Marktversagen auch beim Gewerbe

Es braucht Mietenregulierung und eine andere Liegenschaftspolitik

Wie beim Wohnen wird auch beim Gewerbe am Bedarf vorbei gebaut oder überteuert vermietet. Gewachsene Kiezstrukturen wurden verdrängt oder drohen bald verloren zu gehen. Eine landesweite Gewerbe-Strategie und ein soziales Gewerbemietrecht sind längst überfällig.   

Schon seit 10 Jahren ist in vielen Kiezen zu beobachten, wie immer mehr kleine Ladenstrukturen verloren gehen, soziale Infrastruktur verdrängt wird und Monostrukturen entstehen. Gewerbemieter/innen leiden unter dem fehlenden Kündigungsschutz. Viele bangen jedes Jahr neu, wenn der Mietvertrag ausläuft. Zudem gibt es keinerlei Regulierung der Mieten. Diese Mietpreisspirale zwingt immer mehr Gewerbetreibende – ob im Handwerk, für soziale Einrichtungen oder im Einzelhandel – zur Aufgabe. Das Gewerbemietrecht, das auf der Bundesebene liegt, muss daher dringend geändert werden.

Der rot-grün-rote Senat hatte 2019 versucht, über eine Bundesratsinitiative Verbesserungen zu erreichen. Orientiert auch am Beispiel Frankreich. Dort dürfen Vermieter den Mieter/innen nicht aus wirtschaftlichen Gründen kündigen oder müssen entsprechend entschädigen, was in der Praxis einen guten Schutz bedeutet. Damals hatte zwar eine Mehrheit der Bundesländer unserem Vorschlag zugestimmt, ist aber an der Bundesregierung gescheitert. In Absprache mit anderen Städten muss jetzt trotzdem ein neuer Versuch gestartet werden, um Gewerbemieten in angespannten Lagen durch die Länder/Kommunen selbst deckeln zu können. 

Die Leerstandsquote für Büroflächen liegt in Berlin aktuell bei 7,6%. Von diesen knapp 1,7 Millionen qm konzentriert sich der Großteil auf die Innenstadt. Aber trotz des steigenden Leerstands werden in Berlin kaum Büros in Wohnungen umgewandelt, geschweige denn Planungen für weitere Bürobauten gestoppt. Ob die „Urbane Mitte“ oder der „Amazon Tower“: hier entstehen völlig überteuerte Büroflächen, die keiner braucht. Kitas, Jugendeinrichtungen, ambulante Dienste und stationäre Einrichtungen dagegen schon.

Sicherung sozialer Standorte

Landeseigene Wohnungsunternehmen (LWU) müssen ihrem sozialen Versorgungsauftrag auch beim Gewerbe gerecht werden und sollten aufgrund der akuten Notlage ihre Gewerberäume prioritär an von Verdrängung bedrohte soziale Nutzungen vergeben. Dies könnte sowohl in der Kooperationsvereinbarung zwischen Senat und LWU als auch im Wohnraumversorgungsgesetz geregelt werden. Möglich wäre auch eine finanzielle Kompensation für die LWU und die Berliner Immobilienmanagement GmbH wenn sie für gemeinwohlorientierte Bedarfe Räume anbieten. Zusätzlich bedarf es eines Konzeptes für Zwischennutzung und Mehrfachnutzung, um Leerstand bei den LWU zu vermeiden.

Nicht nur in der Vermietung, auch in der Akquise und Bewirtschaftung neuer Grundstücke sind gemeinwohlorientierte Akteure vor immense Herausforderungen gestellt. Aktuell verhindern die liegenschaftspolitischen Vorgaben des Senats, dass soziale Träger Standorte langfristig sichern können. Die Herabsetzung der Erbbaurechtslaufzeiten von 99 auf 40 Jahre für gewerbliche,  soziale, kulturelle und sportliche Nutzung ist eine kaum zu bewältigende Hürde. 

Statt Signa, Vonovia und Co. zu hofieren, sollten die gemeinwohlorientierten Akteure endlich als Verbündete des Landes behandelt werden. Auch beim Ankauf von Wohnhäusern mit Gewerbeanteil muss die Förderung so ausgestaltet werden, dass bezahlbare Gewerberäume erhalten bleiben. Ein weiterer Ansatz auf privaten Grundstücken wäre, das kooperative Baulandmodell bei größeren Neubauvorhaben – Bauträger werden verpflichtet, auf 30% der Fläche Sozialwohnungen zu errichten – auf bezahlbare Gewerbeflächen zu erweitern. Auch das Potential kommunaler Gewerbehöfe sollte, wie in München, endlich gehoben werden. Wer die viel beschworene „Berliner Mischung“ erhalten will, muss dem Marktversagen beim Gewerbe endlich etwas entgegensetzen. Im Einzelfall haben wir es schon öfter geschafft, kleines Gewerbe zu erhalten. Es braucht aber politische Lösungen, die langfristig wirken können.

Vorkaufsrecht wiederbeleben und nutzen– für eine solidarische Wohnungspolitik

Die Fälle des Vorkaufsrechts um das „RichiBrauni“-Haus in Berlin-Neukölln sowie um die Warschauer Straße 25/Kopernikusstr. 6 in Friedrichshain sind mehr als bloße Einzelfälle auf einem überhitzten Wohnungsmarkt. Sie stehen exemplarisch für die grundsätzliche Auseinandersetzung in unserer Stadt: Bleibt Berlin eine Stadt für alle oder setzen sich Renditeinteressen weiterhin über die Bedürfnisse der Menschen hinweg? Ich freue mich sehr, dass die Bewohner*innen der Häuser sich so aktiv und engagiert gegen den Ausverkauf ihres Zuhauses eingesetzt haben bzw. einsetzen und sie wissen, dass ich an ihrer Seite stehe. Gemeinsam können wir deutlich machen: Verdrängung ist kein Naturgesetz, wir können und müssen sie politisch verhindern!

RichiBrauni: Ein Erfolg trotz eingeschränktem Vorkaufsrecht

Im Fall des Hauses an der Richardstraße 59/Braunschweiger Straße 54, bekannt als „RichiBrauni“, konnten wir gemeinsam mit den Mieter*innen und dem Bezirk Neukölln ein starkes Zeichen setzen. Obwohl das kommunale Vorkaufsrecht derzeit durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts erheblich eingeschränkt ist, ist es dem Bezirk und zuvor dem Baustadtrat Jochen Biedermann gelungen, mit dem Käufer eine sogenannte Abwendungsvereinbarung zu schließen.

Diese vertragliche Verpflichtung beinhaltet unter anderem einen Verzicht auf Umwandlung in Eigentumswohnungen, die Begrenzung der Neuvertragsmieten auf die Mietpreisbremse und die langfristige Sicherung der Wohnnutzung. Dies war aber nur möglich, weil der Bezirk glaubhaft machte, das Vorkaufsrecht bei Nichterfüllung zu prüfen und gegebenenfalls zu aktivieren, auch wenn es rechtliche Hürden gegeben hätte. Das zeigt: Wo ein politischer Wille ist, ist auch ein Weg, selbst innerhalb der engen gesetzlichen Grenzen.

Die Mieter*innen haben damit nicht nur eine existentielle Sicherheit zumindest für 20 Jahre gewonnen, sondern auch gezeigt, dass zivilgesellschaftlicher Protest und öffentlicher Drucketwas bewirken können. Ich bin den Bewohner*innen, den Mieter-Inis, dem Bezirksamt Neukölln um dem Stadtrat Jochen Biedermann und allen anderen die sich für die „RichiBrauni“ eingesetzt haben sehr dankbar für dieses Engagement. Dieser Fall hat hoffentlich Strahlkraft für andere betroffene Mieter*innen und die ganze Stadt!

Warschauer Straße 25: Eine Chance für sozialen Neubeginn

Ein weiteres wichtiges Beispiel ist das Haus in der Warschauer Straße 25/Kopernikusstraße 6 in Friedrichshain. Es wurde seit 1993 bereits dreimal an einen Fonds verkauft und soll jetzt wieder an einen Fonds gehen. Das sanierungsbedürftige Gebäude liegt zwar im Milieuschutzgebiet, aber durch den Verkauf drohen den bisherigen Mieter*innen massive Aufwertung oder gar die Verdrängung. Bereits jetzt stehen viele Wohnungen leer. Die Bausubstanz ist teils stark sanierungsbedürftig. Das Bezirksamt prüft derzeit den Vorkauf mit dem Ziel, die Mieter*innen vor Verdrängung zu schützen und den Standort für dringend benötigte soziale Projekte wie „Housing First“ für obdachlose Menschen oder ein Azubi-Wohnheim zu sichern, zum Beispiel durch die GSE gGmbH. Und auch die bestehenden Gewerbetreibenden könnten mit einer/m gemeinwohlorientierten Eigentümer*in gesichert werden, denn Gewerbemieter*innen haben noch weniger Schutzrechte als Mieter*innen für Wohnzwecke. 

Ich unterstütze diese Lösung ausdrücklich. Es zeigt, dass das Vorkaufsrecht nicht nur ein defensives Instrument zur Abwehr von Spekulation sein kann, sondern auch aktiv für den Aufbau von sozialem und gemeinwohlorientiertem Wohnraum eingesetzt werden kann. Dass der Senat und Senator Gaebler hier Unterstützung zugesagt haben, ist wichtig und notwendig, es darf aber nicht nur bei Worten bleiben, der Senat muss jetzt auch die nötigen finanziellen Mittel bereitstellen. Berlin braucht ein deutliches Bekenntnis zu einer gemeinwohlorientierten Boden- und Wohnungspolitik. Die Zeit drängt, die Frist für den Vorkauf läuft bereits am 9.Juni aus.

Reformen auf Bundesebene dringend notwendig

Trotz dieser positiven Beispiele bleibt die gesetzliche Lage prekär. Seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im November 2021 dürfen Bezirke das Vorkaufsrecht nur noch dann ausüben, wenn signifikante bauliche Mängel in den Objekten vorliegen, es also einen hohen Sanierungsbedarf oder einen hohen Leerstand gibt. Das führt dazu, dass in vielen Fällen die Bezirke das Vorkaufsrecht nicht ausüben können oder dass die gemeinwohlorientierten potentiellen Käufer*innen nicht in der Lage sind, die Renovierungskosten zu tragen. Der Milieuschutz und das Vorkaufsrecht sind einige wenige Instrumente, die die Bezirke überhaupt haben.

Deshalb fordern wir Grüne schon lange: Der Bund muss das Baugesetzbuch reformieren und den Kommunen das Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten in vollem Umfang zurückgeben. Es braucht sogar weitere Verbesserungen wie längere Fristen für ie Prüfung des Vorkaufsrechts sowie ein preislimitiertes Verfahren, das Kommunen bei überhöhten Preisen in die Lage versetzt, Kaufpreise zu senken. Es muss wieder möglich sein, potenzielle Verdrängung auf Grundlage stadtentwicklungspolitischer Erwägungen zu verhindern, nicht erst dann, wenn es zu spät ist.

Dies ist und darf aber keine Ausrede für den Senat sein. Es ist umso wichtiger, dass der Senat bei den Fällen, in denen das Vorkaufsrecht genutzt werden kann, die Bezirke auch mit den nötigen finanziellen Mittel für die Ankäufe unterstützt. Dann klappen auch wieder mehr Abwendungsverbeinbarungen.

Für eine soziale Wohnungspolitik mit Handlungsspielraum

Die Berliner Mischung aus bezirklicher Entschlossenheit, zivilgesellschaftlichem Druck und politischem Willen kann wirken, das zeigen Fälle wie die der RichiBrauni, die Weichsel 52 und auch das Tuntenhaus. Nichtsdestotrotz brauchen wir einen grundlegenden Paradigmenwechsel in der Wohnungspolitik. Wir brauchen eine gemeinwohlorientierte Wohnungspolitik, die sich um Wohnen als öffentliche Daseinsvorsorge für die Menschen kümmert und nicht um die maximale Rendite der sogenannten Investoren. Dazu gehören:

  • die Vergesellschaftung größerer Wohnungskonzerne
  • die Schaffung eines Wohnungswirtschaftsgesetzes, das klare Regeln und Anforderungen für das Vermieten von Wohnraum stellt und notfalls Vermieter*innen ausschließt
  • der Ausbau des Anteils landeseigenem und gemeinwohlorientiertem Wohnungsbestands auf mindestens 50%
  • die Heilung und Stärkung des kommunalen Vorkaufsrechts,
  • der Ausbau eines öffentlichen Bodenfonds bzw. den aktiven Ankauf von Boden,
  • die gezielte Förderung von Genossenschaften,
  • eine Ankaufstrategie für Häuser, die bereits umgewandelte Mietwohnungen beinhalten zum Schutz vor Eigenbedarfskündigungen
  • ein Mietendeckel/Mietenstopp vom Bund sowie die Verlängerung des Umwandlungsschutzes von Mietwohnungen (Paragraph 250 BauGB)

Denn Wohnen ist ein Grundrecht, kein Spekulationsobjekt.

Foto: zweischritte.berlin

5 Jahre Einführung des Berliner Mietendeckels

In den letzten Jahren sind die Mieten in Deutschland förmlich explodiert. Laut aktuellen Zahlen sind die Mietpreise bei Neuvermietungen zwischen 2010 und 2022 im Durchschnitt um rund 55 % gestiegen. Dabei ist es vor allem in Berlin zu einem rasanten Anstieg der Angebotsmieten und zu einer drastischen Entkopplung der Einkommensentwicklung gekommen. Menschen müssen teilweise über 40% ihres Einkommens für die Miete ausgeben – viel zum Leben bleibt da nicht.

Parallel zu dieser besorgniserregenden Entwicklung verschwindet das Angebot regulärer und bezahlbarer Wohnungen. Die Zahl geförderter Wohnungen für Menschen mit niedrigem Einkommen sinkt deutschlandweit rapide und es werden immer weitere Schlupflöcher gefunden, um bestehende Gesetze zu umgehen. Im Jahr 2023 wurden in den größten deutschen Städten über 30% der Mietwohnungen als möbliert angeboten – mit Preisen von mehr als 30 Euro pro Quadratmeter. 

Das ist möglich, obwohl die sogenannte Mietpreisbremse seit 2015 gilt, die eine Obergrenze für Mietsteigerungen setzen sollte. Aber sie weist erhebliche Lücken auf: Sie greift nicht bei Modernisierungen, wenn Vormieter*innen bereits zu hohe Mieten gezahlt haben, und auch nicht bei möblierten Wohnungen, Indexmieten oder befristeten Mietverträgen. Und selbst wenn sie greift, erlaubt die Mietpreisbremse Mietsteigerungen von bis zu 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete. Diese Schwächen führen dazu, dass die Mietpreise trotz des Gesetzes immer weiter steigen – insbesondere in den Großstädten. 

Der “Berliner Mietendeckel” 

Um diesen Entwicklungen, die sich damals schon angebahnt hatten, etwas entgegenzusetzen, haben wir im Februar 2020 in Berlin unter der rot-rot-grünen Regierung das “Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin” aka der “Berliner Mietendeckel” eingeführt. Durch dieses Gesetz wurden die Mieten im Grundsatz eingefroren und konnten dann an die Nettokaltmiete, die am 18. Juni 2019 wirksam vereinbart war, angepasst werden. Dieser Stichtag, an dem der Berliner Senat einen Eckpunktebeschluss zum Mietendeckel fasste, wurde gewählt, um mit der Ankündigung des kommenden Gesetzes die zu erwartende Mieterhöhungswelle einzufangen. Im April 2021 wurde das Gesetz vom Bundesverfassungsgericht gekippt, weil Berlin laut Urteil nicht über die entsprechende Kompetenz verfügt hätte, ein solches Gesetz zu erlassen. 

Dennoch war der Berliner Mietendeckel – trotz Umgehungsmöglichkeiten wie “Schattenmieten” – ein wirksames Schutzinstrument, das bis zu 1,5 Millionen Berliner Haushalte entlastet hat. Das Berliner Abgeordnetenhaus hatte mit der Einführung mit diesem Gesetz juristisches Neuland betreten, um die Menschen in unserer Stadt so gut wie möglich vor Verdrängung aus dem eigenen Zuhause zu schützen, aber auch um das Primat der Politik wiederherzustellen. Denn es gibt kein Recht auf Rendite. Wohnungspolitik ist öffentliche Daseinsvorsorge und das Grundrecht auf Wohnen muss durch Rot-Rot-Grün gewährleistet werden. Der Mietenedeckel war also zugleich ein politischer Auftrag, alles zu tun, damit wir eine gemischte, solidarische Stadtgesellschaft bleiben.

Lesson Learnt – Ein Mietendeckel für stark angespannte Gebiete 

Ich bin der Überzeugung, dass der Mietendeckel als wirksames Instrument wieder scharf gestellt werden muss und möchte mich daher auf Bundesebene für seine Wiedereinführung einsetzen. Als Sofortmaßnahme haben wir auf der Bundesdelegiertenkonferenz einen Mietenstopp in angespannten Wohnungsmärkten beschlossen. Denn in Städten wie Berlin, wo die Nachfrage das Angebot weit übersteigt, darf die Miete im Bestand nicht mehr steigen. Für weniger angespannte Märkte soll eine moderate Mieterhöhung möglich sein, während in anderen Gebieten eine Kappungsgrenze für Mietsteigerungen eingeführt wird.

Ein solcher Mietenstopp könnte entweder über eine Länderöffnungsklausel für den Berliner Mietendeckel oder direkt über das Bundesrecht festgelegt werden. Denn der Mietendeckel von 2020 bis 2021 in Berlin hat gezeigt, dass eine solche Maßnahme die Mietbelastung für viele Menschen deutlich reduzieren kann.