Neue und alte Projekte für 2022/23 – einige Ergebnisse der Haushaltsverhandlungen für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen

Seit März verhandeln wir als Fraktionen in den Fachausschüssen und dem Hauptausschuss den neuen Doppelhaushalt für 2022/23. Gerade für das Thema Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen war die Ausgangslage der Verhandlungen konfliktgeladen – die neue Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen hatte vor allem beim Thema „Kooperative Stadtentwicklung“ finanzielle Mittel gestrichen. Jetzt liegen zwei Monate Haushaltsverhandlungen hinter uns. Nach unzähligen Fragen, Berichten und einigen Änderungsanträge haben wir sehr viele grüne Projekte durchgesetzt. Bald kann es also losgehen mit der Umsetzung.

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Hier eine Zusammenfassung unserer wichtigsten Projekte:

Mehr Genossenschaftsförderung und Unterstützung für die Genossenschaftliche Ankaufsagentur

Die im November 2021 gegründete Häuser Bewegen GIMA Berlin-Brandenburg eG i.G. ist ein starkes Instrument zur Sicherung von Boden und Immobilien. In München seit 2007 erfolgreich aktiv und in Frankfurt am Main als Gemeinschaftsprojekt von Stadt und Genossenschaften in Gründung, kann eine GIMA durch Aufsuchen, Vermitteln und Anbahnen von Grundstücksankäufen zugunsten gemeinwohlorientierter Unternehmen, wie Genossenschaften oder Hausprojekten, die Gemeinwohlorientierung des Berliner Immobilienmarktes stärken. Um das Instrument auch für Berlin nutzbar zu machen, konnten wir eine Anschubfinanzierung von 70.000 Euro in 2022 und 100.000 Euro in 2023 ermöglichen. Außerdem haben wir erreicht, dass nun circa 32 Millionen Euro in 2022 und 25 Mio. Euro in 2023 den Genossenschaften für den Bestandserwerb und Neubau als Förderung zur Verfügung steht. Zudem wird die Neubauförderung von 5.000 Sozialwohnungen jährlich jetzt finanziell ermöglicht. Mehr wäre natürlich nötigt gewesen, aber immerhin werden die Förderkonditionen verbessert. Nun ist es wichtig, die Förderrichtlinien jeweils schnell zu überarbeiten.

Ein Miet- und Wohnungskataster – Transparenz auf dem Immobilienmarkt endlich herstellen

Insgesamt 2,7 Millionen Euro stehen in den nächsten Jahren bereit, damit wir das schon in der letzten Legislatur zwischen Rot-Grün-Rot vereinbarte Miet- und Wohnungskataster einführen können. Ein solches Kataster wie es dies in der Schweiz und Schweden bereits gibt, soll digital Informationen über alle Berliner Wohnungen und Gewerbeeinheiten festhalten bezüglich Austattung, Miethöhe, Eigentümer*innen, aber auch der energetische Zustand und ob es sich um eine Sozial- oder Eigentumswohnung handelt. Dieses Projekt hatten die Senator*innen der letzten Legislatur leider nicht umgesetzt. Nun gehen wir es an, damit endlich sichtbar wird, wer hier welche Immobilien besitzt und welche Briefkastenfirmen, Fonds und andere Unternehmen in welchen Stadtteilen welche Probleme bereiten. Zukünftig sollen damit also Probleme auf dem Wohnungsmarkt wie spekulativer Leerstand besser kontrollierbar gemacht werden, und uns Hinweise geben, wo der wohnungspolitische Schuh am meisten drückt. Weitere Rechtsgutachten sollen nun die Umsetzung in die Wege leiten. Dazu werden wir auch als Grüne Fraktion bald einen konkreten Vorschlag machen, denn nun gilt es die gesetzliche Grundlage für das Kataster zu legen.

Eine Ombudsstelle für die Mieter*innen der Landeseigenen Wohnungsunternehmen

Die Wohnraumversorgung Berlin (WVB) hat in den vergangenen Monaten einige kritische Momente durchgemacht. Neben der Kündigung des Vorstandmitglieds Ulrike Hamann sollte die WVB nur marginal im Haushalt berücksichtigt werden. Wir haben nun in den Verhandlungen die Einrichtung einer Ombudsstelle für Mieter*innen der Landeseigenen Wohnungsunternehmen verankert. Dafür bekommt die WVB 100.000 Euro in 2022 und 200.000 Euro in 2023 für die Ausschreibung und die externe Beauftragung einer unabhängigen Ombudsstelle. Sie soll Anfragen und Beschwerden aus den sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen annehmen und zwischen Konfliktparteien vermitteln und auch die Mieter*innengremien damit unterstützen und entlasten.

Initiativenforum Stadtpolitik

Das Initiativenforum Stadtpolitik (IniForum) wurde 2020 gegründet und ist an den Verein Stadtprojekte e.V. angegliedert. Das Forum bietet die Möglichkeit, Belange stadtpolitischer Initiativen in direktem Gespräch mit Politiker*innen, Verwaltungsmitarbeiter*innen und Expert*innen zu verhandeln und sie gleichzeitig in eine breitere Öffentlichkeit zu bringen. Das IniForum will ein „Gegengewicht gegenüber Politik, Verwaltung und Immobilienlobby” herstellen und damit die Mietenbewegung aktiv stärken und ihnen Ressourcen für ihre Arbeit zur Verfügung stellen. Im Haushaltsentwurf der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen war nicht klar, ob das Iniforum so weitergeführt und wie hoch finanziert wird. Wir haben nun sichergestellt, dass der Träger dieses Format in den kommenden zwei Jahre mit jährlich 165.000 Euro fortsetzen kann.

Rekomm+-Projekt

Das Projekt Rekommunalisierung Plus hat das Ziel, den sozialen Zusammenhalt und die nachbarschaftlichen Beteiligungsstrukturen im Kontext der Wohnungsfrage zu erweitern und die demokratische Partizipation sowie auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Berlin zu stärken. Bezugnehmend auf das im Koalitionsvertrag (2016) erklärte Ziel, den kommunalen Bestand insbesondere durch Ankäufe im sozialen Wohnungsbau zu erweitern und die Objekte wieder in Landeshand zu überführen, hat das Projekt „Rekommunalisierung Plus“ in den letzten Jahren rund um das Kottbusser Tor den inhaltlichen und organisatorischen Rahmen für eine deutliche Stärkung von Teilhabe und sozialen Zusammenhaltes geschaffen. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass das Rekomm+-Projekt auch in 2023 fortgesetzt und eine Ausweitung auf weitere Siedlungen geprüft wird. Dafür konnten wir Mittel von 160.000€ jeweils für 2022 und 2023 absichern.

Taskforce für bedrohte Räume der Berliner Mischung & Soziokultur

Die Taskforce für bedrohte Räume, soll – als kurzfristig handelndes Notfallgremium – Verdrängung und Verlust von soziokulturellen Räumen notfalls auch im letzten Moment verhindern. Zudem müssen Projekte auch langfristig unterstützt und geschützt werden. Hierfür ist eine Stelle erforderlich, die soziale und kulturelle Akteur:innen in Stadtentwicklungsprozessen begleitet und berät und die Abstimmung mit der Berliner Politik und Verwaltung auf Landes- und Bezirksebene aktiv unterstützt. Die Taskforce für bedrohte Räume der Berliner Mischung & Soziokultur war im Koalitionsvertrag mit einem Prüfauftrag versehen, war aber leider nicht im Haushaltsentwurf berücksichtigt. Jetzt haben wir für 2023 150.000 Euro für eine Konzepterstellung verhandelt.

Initiative Urbane Praxis

Die Initiative setzt sich für den Aufbau von ressortübergreifenden, intermediären Strukturen ein, koordiniert bei Genehmigungsfragen und begleitet Prozesse der Urbanen Praxis auf den Flächen der Initiative. Außerdem organisiert die Ini den Nationalen und internationalen Fachaustausch. Der Berliner Projektfond Urbane Praxis hat nichts mit der Initiative Urbane Praxis zu tun. Der Projektfonds wurde 2021 von der Stiftung Kulturelle Weiterbildung und Kulturberatung administriert und soll von der Senatsverwaltung für Kultur und Europa verstetigt werden. Die Initiative Urbane Praxis heißt im Haushalt Netzwerkstelle und Projektbüro Urbane Praxis. Dafür gibt es 2022 und 2023 jeweils 300.000€.

Bezirkliche Anlaufstellen für Bürger*innenbeteiligung

2019 hatte der Senat nach langer Diskussion die Leitlinien für Bürgerbeteiligung (LLBB) beschlossen. Teil der Leitlinien ist die Einrichtung von Anlaufstellen. Diese sollen zu städtebaulichen Vorhaben beraten, informieren und vernetzen, die Bürger*innen bei deren Selbstorganisation unterstützen. Im Entwurf der Senatsverwaltung wurden die Mittel für die bezirklichen Anlaufstellen für Bürgerbeteiligung von 250.000 auf 160.000 Euro gekürzt. Als Reaktion gab es einen Brief der betroffenen Bezirke mit der Forderung nach Aufstockung. Wir haben nun als Koalition einen Änderungsantrag beschlossen, für 2023 Mittel bis 250.000 Euro für diejenigen Bezirke einzustellen, in denen tatsächlich aktive oder im Aufbau befindliche Anlaufstellen geben wird. Damit wird gewährleistet, dass die Bezirke, die sich bisher um den Aufbau bemühen, abgesichert sind. Gleichzeitig werden die anderen Bezirke motiviert, die Einrichtung der Anlaufstellen anzugehen.

Weitere kleinere Projekte wie ein Rechtsgutachten zu den landesrechtlichen Möglichkeiten, um den Schutz vor Eigenbedarfskündigungen zu stärken ebenso wie der neue Wohnraumbedarfsbericht, der nächstes Jahr erscheinen soll, sind ebenso nun haushalterisch abgesichert. Natürlich wird der Runde Tisch Liegenschaftspolitik bald wieder starten und auch ein Modellprojekt für dauerhafte Mietpreisbindungen auf dem Dragoner Areal ist nun finanziell berücksichtigt. Im Rahmen der Haushaltsverhandlungen haben wir uns als Koalition auch darauf verständigt, das sog. Gesetz zum Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum zu reformieren und die Vollzugsdefizite zu beseitigen, damit wir bei Leerstand und fehlender Instandsetzung endlich Häuser durch einen Treuhänder verwalten lassen können, der dann Wohnraum wieder zur Vermietung bringt.

Sobald der Haushaltsentwurf im Hauptausschuss und im Plenum beschlossen wird, wird er digital hier abrufbar sein.

Finanzmittel sind die Voraussetzung für politische Projekte, nun muss es darum gehen, diese in die Umsetzung zu bringen, die eigentliche Arbeit beginnt also erst jetzt.

Bericht zum Fachgespräch: Was bedeuten die Pläne der SIGNA für unsere Kieze in Kreuzberg und Neukölln?

Ende September haben meine Fraktionskollegin Susanna Kahlefeld und ich zu einem Online-Fachgespräch eingeladen, um mit Expert*innen, Anwohnenden und allen Interessierten über den aktuellen Stand und die möglichen Auswirkungen eines solchen Projektes zu diskutieren. Dabei ging es auch um eine Bewertung der Einigung zwischen Senat und SIGNA und die Frage, welche konkreten Möglichkeiten bestehen, hier drauf noch Einfluss zu nehmen. Teil der Diskussion war ebenso, was die Menschen vor Ort brauchen und wollen – jenseits der Vorstellung des Investors.

Ein Audiomitschnitt des Fachgesprächs ist hier zu finden.

Los ging die Diskussion mit einem kurzen Überblick zum aktuellen Stand. Seit einiger Zeit sieht der Plan der SIGNA für das Karstadt-Gebäude am Hermannplatz dessen Abriss und den Neubau eines deutlich größeren Gebäudes mit Fassade Baus von 1927-29 vor. Der Immobilienkonzern kämpft derzeit mit allen Mitteln für eine Baugenehmigung. Mit dem Letter of Intent (LOI), den SIGNA mit dem Berliner Senat abgeschlossen hat, verspricht SIGNA vorerst vier der sechs zu schließenden Karstadt-Filialen Berlins zu retten, um im Gegenzug vom Senat eine Baugenehmigung für drei verschiedene Orte zu erhalten. Somit sollen Neubauten am Kurfürstendamm, am Alexanderplatz und am Hermannplatz ermöglicht werden. Bezüglich des Baus am Hermannplatz soll ein zügiges Masterplanverfahren durchgeführt werden. Der Senat würde damit die Planungshoheit über den Hermannplatz an sich ziehen, welche bisher auf Bezirksebene in Friedrichshain-Kreuzberg gelegen hat. Der Stadtentwicklungsausschuss des Bezirks hatte 2019 die Neubaupläne SIGNAs abgelehnt.

SIGNA stellt seine Neubau-Pläne als soziales und alternatives Projekt vor, doch schon lange formiert sich in der Zivilgesellschaft erheblicher Widerstand gegen die Pläne. Zusammen mit Susanna Kahlefeld und der grünen BVV-Fraktion in Friedrichshain-Kreuzberg fordern wir daher, dass das Planungsrecht auch weiterhin auf Bezirksebene verbleibt und dass es zur Umgestaltung des Hermannplatzes ein ergebnisoffenes, transparentes Beteiligungsverfahren geben soll.

Als Expertin für das Fachgespräch war Theresa Keilhacker eingeladen. Sie ist Architektin bei „Aktiv für Architektur“ mit dem Fachgebiet nachhaltiges Planen und Bauen. Sie bezweifelt die ökologische Bilanz des Neubaus, wie sie von SIGNA veröffentlicht wurde. Die Berechnung der CO2 Bilanz sei kompliziert und in einem so frühen Stadium der Planung kaum möglich. Jeder Abriss sollte soweit es möglich ist aus ökologischen Gesichtspunkten immer in Frage gestellt werden. Zudem sei beim Abriss des Gebäudes am Hermannplatz auch der geltende Denkmalschutz zu beachten.

Dass das Verkehrskonzept des Platzes dringend überarbeitet werden muss, dürfte allen klar sein, eine solche Planung sei aber von den Plänen SIGNAs völlig unabhängig. Da SIGNA beide Vorhaben in seinen Darstellungen oft miteinander verknüpft, ist es also wichtig der Bevölkerung klarzumachen, dass ein verbessertes Verkehrskonzept für den Hermannplatz auch unabhängig von der Planung des Karstadt Gebäudes durchgeführt wird. Keilhacker war bei der Planung für den Checkpoint Charlie beteiligt, auch hier gab es anfangs einen Letter of Intent, dessen Inhalt aber durch ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis gekippt werden konnte. Bei diesem Prozess sei klar geworden, so Keilhacker, dass Berlin sich nicht von Investor*innen unter Druck setzen lassen muss, sondern die Gestaltungshoheit von für die Stadt wichtigen Plätzen behalten muss. Die Festschreibung von sozialer Bodennutzung in B-Plan-Verfahren sei eine Möglichkeit dazu.

Beim Fachgespräch mit dabei war auch Hülya Kilic, seit 13 Jahren Inhaberin eines Ladens in der Oranienstraße und bei der Initiative Oranienstraße Kreuzberg 36 (IOK36) aktiv. Sie hebt hervor, dass durch den geplanten SIGNA Neubau die Preise für Mieter*innen und Gewerbetreibende der Umgebung massiv in die Höhe getrieben werden würden, was den Kiez langfristig und unumkehrbar verändern würde. In der Umgebung gäbe es zudem eine große Diversität, u.a. besonders viele Ladeninhaber*innen und Mieter*innen mit Migrationshintergrund, die durch eine solche Entwicklung von Verdrängung bedroht wäre. Sie wünscht sich, dass die Bevölkerung sowie die Ladeninhaber*innen besser vom Bezirk über die Planungen informiert werden, da sonst die Gefahr besteht, dass große Teile der Bevölkerung gar nicht oder nur durch die SIGNA Kampagne Informationen erhalten. Einem möglichen Beteiligungsprozess stehen Kilic und viele weitere Teilnehmer*innen der Runde mit Skepsis gegenüber, da das bei anderen Projekten wiederholt genutzt worden seien um schon feststehende Pläne zu legitimieren. Keilhacker erläutert, dass sich im Falle vom Checkpoint Charlie das Beteiligungsverfahren bewährt habe, insbesondere dadurch, dass aufsuchende Beteiligung eine große Rolle gespielt hat. So wurden Bewohner*innen und Nutzer*innen einbezogen, die sich ansonsten nicht beteiligt hätten.

Dritter eingeladener Gast war Tobias Losekandt von der Kreativwirtschaftsagentur Berlin. Er berät schon seit Jahren Kunst- und Kreativschaffende in Neukölln und ganz Berlin. Er stellt fest, dass ein großer Teil der Kreativ- und Kulturschaffenden Neuköllns für alternative Lebens- und Arbeitsformen stehen, die durch die derzeitigen Entwicklungen zunehmend bedroht seien. Ein SIGNA Neubau würde diese Bedrohung noch verstärken, da die Mieten dadurch voraussichtlich stärker ansteigen. Allerdings gäbe es, so Losekandt, auch Beispiele, in denen eine Veränderung der Baustruktur durch einen guten Einbezug der Bevölkerung und der Kunst- und Kulturszene eine positive Wirkung auf das Umfeld mit sich gebracht hat. Das Aufbauhaus am Moritzplatz sei so ein Fall. Auch Keilhacker berichtet von einem Gebäude welches durch die Einbeziehung bestehender Strukturen und Bedarfe der Bevölkerung sowie behutsamer Sanierungen einen positiven Effekt auf den Kiez hatte. Das alte Hertie Gebäude in der Turmstraße wurde so aus dem Bestand heraus behutsam entwickelt.

Befürchtungen aus dem Publikum, dass die Karstadt-Angestellten bei einem Nichtzustandekommen des Deals in die Arbeitslosigkeit rutschen würden, sind nachvollziehbar. Allerdings seien die Arbeitsplätze höchstens für ein paar Jahre abgesichert und würden nur einen unsicheren Aufschub der Kündigungen bedeuten, wie in der Diskussion erläutert wird. Dies dürfe kein Argument sein, um mehreren städtebaulich sehr relevanten Bauvorhaben, die die Stadt und die Kieze langfristig verändern, grünes Licht zu geben.

Klar ist, das Thema wird uns auch in den nächsten Monaten noch begleiten. Es ist für die umliegenden Kieze und ihre Entwicklung in den nächsten Jahren ein entscheidender Faktor. Zusammen mit meiner Fraktionskollegin Susanna Kahlefeld planen wir daher, Anfang nächsten Jahres ein weiteres Gespräch zum Thema zu organisieren.

Rigaer Straße 94: Dringlicher Antrag und Debatte um Brandschutzmängel im Plenum

In der letzten Plenarsitzung habe ich mich zu der aktuellen Debatte rund um die Rigaer Straße 94 geäußert. Die CDU hatte einen dringlichen Antrag im Plenum gestellt, nachdem am Dienstag durch einen Bericht von rbb Kontraste unterstellt wurde, dass der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg absichtlich Brandschutzmängel in der Rigaer Straße 94 ignoriert hätte. In dem Antrag wurde dem Bezirksamt vorgeworfen, wissentlich eine angebliche „Gefährdung für Leib und Leben“ für Menschen innerhalb des Gebäudes und für Anwohnende in Kauf genommen zu haben.

Es ist klar, dass Brandschutzmaßnahmen äußerste Wichtigkeit haben – daher werden diese Vorwürfe aktuell genau geprüft. Aber der CDU konnte es nicht schnell genug gehen: Trotz der Bekräftigung des Rechtsamtes des Bezirks vom Vortag, dass das Vorgehen des Bezirkstadtrats und der Bezirksbürgermeisterin als gesetzeskonform einzuschätzen sei, hatte die CDU den dringlichen Antrag gestellt. Das lässt ahnen, dass nicht die Rigaer Straße, sondern vielmehr mal wieder eine Skandalisierung der gemeinwohlorientierten Politik der GRÜNEN und insbesondere das Lieblingsziel von FDP und CDU – Florian Schmidt – im Fokus stand.

Trotzdem bin ich in meiner Plenarrede nur auf die Faktenlage rund um die Rigaer Straße eingegangen. Hier die Argumente im Überblick:

  1. Eine „Gefährdung für Leib und Leben“ lag nach derzeitigem Kenntnisstand nicht vor: Die Polizei hatte Brandschutzmängel am 11. Juli dokumentiert. Diese wurden allerdings erst am 21. September an das Bezirksamt übermittelt. Demnach kann eine akute Gefährdung ausgeschlossen werden, da keine zeitnahe Übermittlung erfolgt.
  2. Die Eigentümerstruktur der Rigaer muss dringend geklärt werden: Der Eigentümer ist grundsätzlich für die Umsetzung der Brandschutzmaßnahmen zuständig. Dieser ist allerdings in dem Fall der Rigaer Straße ungeklärt und konnte so nicht in die Pflicht genommen werden. Interessantes Detail: Der besagte Anwalt, der Akteneinsicht genommen hatte, wurde mehrfach vor Gericht nicht als Vertreter anerkannt.
  3. Das Bezirksamt hatte rechtskonform gehandelt: Das Rechtsamt des Bezirkes hat bestätigt, dass der Ermessensspielraum des Baustadtrats rechtens und eine Abwägungsentscheidung zulässig war.
  4. Berichten zufolge waren nach Besichtigungen vor Ort die bauliche Mängel nicht so gravierend, wie teils dargestellt. So war u.a. ein Mitarbeiter der Bauaufsicht im Haus und auch der Schornsteinfeger stellte keine unmittelbare Gefahr hinsichtlich des Brandschutzes fest.

Meine Rede könnt ihr hier vollständig ansehen (Quelle: rbb):

Zum fragwürdigen Deal mit der Signa-Gruppe – Unser Brief an den Regierenden Bürgermeister Müller

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Müller,

teil des jüngst von Vertreter*innen des Berliner Senats und der Signa-Gruppe unterzeichneten Letter of Intent (LOI) sind auch Verabredungen zu den Bauvorhaben der Signa-Gruppe am Karstadt-Standort Hermannplatz im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg.

Als gewählte Vertreter*innen unseres Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg möchten wir Sie stellvertretend für den gesamten Senat darüber in Kenntnis setzen, dass wir weiterhin schwerwiegende Bedenken gegen die bisher bekannt gewordenen Pläne von Signa für den Hermannplatz haben und das nunmehr im LOI angedachte Vorgehen für hochproblematisch halten. Bestätigt sehen wir uns in dieser Haltung auch durch die fast durchweg negativen Reaktionen, die wir von Bewohnerinnen und Bewohnern unseres Bezirks auf die diesbezüglichen Verabredungen im LOI erhalten haben.

Wir wissen die Anstrengungen des Senats zu schätzen, möglichst viele Arbeitsplätze im Einzelhandel und aktuell insbesondere bei Galeria Karstadt Kaufhof zu erhalten. Und wir wissen auch, dass dieses Bemühen den Hintergrund bot für die Verhandlungen mit Signa. Wir hielten es jedoch in verschiedener Hinsicht für einen großen Fehler, sollte jetzt tatsächlich dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg die Zuständigkeit für dieses Vorhaben entzogen werden und die weitere Standortplanung auf Basis des bisherigen Konzeptes von Signa erfolgen. Aus unserer Sicht wäre der vollständige Abriss eines intakten Bestandsgebäudes nicht nur ökologisch mehr als fragwürdig. Auch eine Rekonstruktion des ursprünglichen Gebäudes in alter monumentaler Größe ist mit Blick auf das Stadtgefüge am Hermannplatz aus unserer Sicht in der heutigen Zeit völlig unangemessen. Die Rekonstruktion einer historischen Architektur aus der Endphase der Weimarer Republik fällt aus der Zeit und schafft keine „identitätsstiftende Architektur“ im heutigen Kreuzberg oder Neukölln, wie es im LOI gewünscht wird.

Wir teilen diesbezüglich auch ausdrücklich die fachliche Stellungnahme des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg vom 30. August 2019, in der es heißt: „Aufgrund von Dimension, Wirkung und geplanter Nutzung des Gebäudes würde es im umgebenden Stadtgefüge wie ein Fremdkörper wirken und könnte daher nicht nur keine Symbolkraft für die angrenzenden Bezirksflächen entfalten, sondern würde vielmehr ein irreführendes Signal senden und letztlich weitgehend nur für sich stehen.“Das Vorhaben steht zudem im Widerspruch zu bisherigen bezirklichen Verkehrs-und Grünflächenkonzepten und würde im Rahmen der baulichen Umsetzung einen zentralen Verkehrsknotenpunkt zweier Bezirke über Jahre hinweg lahmlegen.

Vor allem aber sorgt uns, dass ein neuer Konsum-und Eventpalast für gravierende Umstrukturierungen im Stadtteilumfeld sorgen dürfte. Noch ist das Karstadt-Warenhaus am Hermannplatz das Ankerzentrum im lokalen Markt und hat eine stabilisierende Funktion für das Umfeld. Wir beobachten jedoch bereits jetzt rund um den Hermannplatz eine massive Verdrängung des herkömmlichen Kleingewerbes, das auf den Alltagsbedarf für die lokale Bevölkerung ausgerichtet ist, durch ein wachsendes Angebotan Gastronomie, das auf Tourismus ausgerichtet ist. Eine monumentale Signa-Mall am Hermannplatz dürfte diese Entwicklung deutlich beschleunigen.

In diesem Zusammenhang sollte auch nicht unerwähnt bleiben, dass der geplante Abriss und Neubau des Gebäudes am Hermannplatz auch den dortigen Karstadt-Standort selbst und die dortigen Arbeitsplätze in Frage stellt. Nicht anders dürfte es auch zu verstehensein, dass im LOI weder Zusagen über den Erhalt der jetzigen Verkaufsfläche von Karstadt am Hermannplatz noch eine Garantie für den Erhalt der dortigen Arbeitsplätze während der zu erwartenden langjährigen Bauphase fixiert wurden. Es wird hingegen immerdeutlicher: im Mittelpunkt des Interesses der Signa-Gruppe steht nicht das Warenhausgeschäft, sondern die Renditen, die durch Immobilienhandel und -verwertung zu erzielen sind. Die Warenhäuser sind dabei bestenfalls Mittel zum Zweck zur Optimierung des Geschäftes mit Immobilien und wurden in Berlin genau in diesem Sinne eingesetzt. So bestehen im Übrigen auch ganz erhebliche Zweifel, dass die Schließungsankündigungen für die Berliner Warenhaus-Filialen tatsächlich in erster Linie betriebswirtschaftlich motiviert waren. Laut Auskunft von Signa waren die Berliner Standorte jedenfalls vor Beginn der Corona-Krise noch im Plus.

Signa hat die Corona-Krise viel mehr als Chance begriffen, um ihren eigentlichen Interessen im Immobiliengeschäft Nachdruck zu verleihen.Unter dem Strich bleibt es eine inakzeptable Form der politischen Erpressung, wenn die Signa-Gruppe Hunderte von Beschäftigten und ihre Arbeitsplätze an verschiedenen Standorten in unserer Stadt in Geiselhaft nimmt, um an einem Ort wie dem Hermannplatzeigene Bau-Interessen als Immobilienkonzern brachial durchzusetzen. Für Signa mag ein gigantischer Retro-Bau seinen Werbezweck erfüllen, der insbesondere auch Tourist*innen anziehen dürfte, und zudem dem Konzern Renditen im Immobiliengeschäft garantiert–für den betroffenen Stadtteil selbst und die angrenzenden Nachbarschaften wäre er ganz sicher vor allem eines: eine große Belastung.

Vor diesem Hintergrund erwarten wir, dass der Berliner Senat die Zuständigkeit für die Bauvorhaben von Signa am Hermannplatz federführend weiter beim Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg belässt und seine diesbezüglichen Vorstellungen in die bezirklichen Prozesse einspeist. Nur so bleiben eine bürgernahe Debatte und Entscheidung möglich. Signa sollte ihre Pläne für den StandortHermannplatz grundsätzlich überdenken, von dem geplanten Abriss Abstand nehmen und eine behutsame und städtebaulich verträgliche Weiterentwicklung des Bestandsgebäudes im Rahmen der bezirklichen Vorgaben in Angriff nehmen.

Mit freundlichen Grüßen

Reza Amiri
Mitglied im Ausschuss für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Fraktion DIE LINKE in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg

Canan Bayram
MdB Bündnis 90/Die Grünen Friedrichshain-Kreuzberg

Annika Gerold
Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg

Gaby Gottwald
MdA DIE LINKE Friedrichshain-Kreuzberg

Pascal Meiser
MdB DIE LINKE Friedrichshain-Kreuzberg

Oliver Nöll
Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg

Katrin Schmidberger
MdA Bündnis 90/Die Grünen Friedrichshain-Kreuzberg

Julian Schwarze
Vorsitzender der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg