Wir brauchen eine mietenpolitische Revolution in Berlin – Gastbeitrag im Tagesspiegel

Wir brauen ein neues soziales Mietrecht und eine Gemeinwohlorientierung im Wohnungsbereich. In einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel vom 15. September skizziere ich, welche Maßnahmen dringend nötig sind – der Text ist hier nachzulesen:

Wir brauchen eine mietenpolitische Revolution in Berlin

Ob in der Bürgersprechstunde, auf dem Podium oder am Straßenstand: Verzweifelte Menschen, die nicht wissen, ob sie bald noch ihre Wohnungen Zuhause nennen dürfen, treffe ich tagtäglich. Ob überteuerte Modernisierungen, Mieterhöhungen über dem Mietspiegel oder Eigenbedarfskündigungen – die Missstände im Mietrecht frustrieren die Menschen zu Recht. Als Landes- und Bezirkspolitiker fühlen wir uns oft wie die Feuerwehr mit zu wenig Löschwasser im Schlauch.

Es ist 5 vor 12, um das massive Ungleichgewicht zwischen Vermietern und Mietern zu stoppen. Da hilft nur eins: Das Bundesmietrecht braucht eine radikale soziale Wende.

Es ist nicht sinnvoll, dass auf dem Land die gleichen Rahmenbedingungen wie in Stadtstaaten gelten, Mieten und Einkommen sind zu unterschiedlich. Zum Schutz der Mieter sollten die Kommunen selbst darüber entscheiden können, wann sie Mietobergrenzen für notwendig halten. Und beim Schutz von Mietwohnungen vor Umwandlung in Eigentumswohnungen brauchen die Länder endlich die Entscheidungsgewalt, um das Geschäftsmodell zu stoppen. Und es braucht dringend Schutzregeln für kleines Gewerbe. Dazu muss das Miet- und Baurecht auf Bundesebene komplett umgekrempelt werden. Aller Reförmchen zum Trotz: CDU und SPD in der Bundesregierung bleiben Handlanger der Immobilienlobby. Rot-Rot-Grün in Berlin bleiben so nur geringe Möglichkeiten, auf die Mietentwicklung zu wirken. Umso mehr brauchen wir eine mietenpolitische Revolution in den Bereichen, in denen wir Einfluss haben.

Wir brauchen Neubau – und zwar schnell. Aber das reicht nicht aus. In Wien sind über 60 Prozent der Wohnungen in kommunaler und genossenschaftlicher Hand. Die gemeinwohlorientierten Bauträger – landeseigene Wohnungsunternehmen, Genossenschaften und Stiftungen – stellen dort sicher, dass Wohnraum dauerhaft sozial gebunden und vor Spekulation geschützt ist. Durch ein Bündnis mit den gemeinwohlorientierten Bauträgern können wir es schaffen, in Berlin den Anteil von gerade mal 30 Prozent in den nächsten Jahren massiv durch Ankauf und Neubau zu erhöhen. Dazu brauchen sie günstige Grundstücke in Erbpacht und eine Neubauförderung, die weit über 30 Jahre hinaus geht. Ein Mietmoratorium, wie es zuletzt gefordert wurde, ist gut. Den Anfang müssen wir bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen machen. Einige hundert Millionen Euro Gewinne erzielen sie jedes Jahr und schlagen bei Modernisierungen und Neuvermietungen ganz schön zu. Die Aktiengesellschaften und GmbHs in Landesbesitz arbeiten oft noch zu renditeorientiert. Warum sie nicht in Anstalten öffentlichen Rechts umwandeln? Die Folge: Mehr Transparenz und stärkere Kontrolle. Außerdem sollte Berlin neue Wohnformen schützen und Mieterselbstverwaltung fördern. Auch Baugebote, Vorkaufsrechtssatzungen, Flächenankäufe und eine reformierte Bauordnung gehören in den Instrumentenkasten einer am Gemeinwohl orientierten Wohnungspolitik. Besonders wichtig ist jedoch, dass wir die Bezirke endlich ausreichend stärken, durch Personal und Geld. Sie sind es, die gegen illegalen Leerstand und Zweckentfremdungen, verfallene Häuser und fehlende Instandhaltungen vorgehen müssen. Und sie sind es, die neue Milieuschutzgebiete beschließen und das Vorkaufsrecht anwenden und kontrollieren können.

In Berlin haben wir kostenlose Mieterberatungen eingerichtet. Was wir aber noch brauchen, sind Angebote der Begleitung von Hausgemeinschaften vor Ort. Gerade bei Modernisierungen dauern die Prozesse oft Jahre. Es gibt so viele Betroffene, die verständlicherweise überfordert sind. Eine Beratung, die diese Menschen aktiv aufsucht und begleitet, kann vielen helfen, sie im Kampf um ihre Wohnung entscheidend zu stärken. Ein Klagefonds kann dafür sorgen, dass auch arme Mieter sich wehren können. Um diesen Kampf um unsere Stadt zu gewinnen, müssen wir noch viele und radikale Schritte gehen. Starten wir in Berlin endlich die mietenpolitische Revolution, statt auf eine dringend notwendige soziale Wende auf Bundesebene zu warten.

Bezahlbares Wohnen für Berlin – Aktuelle Stunde im Abgeordnetenhaus

In der gestrigen Sitzung des Abgeordnetenhauses stand das Thema Wohnen im Mittelpunkt. Unser Ziel ist eine soziale Wohnungspolitik, die sich den Interessen der Menschen in dieser Stadt verpflichtet fühlt – und nicht dem maximalen Profit von Investoren oder der privaten Immobilienwirtschaft. Wir wollen die Berliner Mischung und die Vielfalt in den Kiezen erhalten und haben dazu mit Rot-Rot-Grün schon viel geliefert „Bezahlbares Wohnen für Berlin – Aktuelle Stunde im Abgeordnetenhaus“ weiterlesen

Gemeinwohl statt Mietenspekulation – Grüne Wohnungspolitik für ganz Berlin

Im Mittelpunkt der Fraktionsklausur Anfang Mai stand die Wohnungspolitik. Dabei ging es auch um das grüne Konzept einer Neuen Wohnungsgemeinnützigkeit. Damit sollen dauerhafte Bindungen von gemeinnützigen, bezahlbaren Wohnungen entstehen. Wenn sich private Anbieter von Wohnungen darauf verpflichten, werden ihnen im Gegenzug Steuern erlassen. Dabei gilt: Einmal öffentlich gefördert, immer öffentlich gebunden. Bis Ende der 1980er Jahre gab es eine solche Gemeinnützigkeit in der Bundesrepublik bereits. Die Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit war angesichts der Folgekosten und des eklatanten Mangels an bezahlbarem Wohnraum einer der größten bau- und haushaltspolitischen Fehlentscheidungen der Vergangenheit. 

Auf Landesebene haben wir im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag ein großes Paket an Maßnahmen für mehr Mieterschutz und öffentlichen Wohnungsbau geschnürt. Das alleine reicht aber nicht. Gemeinsam mit den Initiativen vor Ort und den fünf grünen Bezirksbaustadträten machen wir uns stark für eine Wende in der Wohnungspolitik. Bestehende Lücken im Mietrecht müssen geschlossen und bestehende Instrumente wie die Mietpreisbremse schlagkräftiger werden. Wir wollen den Milieuschutz gegen Verdrängung ausbauen und wirksame Mietobergrenzen einführen. Der Milieuschutz muss endlich zu einem echten Mieterschutzinstrument weiterentwickelt werden. Wichtig ist uns auch, dass die Spekulation mit Wohnraum beendet wird. Ob beim NKZ oder bei Hausverkäufen in Milieuschutzgebieten: Als Grüne setzen wir uns dafür ein, dass die kommunalen Vorkaufsrechte gestärkt werden und zum Einsatz kommen.

Der Beschluss GRÜNE WOHNUNGSPOLITIK FÜR GANZ BERLIN – GEMEINWOHL STATT MIETENSPEKULATION kann hier nachgelesen werden. Ebenso steht eine Kurzversion zur Verfügung.

Für eine andere Wohnungspolitik: jetzt erst recht!

Als fachpolitisch zuständige Abgeordnete möchte ich heute nach dem Rücktritt von Andrej Holm, den ich sehr bedaure, meine Sichtweise dazu schildern. Dabei will ich mich jetzt explizit nicht dazu äußern, ob das Kreuz im Fragebogen der HU an der falschen Stelle war oder nicht. Auch will ich jetzt hier nicht diskutieren, ob eine Person mit so einer Vita überhaupt ein solches Amt als Staatssekretär bekleiden darf. Vielmehr möchte ich den Fokus auf die Zukunft richten. Denn nach wie vor bin ich überzeugt: Rot-Rot-Grün kann und wird es besser machen. Und ich werde weiter dafür kämpfen (und das gilt für die Grünen insgesamt), dass wir einen Paradigmenwechsel in der Wohnungspolitik, den die 85% Mieter*innen dieser Stadt dringend brauchen, einleiten.

Zwar verlieren wir nun einen kompetenten, engagierten und klugen Kopf als Staatssekretär. Andrejs Rücktritt ist wirklich ein herber Verlust. Aber trotz des Bedauerns stelle ich fest: keiner ist unersetzbar. Wer glaubt, die Wohnungspolitik dieser Stadt lässt sich anhand einer Person ändern, der unterschätzt die Widerstände. Zumal der Koalitionsvertrag auch ohne ihn zustande kam – bei aller Würdigung seines Wirkens. So sehr wie ich für viele progressive Vorschläge in dem Koalitionsvertrag gekämpft habe, so sehr werde ich nun für dessen Umsetzung kämpfen. Auch wenn wir uns nicht in allen Forderungen durchsetzen konnten, habe ich gemeinsam mit den Linken in den über vierwöchigen Koalitionsverhandlungen hart gekämpft, um die bisherige Senatspolitik, die nur auf teuren Neubau setzt und die BestandsmieterInnen faktisch vernachlässigt, zu stoppen. Die im Koa-Vertrag vereinbarten Bausteine wie die Reparatur des bestehenden Sozialen Wohnungsbaus, die Verschärfung diverser Mieterschutzrechte und die soziale Neuausrichtung der Landeseigenen Wohnungsunternehmen (uvm.) für eine bedarfsgerechte Wohnungspolitik sind entscheidend, um die soziale Spaltung der Stadt noch zu stoppen. Das wird extrem schwer. Und genau deshalb muss nun die Devise gelten: jetzt erst recht. Denn es geht um die Menschen, die konkret betroffen sind. Ob mit einem Staatssekretär Holm oder nicht – sie erwarten von uns zu Recht konkrete Verbesserungen ihrer Wohnsituationen und vor allem die Umsetzung des Koalitionsvertrages. Und dieser Verantwortung will ich mich auch weiterhin stellen.

Dass das nicht von Heute auf Morgen geht, dass es starke Widerstände gibt und geben wird und dass wir das wenn überhaupt nur gemeinsam – die Bewegungen und die Koalition – schaffen können, das ist ganz klar. Umso erstaunter bin ich nun über Äußerungen darüber, wer am Rücktritt Schuld ist oder wie viel Verantwortung trägt. Bei mir melden sich seit Wochen viele Initiativen, MitstreiterInnen und AktivistInnen. Leider ist in der Öffentlichkeit zweimal der Eindruck entstanden, wir Grüne hätten den Rücktritt von Andrej Holm gefordert bzw. ihn nicht ausreichend unterstützt. Auch Andrej lässt das in seiner heutigen Erklärung auf seiner Homepage anklingen. Insgesamt scheint die Story verbreitet zu werden, SPD und Grüne seien am Rücktritt Schuld. Wenn es denn so einfach wäre. Wir Grünen haben an keiner Stelle seinen Rücktritt gefordert. All diejenigen, die das behaupten, vermute ich, tun dies aus politischem Kalkül. Am Donnerstag Abend haben wir Grüne und ich persönlich im Plenum den Linken unsere Solidarität zugesichert. Und überhaupt, ich finde alle drei Partner haben es gemeinsam verbockt (Stichwort „Gutes Regieren geht nur gemeinsam“). Welche Konsequenzen und Schlussfolgerungen nun gezogen werden, müssen unsere Parteispitzen klären.

Ich wünsche Andrej Holm alles Gute – politisch, beruflich wie privat. Wir werden sicherlich auf seine Expertise auch nicht verzichten müssen. Und ich appelliere an alle Initiativen und AktivistInnen, mit uns gemeinsam weiter zu kämpfen – für eine gemeinwohlorientierte, soziale und progressive Wohnungspolitik! Jetzt erst recht!