Ein super-fruchtig aussehender Joghurt dreht sich Dir verführerisch zu, eine sympathische Stimme garantiert Dir, dass nur die besten Früchte darin enthalten sind und die Überzeugung vom „gesunden Leben ab sofort“ überkommt dich – mit diesem Milchprodukt. Was daran falsch ist, erklärt euch SPUNK-Redakteurin Katrin Schmidberger.
Der schöne Schein trügt: In dem Joghurt der Firma Bauer ist gerade mal eine echte Erdbeere enthalten. Und nicht nur diese Joghurt-Werbung versucht uns zu beeinflussen, unsere ganze Welt ist voll davon. Das anzuprangern, wäre zu kurz gedacht; Es ist legitim, über ein Produkt zu informieren und andere davon zu überzeugen. In der sozialen Marktwirtschaft ist Werbung ein anerkanntes Mittel und ein bedeutender Wirtschaftszweig.
Wie schafft man echten VerbraucherInnenschutz?
Angesichts immer subtiler werdender Slogans und Bilder muss mensch sich fragen, wie weit Werbung unter dem Schutzmantel der Meinungsfreiheit gehen darf. Muss mensch sich nicht vielmehr Sorgen um die Grundrechte der VerbraucherInnen machen? Werbung dient einzig der Manipulation. Sie soll nicht über das Produkt als solches informieren, sondern vielmehr zum „schnellen Kauf“ anregen. Werbung ist darauf ausgerichtet, Menschen das Gefühl zu vermitteln, dass sich ihre Bedürfnisse mit einem bestimmten Produkt befriedigen lassen. „Mit Gutfried geht`s uns gut!“ oder „Coca Cola – Make it real“ sind nur zwei Beispiele. Steht angesichts solcher Spielerei mit menschlichen Bedürfnissen wirklich die KonsumentIn im Mittelpunkt?
Werbung liefert mit ihrer Strategie, homogene Idealbilder zu verherrlichen und unbefriedigte Grundbedürfnisse im Menschen zu wecken, eine äußerst oberflächliche Definition von Wohlstand und Glück! Dies widerspricht elementar meiner politischen Vision einer multikulturellen, bunten, heterogenen, selbstbestimmten und freien Gesellschaft. Wieso deshalb nicht einfach die Werbung abschaffen? Wer von uns braucht sie denn wirklich – mal abgesehen von einer angeblich notwendigen Branche und den meisten Medien?
Vielleicht ein Anfang
Besonders unfair ist es, Werbung an ganz junge Menschen zu richten. Kinder brauchen Zonen, in denen sie vor kommerzieller Beeinflussung geschützt sind. In Schweden ist deswegen Fernseh-Werbung, die auf Kinder unter zwölf Jahren abzielt, verboten, genauso wie das Verschicken direkt adressierter Werbepost an Jugendliche unter 16. Auch die Verbote von Alkohol- und Tabakwerbung sind zum Schutz von Kindern erlassen worden. Werbefirmen und Fernsehkanäle werden bei Verstoß gerichtlich zur Rechenschaft gezogen. In Norwegen gilt das gleiche Gesetz, und auch Dänemark, Griechenland und Belgien haben Einschränkungen für an Kinder gerichtete Werbung. (siehe auch „Die zarte Versuchung“ Seite 06) Diese Bestimmungen sind EU-weit äußerst umstritten. Ein solches Verbot wäre mit den EU-Bestimmungen über die Freizügigkeit für Produkte und Dienstleistungen nicht vereinbar.
In Deutschland wird im Rundfunkstaatsvertrag geregelt, wieviel Werbung gezeigt werden darf. Das wird unter anderem vom Werberat, einer Institution zur Selbstkontrolle der deutschen Werbewirtschaft, geprüft. Zusätzlich arbeitet der Werberat Selbstverpflichtungen und Leitlinien aus und kontrolliert deren Einhaltung (siehe auch Artikel „Alles für das Produkt“, Seite 05). Doch reicht das aus, um eine starke, kritische Zivilgesellschaft zu unterstützen?
Stellen uns doch einfach mal eine Welt ohne Werbung vor: HerstellerInnen dürfen ihre Produkte „präsentieren“, aber nur noch mit der Angabe der Inhaltsstoffe, deren Herkunft sowie deren Erzeugnis. Die Werbung als Industriezweig ist enorm geschrumpft. Früher sahen die Firmen die genaue Inhalts- und Herkunftsangabenpflicht noch als einen Nachteil an, bis sie auf gesunde Inhalte setzten und so die VerbraucherInnen gewinnen konnten.
Ist dies realistisch? Sicherlich nicht. Die Werbemaschinerie hat viel zu viel Einfluss, als dass sie aus unseren Köpfen verbannt werden könnte. Mit einem radikalen Verbot werden die WerbestrategInnen neue Wege der kommerziellen Beeinflussung finden oder alte ausbauen.
Trotzdem muss der Staat das Recht auf Information der KonsumentInnen endlich in den Mittelpunkt stellen. Freiwillige Ethik-Kodizes der Werbewirtschaft reichen nicht aus. Organisationen wie Foodwatch oder Ökotest können mit den Etats der Werbefirmen nicht mithalten. EU-weite, verbindliche Richtlinien müssen her. Dazu sind natürlich auch Sanktionsmöglichkeiten gegen die Werbenden nötig; ebenso wie unabhängige Kontrollinstanzen. Dass glückliche Hühner für Eier aus Käfighaltung werben, ist blanker Hohn und muss verboten werden. Die Grenzen des ethisch Legitimen und gesetzlich Erlaubten sind fließend, das macht es schwer, klare Regelungen zu treffen. Aber: In anderen Politikbereichen ist das auch so, aber trotzdem möglich.
Zuerst erschienen im SPUNK.