Neue Genossenschaftsförderung: Junge Genossenschaften werden nicht ausreichend unterstützt

Heute wird die neue Genossenschaftsförderung im Hauptausschuss beschlossen. Die Reform trägt im Ansatz die Handschrift des vorherigen Senats, wichtige Forderungen vor allem jüngerer bzw. kleinerer Genossenschaften wurden aber nicht erfüllt.

Die Reform der Genossenschaftsförderung wurde bereits für das vergangene Jahr angesetzt, aber wie so vieles wurde auch dieses Thema durch die SPD verschleppt. Ein längst überfälliger Schritt für die Unterstützung genossenschaftlichen Wohnens wird nun erfüllt. Positiv ist: Der Senat hat durch die Verlängerung der Bindungszeiten deutlich nachgebessert, hat die WBS-Vermietungsquote bei der Darlehensförderung erhöht, eine Zuschuss-Option eingeführt und das Verfahren insgesamt vereinfacht. Jedoch war der Senat hier nicht so großzügig wie bei der ebenso heute im Hauptausschuss gebilligten Neubauförderung.

Hierzu erklären Katrin Schmidberger, Sprecherin für Wohnen und Mieten und André Schulze, Sprecher für Haushalt und Finanzen:

Katrin Schmidberger:
„Auffällig und kritisch ist, dass gerade jungen Genossenschaften weiterhin unnötige Steine in den Weg gelegt werden, wenn sie Wohnraum dauerhaft sichern wollen. Ein großes Problem für junge Genossenschaften ist oft fehlendes Eigenkapital. Zukünftig werden Nachrangdarlehen durch die IBB nicht mehr anerkannt, was viele Vorhaben gefährdet oder sogar verunmöglicht. Die Konditionen des Bestanderwebs müssen daher unbedingt nachgebessert werden. Warum alternative, gemeinwohlorientierte Träger – wie das Mietshäusersyndikat – im Gegensatz zur letzten Richtlinie nicht mehrantragsberechtigt sind, ist ebenso nicht nachvollziehbar.“

André Schulze:
„Das Land Berlin sichert Sozialwohnungen durch Ankäufe, um belegungs- und mietpreisgebundene Wohnungen dauerhaft zu sichern. Den schwindenden Bestand zu halten und zu erhöhen, ist ein zentraler politischer Auftrag und haushalterisch auch sinnvoll. Warum Genossenschaften nicht gefördert werden, wenn sie Sozialwohnungen ankaufen wollen, ist nicht nachvollziehbar. Die bisherige Praxis, in diesen Fällen Zwischenfinanzierungen zu gewährleisten, war sinnvoll und sollte beibehalten werden. Hier die Genossenschaften auszubremsen, ist wohnungspolitisch kontraproduktiv.

Mit dem Wegfall der Vorgabe, dass im Rahmen der genossenschaftlichen Neubauförderung mindestens die Hälfte der geförderten Wohnungen im ersten Fördersegment zu errichten ist, führt der Senat seine Politik gegen einkommensschwache Mieter*innen fort. Hier ist auch bei den Genossenschaften ein stärkerer Fokus auf Haushalte mit geringem Einkommen zu verankern.“

Neue und alte Projekte für 2022/23 – einige Ergebnisse der Haushaltsverhandlungen für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen

Seit März verhandeln wir als Fraktionen in den Fachausschüssen und dem Hauptausschuss den neuen Doppelhaushalt für 2022/23. Gerade für das Thema Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen war die Ausgangslage der Verhandlungen konfliktgeladen – die neue Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen hatte vor allem beim Thema „Kooperative Stadtentwicklung“ finanzielle Mittel gestrichen. Jetzt liegen zwei Monate Haushaltsverhandlungen hinter uns. Nach unzähligen Fragen, Berichten und einigen Änderungsanträge haben wir sehr viele grüne Projekte durchgesetzt. Bald kann es also losgehen mit der Umsetzung.

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Hier eine Zusammenfassung unserer wichtigsten Projekte:

Mehr Genossenschaftsförderung und Unterstützung für die Genossenschaftliche Ankaufsagentur

Die im November 2021 gegründete Häuser Bewegen GIMA Berlin-Brandenburg eG i.G. ist ein starkes Instrument zur Sicherung von Boden und Immobilien. In München seit 2007 erfolgreich aktiv und in Frankfurt am Main als Gemeinschaftsprojekt von Stadt und Genossenschaften in Gründung, kann eine GIMA durch Aufsuchen, Vermitteln und Anbahnen von Grundstücksankäufen zugunsten gemeinwohlorientierter Unternehmen, wie Genossenschaften oder Hausprojekten, die Gemeinwohlorientierung des Berliner Immobilienmarktes stärken. Um das Instrument auch für Berlin nutzbar zu machen, konnten wir eine Anschubfinanzierung von 70.000 Euro in 2022 und 100.000 Euro in 2023 ermöglichen. Außerdem haben wir erreicht, dass nun circa 32 Millionen Euro in 2022 und 25 Mio. Euro in 2023 den Genossenschaften für den Bestandserwerb und Neubau als Förderung zur Verfügung steht. Zudem wird die Neubauförderung von 5.000 Sozialwohnungen jährlich jetzt finanziell ermöglicht. Mehr wäre natürlich nötigt gewesen, aber immerhin werden die Förderkonditionen verbessert. Nun ist es wichtig, die Förderrichtlinien jeweils schnell zu überarbeiten.

Ein Miet- und Wohnungskataster – Transparenz auf dem Immobilienmarkt endlich herstellen

Insgesamt 2,7 Millionen Euro stehen in den nächsten Jahren bereit, damit wir das schon in der letzten Legislatur zwischen Rot-Grün-Rot vereinbarte Miet- und Wohnungskataster einführen können. Ein solches Kataster wie es dies in der Schweiz und Schweden bereits gibt, soll digital Informationen über alle Berliner Wohnungen und Gewerbeeinheiten festhalten bezüglich Austattung, Miethöhe, Eigentümer*innen, aber auch der energetische Zustand und ob es sich um eine Sozial- oder Eigentumswohnung handelt. Dieses Projekt hatten die Senator*innen der letzten Legislatur leider nicht umgesetzt. Nun gehen wir es an, damit endlich sichtbar wird, wer hier welche Immobilien besitzt und welche Briefkastenfirmen, Fonds und andere Unternehmen in welchen Stadtteilen welche Probleme bereiten. Zukünftig sollen damit also Probleme auf dem Wohnungsmarkt wie spekulativer Leerstand besser kontrollierbar gemacht werden, und uns Hinweise geben, wo der wohnungspolitische Schuh am meisten drückt. Weitere Rechtsgutachten sollen nun die Umsetzung in die Wege leiten. Dazu werden wir auch als Grüne Fraktion bald einen konkreten Vorschlag machen, denn nun gilt es die gesetzliche Grundlage für das Kataster zu legen.

Eine Ombudsstelle für die Mieter*innen der Landeseigenen Wohnungsunternehmen

Die Wohnraumversorgung Berlin (WVB) hat in den vergangenen Monaten einige kritische Momente durchgemacht. Neben der Kündigung des Vorstandmitglieds Ulrike Hamann sollte die WVB nur marginal im Haushalt berücksichtigt werden. Wir haben nun in den Verhandlungen die Einrichtung einer Ombudsstelle für Mieter*innen der Landeseigenen Wohnungsunternehmen verankert. Dafür bekommt die WVB 100.000 Euro in 2022 und 200.000 Euro in 2023 für die Ausschreibung und die externe Beauftragung einer unabhängigen Ombudsstelle. Sie soll Anfragen und Beschwerden aus den sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen annehmen und zwischen Konfliktparteien vermitteln und auch die Mieter*innengremien damit unterstützen und entlasten.

Initiativenforum Stadtpolitik

Das Initiativenforum Stadtpolitik (IniForum) wurde 2020 gegründet und ist an den Verein Stadtprojekte e.V. angegliedert. Das Forum bietet die Möglichkeit, Belange stadtpolitischer Initiativen in direktem Gespräch mit Politiker*innen, Verwaltungsmitarbeiter*innen und Expert*innen zu verhandeln und sie gleichzeitig in eine breitere Öffentlichkeit zu bringen. Das IniForum will ein „Gegengewicht gegenüber Politik, Verwaltung und Immobilienlobby” herstellen und damit die Mietenbewegung aktiv stärken und ihnen Ressourcen für ihre Arbeit zur Verfügung stellen. Im Haushaltsentwurf der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen war nicht klar, ob das Iniforum so weitergeführt und wie hoch finanziert wird. Wir haben nun sichergestellt, dass der Träger dieses Format in den kommenden zwei Jahre mit jährlich 165.000 Euro fortsetzen kann.

Rekomm+-Projekt

Das Projekt Rekommunalisierung Plus hat das Ziel, den sozialen Zusammenhalt und die nachbarschaftlichen Beteiligungsstrukturen im Kontext der Wohnungsfrage zu erweitern und die demokratische Partizipation sowie auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Berlin zu stärken. Bezugnehmend auf das im Koalitionsvertrag (2016) erklärte Ziel, den kommunalen Bestand insbesondere durch Ankäufe im sozialen Wohnungsbau zu erweitern und die Objekte wieder in Landeshand zu überführen, hat das Projekt „Rekommunalisierung Plus“ in den letzten Jahren rund um das Kottbusser Tor den inhaltlichen und organisatorischen Rahmen für eine deutliche Stärkung von Teilhabe und sozialen Zusammenhaltes geschaffen. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass das Rekomm+-Projekt auch in 2023 fortgesetzt und eine Ausweitung auf weitere Siedlungen geprüft wird. Dafür konnten wir Mittel von 160.000€ jeweils für 2022 und 2023 absichern.

Taskforce für bedrohte Räume der Berliner Mischung & Soziokultur

Die Taskforce für bedrohte Räume, soll – als kurzfristig handelndes Notfallgremium – Verdrängung und Verlust von soziokulturellen Räumen notfalls auch im letzten Moment verhindern. Zudem müssen Projekte auch langfristig unterstützt und geschützt werden. Hierfür ist eine Stelle erforderlich, die soziale und kulturelle Akteur:innen in Stadtentwicklungsprozessen begleitet und berät und die Abstimmung mit der Berliner Politik und Verwaltung auf Landes- und Bezirksebene aktiv unterstützt. Die Taskforce für bedrohte Räume der Berliner Mischung & Soziokultur war im Koalitionsvertrag mit einem Prüfauftrag versehen, war aber leider nicht im Haushaltsentwurf berücksichtigt. Jetzt haben wir für 2023 150.000 Euro für eine Konzepterstellung verhandelt.

Initiative Urbane Praxis

Die Initiative setzt sich für den Aufbau von ressortübergreifenden, intermediären Strukturen ein, koordiniert bei Genehmigungsfragen und begleitet Prozesse der Urbanen Praxis auf den Flächen der Initiative. Außerdem organisiert die Ini den Nationalen und internationalen Fachaustausch. Der Berliner Projektfond Urbane Praxis hat nichts mit der Initiative Urbane Praxis zu tun. Der Projektfonds wurde 2021 von der Stiftung Kulturelle Weiterbildung und Kulturberatung administriert und soll von der Senatsverwaltung für Kultur und Europa verstetigt werden. Die Initiative Urbane Praxis heißt im Haushalt Netzwerkstelle und Projektbüro Urbane Praxis. Dafür gibt es 2022 und 2023 jeweils 300.000€.

Bezirkliche Anlaufstellen für Bürger*innenbeteiligung

2019 hatte der Senat nach langer Diskussion die Leitlinien für Bürgerbeteiligung (LLBB) beschlossen. Teil der Leitlinien ist die Einrichtung von Anlaufstellen. Diese sollen zu städtebaulichen Vorhaben beraten, informieren und vernetzen, die Bürger*innen bei deren Selbstorganisation unterstützen. Im Entwurf der Senatsverwaltung wurden die Mittel für die bezirklichen Anlaufstellen für Bürgerbeteiligung von 250.000 auf 160.000 Euro gekürzt. Als Reaktion gab es einen Brief der betroffenen Bezirke mit der Forderung nach Aufstockung. Wir haben nun als Koalition einen Änderungsantrag beschlossen, für 2023 Mittel bis 250.000 Euro für diejenigen Bezirke einzustellen, in denen tatsächlich aktive oder im Aufbau befindliche Anlaufstellen geben wird. Damit wird gewährleistet, dass die Bezirke, die sich bisher um den Aufbau bemühen, abgesichert sind. Gleichzeitig werden die anderen Bezirke motiviert, die Einrichtung der Anlaufstellen anzugehen.

Weitere kleinere Projekte wie ein Rechtsgutachten zu den landesrechtlichen Möglichkeiten, um den Schutz vor Eigenbedarfskündigungen zu stärken ebenso wie der neue Wohnraumbedarfsbericht, der nächstes Jahr erscheinen soll, sind ebenso nun haushalterisch abgesichert. Natürlich wird der Runde Tisch Liegenschaftspolitik bald wieder starten und auch ein Modellprojekt für dauerhafte Mietpreisbindungen auf dem Dragoner Areal ist nun finanziell berücksichtigt. Im Rahmen der Haushaltsverhandlungen haben wir uns als Koalition auch darauf verständigt, das sog. Gesetz zum Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum zu reformieren und die Vollzugsdefizite zu beseitigen, damit wir bei Leerstand und fehlender Instandsetzung endlich Häuser durch einen Treuhänder verwalten lassen können, der dann Wohnraum wieder zur Vermietung bringt.

Sobald der Haushaltsentwurf im Hauptausschuss und im Plenum beschlossen wird, wird er digital hier abrufbar sein.

Finanzmittel sind die Voraussetzung für politische Projekte, nun muss es darum gehen, diese in die Umsetzung zu bringen, die eigentliche Arbeit beginnt also erst jetzt.

Bericht zum Fachgespräch: Was bedeuten die Pläne der SIGNA für unsere Kieze in Kreuzberg und Neukölln?

Ende September haben meine Fraktionskollegin Susanna Kahlefeld und ich zu einem Online-Fachgespräch eingeladen, um mit Expert*innen, Anwohnenden und allen Interessierten über den aktuellen Stand und die möglichen Auswirkungen eines solchen Projektes zu diskutieren. Dabei ging es auch um eine Bewertung der Einigung zwischen Senat und SIGNA und die Frage, welche konkreten Möglichkeiten bestehen, hier drauf noch Einfluss zu nehmen. Teil der Diskussion war ebenso, was die Menschen vor Ort brauchen und wollen – jenseits der Vorstellung des Investors.

Ein Audiomitschnitt des Fachgesprächs ist hier zu finden.

Los ging die Diskussion mit einem kurzen Überblick zum aktuellen Stand. Seit einiger Zeit sieht der Plan der SIGNA für das Karstadt-Gebäude am Hermannplatz dessen Abriss und den Neubau eines deutlich größeren Gebäudes mit Fassade Baus von 1927-29 vor. Der Immobilienkonzern kämpft derzeit mit allen Mitteln für eine Baugenehmigung. Mit dem Letter of Intent (LOI), den SIGNA mit dem Berliner Senat abgeschlossen hat, verspricht SIGNA vorerst vier der sechs zu schließenden Karstadt-Filialen Berlins zu retten, um im Gegenzug vom Senat eine Baugenehmigung für drei verschiedene Orte zu erhalten. Somit sollen Neubauten am Kurfürstendamm, am Alexanderplatz und am Hermannplatz ermöglicht werden. Bezüglich des Baus am Hermannplatz soll ein zügiges Masterplanverfahren durchgeführt werden. Der Senat würde damit die Planungshoheit über den Hermannplatz an sich ziehen, welche bisher auf Bezirksebene in Friedrichshain-Kreuzberg gelegen hat. Der Stadtentwicklungsausschuss des Bezirks hatte 2019 die Neubaupläne SIGNAs abgelehnt.

SIGNA stellt seine Neubau-Pläne als soziales und alternatives Projekt vor, doch schon lange formiert sich in der Zivilgesellschaft erheblicher Widerstand gegen die Pläne. Zusammen mit Susanna Kahlefeld und der grünen BVV-Fraktion in Friedrichshain-Kreuzberg fordern wir daher, dass das Planungsrecht auch weiterhin auf Bezirksebene verbleibt und dass es zur Umgestaltung des Hermannplatzes ein ergebnisoffenes, transparentes Beteiligungsverfahren geben soll.

Als Expertin für das Fachgespräch war Theresa Keilhacker eingeladen. Sie ist Architektin bei „Aktiv für Architektur“ mit dem Fachgebiet nachhaltiges Planen und Bauen. Sie bezweifelt die ökologische Bilanz des Neubaus, wie sie von SIGNA veröffentlicht wurde. Die Berechnung der CO2 Bilanz sei kompliziert und in einem so frühen Stadium der Planung kaum möglich. Jeder Abriss sollte soweit es möglich ist aus ökologischen Gesichtspunkten immer in Frage gestellt werden. Zudem sei beim Abriss des Gebäudes am Hermannplatz auch der geltende Denkmalschutz zu beachten.

Dass das Verkehrskonzept des Platzes dringend überarbeitet werden muss, dürfte allen klar sein, eine solche Planung sei aber von den Plänen SIGNAs völlig unabhängig. Da SIGNA beide Vorhaben in seinen Darstellungen oft miteinander verknüpft, ist es also wichtig der Bevölkerung klarzumachen, dass ein verbessertes Verkehrskonzept für den Hermannplatz auch unabhängig von der Planung des Karstadt Gebäudes durchgeführt wird. Keilhacker war bei der Planung für den Checkpoint Charlie beteiligt, auch hier gab es anfangs einen Letter of Intent, dessen Inhalt aber durch ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis gekippt werden konnte. Bei diesem Prozess sei klar geworden, so Keilhacker, dass Berlin sich nicht von Investor*innen unter Druck setzen lassen muss, sondern die Gestaltungshoheit von für die Stadt wichtigen Plätzen behalten muss. Die Festschreibung von sozialer Bodennutzung in B-Plan-Verfahren sei eine Möglichkeit dazu.

Beim Fachgespräch mit dabei war auch Hülya Kilic, seit 13 Jahren Inhaberin eines Ladens in der Oranienstraße und bei der Initiative Oranienstraße Kreuzberg 36 (IOK36) aktiv. Sie hebt hervor, dass durch den geplanten SIGNA Neubau die Preise für Mieter*innen und Gewerbetreibende der Umgebung massiv in die Höhe getrieben werden würden, was den Kiez langfristig und unumkehrbar verändern würde. In der Umgebung gäbe es zudem eine große Diversität, u.a. besonders viele Ladeninhaber*innen und Mieter*innen mit Migrationshintergrund, die durch eine solche Entwicklung von Verdrängung bedroht wäre. Sie wünscht sich, dass die Bevölkerung sowie die Ladeninhaber*innen besser vom Bezirk über die Planungen informiert werden, da sonst die Gefahr besteht, dass große Teile der Bevölkerung gar nicht oder nur durch die SIGNA Kampagne Informationen erhalten. Einem möglichen Beteiligungsprozess stehen Kilic und viele weitere Teilnehmer*innen der Runde mit Skepsis gegenüber, da das bei anderen Projekten wiederholt genutzt worden seien um schon feststehende Pläne zu legitimieren. Keilhacker erläutert, dass sich im Falle vom Checkpoint Charlie das Beteiligungsverfahren bewährt habe, insbesondere dadurch, dass aufsuchende Beteiligung eine große Rolle gespielt hat. So wurden Bewohner*innen und Nutzer*innen einbezogen, die sich ansonsten nicht beteiligt hätten.

Dritter eingeladener Gast war Tobias Losekandt von der Kreativwirtschaftsagentur Berlin. Er berät schon seit Jahren Kunst- und Kreativschaffende in Neukölln und ganz Berlin. Er stellt fest, dass ein großer Teil der Kreativ- und Kulturschaffenden Neuköllns für alternative Lebens- und Arbeitsformen stehen, die durch die derzeitigen Entwicklungen zunehmend bedroht seien. Ein SIGNA Neubau würde diese Bedrohung noch verstärken, da die Mieten dadurch voraussichtlich stärker ansteigen. Allerdings gäbe es, so Losekandt, auch Beispiele, in denen eine Veränderung der Baustruktur durch einen guten Einbezug der Bevölkerung und der Kunst- und Kulturszene eine positive Wirkung auf das Umfeld mit sich gebracht hat. Das Aufbauhaus am Moritzplatz sei so ein Fall. Auch Keilhacker berichtet von einem Gebäude welches durch die Einbeziehung bestehender Strukturen und Bedarfe der Bevölkerung sowie behutsamer Sanierungen einen positiven Effekt auf den Kiez hatte. Das alte Hertie Gebäude in der Turmstraße wurde so aus dem Bestand heraus behutsam entwickelt.

Befürchtungen aus dem Publikum, dass die Karstadt-Angestellten bei einem Nichtzustandekommen des Deals in die Arbeitslosigkeit rutschen würden, sind nachvollziehbar. Allerdings seien die Arbeitsplätze höchstens für ein paar Jahre abgesichert und würden nur einen unsicheren Aufschub der Kündigungen bedeuten, wie in der Diskussion erläutert wird. Dies dürfe kein Argument sein, um mehreren städtebaulich sehr relevanten Bauvorhaben, die die Stadt und die Kieze langfristig verändern, grünes Licht zu geben.

Klar ist, das Thema wird uns auch in den nächsten Monaten noch begleiten. Es ist für die umliegenden Kieze und ihre Entwicklung in den nächsten Jahren ein entscheidender Faktor. Zusammen mit meiner Fraktionskollegin Susanna Kahlefeld planen wir daher, Anfang nächsten Jahres ein weiteres Gespräch zum Thema zu organisieren.

Rigaer Straße 94: Dringlicher Antrag und Debatte um Brandschutzmängel im Plenum

In der letzten Plenarsitzung habe ich mich zu der aktuellen Debatte rund um die Rigaer Straße 94 geäußert. Die CDU hatte einen dringlichen Antrag im Plenum gestellt, nachdem am Dienstag durch einen Bericht von rbb Kontraste unterstellt wurde, dass der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg absichtlich Brandschutzmängel in der Rigaer Straße 94 ignoriert hätte. In dem Antrag wurde dem Bezirksamt vorgeworfen, wissentlich eine angebliche „Gefährdung für Leib und Leben“ für Menschen innerhalb des Gebäudes und für Anwohnende in Kauf genommen zu haben.

Es ist klar, dass Brandschutzmaßnahmen äußerste Wichtigkeit haben – daher werden diese Vorwürfe aktuell genau geprüft. Aber der CDU konnte es nicht schnell genug gehen: Trotz der Bekräftigung des Rechtsamtes des Bezirks vom Vortag, dass das Vorgehen des Bezirkstadtrats und der Bezirksbürgermeisterin als gesetzeskonform einzuschätzen sei, hatte die CDU den dringlichen Antrag gestellt. Das lässt ahnen, dass nicht die Rigaer Straße, sondern vielmehr mal wieder eine Skandalisierung der gemeinwohlorientierten Politik der GRÜNEN und insbesondere das Lieblingsziel von FDP und CDU – Florian Schmidt – im Fokus stand.

Trotzdem bin ich in meiner Plenarrede nur auf die Faktenlage rund um die Rigaer Straße eingegangen. Hier die Argumente im Überblick:

  1. Eine „Gefährdung für Leib und Leben“ lag nach derzeitigem Kenntnisstand nicht vor: Die Polizei hatte Brandschutzmängel am 11. Juli dokumentiert. Diese wurden allerdings erst am 21. September an das Bezirksamt übermittelt. Demnach kann eine akute Gefährdung ausgeschlossen werden, da keine zeitnahe Übermittlung erfolgt.
  2. Die Eigentümerstruktur der Rigaer muss dringend geklärt werden: Der Eigentümer ist grundsätzlich für die Umsetzung der Brandschutzmaßnahmen zuständig. Dieser ist allerdings in dem Fall der Rigaer Straße ungeklärt und konnte so nicht in die Pflicht genommen werden. Interessantes Detail: Der besagte Anwalt, der Akteneinsicht genommen hatte, wurde mehrfach vor Gericht nicht als Vertreter anerkannt.
  3. Das Bezirksamt hatte rechtskonform gehandelt: Das Rechtsamt des Bezirkes hat bestätigt, dass der Ermessensspielraum des Baustadtrats rechtens und eine Abwägungsentscheidung zulässig war.
  4. Berichten zufolge waren nach Besichtigungen vor Ort die bauliche Mängel nicht so gravierend, wie teils dargestellt. So war u.a. ein Mitarbeiter der Bauaufsicht im Haus und auch der Schornsteinfeger stellte keine unmittelbare Gefahr hinsichtlich des Brandschutzes fest.

Meine Rede könnt ihr hier vollständig ansehen (Quelle: rbb):