierungen, Mieterhöhungen und regelrechte Entmietungen.

Das war jahrelang politisch so gewollt! Auch ist es problematisch, dass die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sich bisher nur am Mietspiegel orientieren, was von den öffentlichen Vermietern oft missbraucht wurde. Denn was passierte? Direkt nach der Veröffentlichung des Berliner Mietspiegels im Jahr 2011 schwappte eine wahre Mieterhöhungswelle über die ganze Stadt, etwa 17.000 Haushalte waren betroffen. Immerhin, Herr Senator Müller hat ein Mieterhöhungs-Moratorium für die 270.000 Wohnungen der landeseigenen Unternehmen ausgesprochen. Der Haken dabei ist aber: der „Mietenstopp“ ist nicht rückwirkend, es sei denn der Vermieter hat die Erhöhung zurückgezogen. Und statt eines medienwirksamen Stopps der Mieterhöhungen nach dem Gießkannen-Prinzip brauchen die Mieterinnen und Mieter ein verlässliches Konzept für eine soziale Wohnraumversorgung – und das bedarfsgerecht!

Unser Antrag kommt diesem Anspruch nach und schlägt eine neue Belegungsbindung bei den landeseigenen Gesellschaften vor: Senator Müller kann und sollte auf Zielvereinbarungen hinarbeiten, die jeweils ein Drittel der frei werdenden Wohnungen – wir wollen ja anders als der Senat niemanden aus der Wohnung werfen – an Haushalte, die ALG II, Wohngeld oder Grundsicherung erhalten und ebenso ein Drittel an EmpfängerInnen von Wohnberechtigungsscheinen vergeben. Damit die Betroffenen wenigstens eine Chance haben trotz des angespannten Wohnungsmarktes noch einen anständige Wohnung zu finden. Berlin muss die wenigen Wohnungen gerecht verteilen. Dazu braucht es aber natürlich eine Grundlage für die praktische Umsetzung: der Senat muss also eine entsprechende Analyse über die soziale Zusammensetzung der Mieterinnen und Mieter vornehmen.
In der Vereinbarung der Regierungskoalition finden wir sogar Ansätze, die in diese Richtung gehen: so steht da auf Seite 31: „Bei Neuvermietungen soll ein für das jeweilige Quartier bzw. den jeweiligen Wohnblock verträglicher Anteil der frei werdenden Wohnungen vorrangig an Personengruppen vermietet werden, die aufgrund ihrer Einkommens- oder Haushaltssituation weniger Alternativen bei der Auswahl von Wohnungsangeboten haben.“

Unklar ist dabei aber, welcher Maßstab angelegt wird, wenn Mieterhöhungen an der Leistungsfähigkeit der Mieterinnen und Mieter bemessen werden, da braucht es aber transparente Regelungen, die Menschen brauchen Verlässlichkeit. Denn wenn es Vermieter gibt, die sich an den Einkommen ihrer Mieterinnen und Mieter orientieren sollten, dann sind es die städtischen Wohnungsbaugesellschaften! Es kann nicht sein, wie zum Beispiel in Kreuzberg, dass es für EmpfängerInnen von ALG II bei den landeseigenen Unternehmen keine Wohnungen mehr gibt, die der zulässigen Miethöhe für diese Haushalte entsprechen. Daran merken die Menschen doch: da läuft etwas grundlegend falsch!

In Pankow hat der Baustadtrat Jens-Holger Kirchner gezeigt, wie man mit den landeseigenen Unternehmen auch sozial-ökologisch verträgliche Wege finden kann. Ihm gelang ein Vorstoß zur Mietbegrenzung in zu modernisierenden Gewobag-Häusern. Er hat gemeinsam mit der Gewobag und der Mieterberatung Prenzlauer Berg einen Vertrag ausgehandelt, der besagt: in acht Häusern mit rund 150 Wohnungen wird die Modernisierungsumlage so begrenzt, dass für die betroffenen Haushalte mit Transferleistungsbezug die Mieten nicht über die vom Jobcenter übernommenen Wohnkosten steigen und bei wohngeldberechtigten Geringverdienerinnen und Geringverdienern beträgt die Miete höchstens ein Drittel des Netto-Haushaltseinkommens. So geht eine sozial-ökologisch verträgliche Wohnungspolitik!

Wenn SPD und CDU dem nun entgegnen, es gebe nicht genug Geld für solche Maßnahmen, kann ich nur sagen: seit Jahren muss die HOWOGE nur eine symbolische Million Euro der Gewinne – die im Jahr 2011 36,1 Milllionen Euro betrugen – an den Landeshaushalt abgeben. Wir wollen, dass das Parlament über die Verwendung der Überschüsse der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften verfügt und dann auch die Möglichkeit hat, bedarfsgerecht dieses Geld für neue Wohnungen einzusetzen – das hilft schneller als ihre Möchtegern-Lösung „Neubau“. Es gibt also Finanzierungsmöglichkeiten für eine sozial gerechte und ökologisch nachhaltige Wohnungspolitik.

Das größte Problem des städtischen Wohnungsbaus ist, dass er stadträumlich ungleich verteilt ist – Hauptursache dafür ist der Verkauf der GSW. Jetzt zeigt sich, wie verheerend diese Entscheidung damals war. Um also die Gefahr einer Konzentration in den Wohngebieten mit großen sozialen Problemen nicht noch zu verstärken, sollte man es dringend angehen, Wohnungen der auslaufenden, insolventen Sozialwohnungen kaufen, damit in der Innenstadt für diesen Teil der Bevölkerung mehr Wohnraum geschaffen wird. Die zentrale Frage der zukünftigen Wohnungsversorgung bleibt, wie die Versorgungslücke zwischen dem deutlich begrenzten Angebot an preiswertem Wohnraum und die dieses Angebot übersteigende Nachfrage durch Mieterinnen und Mieter mit geringen Einkommen geschlossen werden kann. SPD und CDU haben darauf keine Antwort. Stattdessen schauen Sie dem Problem weiter zu. Aber wir werden Sie da nicht aus der Verantwortung entlassen!

Den Antrag findet Ihr hier:Grüner_Antrag_Landeseigene_WBG