PM: Zukunft des „Tuntenhauses“ muss gesichert werden!

Grüne und Linke Fraktionen fordern Senat auf, das Vorkaufsrecht für die Kastanienallee 86 zu unterstützen – Soziokulturelles queeres Wohnprojekt „Tuntenhaus“ muss dauerhaft gesichert werden

Dazu erklären die folgenden grünen und linken Fraktionsmitglieder Katrin Schmidberger (Sprecherin für Wohnen und Mieten), Daniela Billig (Wahlkeisabgeordnete), Sebastian Walter (Sprecher für Queerpolitik), Niklas Schenker (Sprecher für Wohnen und Mieten), Elif Eralp (Vorsitzende Ausschuss Stadtentwicklung, Bauen, Wohnen) sowie Klaus Lederer (Sprecher für Queerpolitik):

Die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und die Fraktion Die Linke fordern in einem Antrag für das nächste Plenum (Donnerstag 21.3.2024) den Senat auf, den Bezirk Pankow dabei zu unterstützen, sein kommunales Vorkaufsrecht für das soziokulturelle, queere Wohnprojekt, auch bekannt als „Tuntenhaus“, in der Kastanienallee 86 auszuüben – zugunsten einer Genossenschaft, einer Stiftung oder eines landeseigenen Wohnungsunternehmens.

Da das Haus einen deutlichen städtebaulichen Missstand im sog. Milieuschutzgebiet aufweist, kann das Vorkaufsrecht gezogen werden. Das heißt aber auch, dass wenn das Vorkaufsrecht nicht gezogen wird, den Bewohner*innen wohl überteuerte Modernisierungen und damit Verdrängung sowie das „Aus“ des Wohnprojekts drohen.

Beim „Tuntenhaus“ handelt es sich um das älteste queere Wohnprojekt in der Stadt (seit 1990). Wer die queere Vielfalt in unserer Stadt fördern und erhalten will, so jedenfalls das Bekenntnis des Regierenden Bürgermeisters bei seinem Amtsantritt, muss das Haus aus der Spekulationsspirale holen und in gemeinwohlorientierte Hand bringen. Nur so können die Bewohner*innen und das Projekt dauerhaft gesichert werden.

Der Bezirk ist stark engagiert und tut bereits alles, was an Vorbereitungen notwendig ist, um das Vorkaufsrecht zu ziehen. Jetzt muss auch der Senat seine Hausaufgaben machen und die notwendigen Gelder – Zuschuss an ein landeseigenes Wohnungsunternehmen oder die Genossenschaftsförderung – zur Verfügung stellen. Die Zeit drängt, denn die Frist für das Vorkaufsrecht läuft bereits Mitte Mai aus. Es kann nicht sein, dass Schwarz-Rot das ohnehin stark eingeschränkte Vorkaufsrecht nicht mehr nutzen will obwohl sie sich dazu im Koalitionsvertrag bekannt haben. Durch seine Verweigerung, finanzielle Mittel bereit zu stellen, droht der Senat das Vorkaufsrecht ganz zu beerdigen. Das wäre eine vertane Chance. Das kann sich der Mieterschutz in Berlin nicht leisten und ist angesichts der neuen erschreckenden Ergebnisse des IBB-Wohnungsmarktberichts unverantwortlich. Die mittlere Angebotsmiete in Pankow liegt bei knapp 15 Euro/qm, wobei das obere Drittel davon bereits bei 25 Euro/qm liegt.

Am besten nicht abreißen! – Gesetz für den Erhalt und Schutz von Wohnraum vor Abriss längst überfällig

Bauen, bauen, bauen und Kooperation mit den privaten Wohnungskonzernen – das war der mietenpolitische Plan von CDU und SPD. Die Strategie ist schon innerhalb der ersten 100 Tage der Schwarz-Roten Koalition zerbröselt: Das Wohnungsbündnis fällt auseinander, Mietregelungen werden nicht eingehalten und auch beim Neubau sind die Partner*innen der Koalition aus der Privatwirtschaft ein Totalausfall! Weniger Baugenehmigungen, weniger Baubeginne, weniger Baufertigstellungen, alles weit unter den Zielen der Koalition und alles schlechter als unter Rot-Grün-Rot. Über 60.000 Wohnungen sind bereits genehmigt, werden aber immer noch nicht gebaut.

Während der Neubau stockt, tut der Abriss dies leider nicht. Zwar darf Abriss nicht ohne Genehmigung erfolgen, aber positive Bescheide für Abriss von intaktem Wohnraum sind noch immer die Regel statt Ausnahme: im Jahr 2021 war das in 91,8% der Fälle so, oft sogar ohne jegliche Auflagen. So werden immer noch jährlich ca. 2000 Wohnungen abgerissen. Nicht nur wird bezahlbarer Wohnraum zerstört, wo doch Angesichts der stetig schrumpfenden Anzahl von Sozialwohnungen jede Wohnung zählt; es ist auch klimapolitisch reiner Irrsinn. Dennoch erlaubt Schwarz-Rot weiter, dass Wohnraum abgerissen werden darf, wenn die Kosten für die Instandhaltung nicht innerhalb von 10 Jahren wieder komplett eingenommen werden können durch die Mieten. Diese Regelung heizt den Abriss von Wohnraum sogar noch an. Das muss aufhören! Hier kann und muss das Land Berlin im Rahmen der Zuständigkeit für das Wohnungswesen endlich handeln.

Zusätzlich ist durch die aktuelle Baukrise und den bereits genannten Bauverzug völlig unklar, wann der abgerissene Wohnraum durch neuen ersetzt wird. Für die alten Mieter*innen ist das aber sowieso völlig irrelevant. Die Mieten in den Häusern, die auf ihrem vertrauten Zuhause gebaut werden, sind für sie sowieso nicht bezahlbar.

Auf Grundlage von Vorschlägen des Berliner Mietervereins haben wir Grünen deshalb das „Am besten nicht Abreißen Gesetz“ eingebracht. Durch Änderungen in der Bauordnung und Änderungen im Zweckentfremdungsverbotsgesetz würde dies den Abriss von Wohnraum deutlich erschweren. Auch die Berliner Architektenkammer hatte bereits klare Vorschriften für ein Abrissmoratorium gefordert. Diesen wollten wir schon Ende 2021 nachkommen und die bestehenden Gesetze verbessern, damals hat es aber die SPD blockiert. Jetzt machen wir hier diesen Vorschlag: https://www.parlament-berlin.de/ados/19/IIIPlen/vorgang/d19-1202.pdf

Wir können uns Abriss aus wohnungspolitischen, wirtschaftlichen wie ökologischen Gründen längst nicht mehr leisten. Aktuell werden immer noch Mieter*innen verdrängt, weil Eigentümer*innen neue Luxusbauten errichten wollen und dazu vorhandenen, oft preisgünstigen Wohnraum abreißen. Damit muss endlich Schluss sein! Denn wenn SPD und CDU schon keinen effektiven Mieter*innenschutz machen, wenn Sie schon keine Wohnungen bauen, dann müssen sie wenigstens aufhören bestehenden Wohnraum zu vernichten.

Wer mehr wissen will kann sich gerne den 36. Runden Tisch Liegenschaftspolitik vom 15.09.2023 angucken. Ab Stunde Eins, Minute Sechs rede ich nochmal ausführlich über die Abrissthematik: https://www.youtube.com/live/Lb-PWdrda4Q?si=i-DCLmHtSPSKKR73&t=3997

Das Beste für Berlin: Vergesellschaftung jetzt!

Die heutige Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen hatte heute das Thema „Abschlussbericht der Expertenkommission zum Volksentscheid „Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen“ und Ausblick auf das „Vergesellschaftungsrahmengesetz“ zum Thema. Dazu habe ich folgendes Statement abgegeben:

Die Diskussion in der Ausschusssitzung heute hat erneut bekräftigt, dass Vergesellschaftung rechtlich machbar und finanzierbar ist. Auch die abgegebenen Sondervoten stünden nach der Vorsitzenden der Expert*innenkommission, Frau Däubler-Gmelin, einem entsprechenden Gesetz nicht im Wege. Die offenen Fragen zur Verhältnismäßigkeit und Entschädigungshöhe müssen aber geklärt werden. 


Statt auf Vergesellschaftung hat die SPD damals auf das Wohnungsbündnis gesetzt. Die vergangenen Wochen haben gezeigt: Das Bündnis ist kläglich gescheitert, die Konsequenzen müssen jetzt gezogen werden. Nach Jahren der sprudelnden Gewinne wollen sich die privaten Wohnungskonzerne nun auf Kosten von Mieter*innen und Steuerzahler*innen ihre Renditen auch in Krisenzeiten garantieren, ganz dem Motto: Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren. Während sie zeitgleich ihre Haupt-Daseinsberechtigung, das Schaffen von Wohnraum, stark oder, wie im Falle von Adler und Vonovia/Deutsche Wohnen, komplett eingestellt haben. Es zeigt sich immer wieder: Freiwillige, intransparente Selbstverpflichtungen können keine echten Gesetze und echten Mieterschutz ersetzen!

Und die Zeit drängt: Wenn 220.000 Berliner Miethaushalte mehr als 40% des Haushaltseinkommens für das Wohnen aufbringen müssen, ist das alarmierend. Weitere 250.000 Haushalte leben mit einer Mietbelastungsquote von 30-40%. Insgesamt sind damit fast ein Drittel der Berliner Mieter*innen mit den Mietkosten tendenziell überlastet. Wer immer noch bezweifelt, dass ein Wohnungsmarkt, der von kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen dominiert wird, deutlich niedrigere Mieten hervorbringt, muss lediglich nach Wien schauen. Rund 62% des Wohnungsbestands in der österreichischen Hauptstadt unterliegen dem Allgemeinwohl, was zu deutlich niedrigeren Mieten und einer höheren Lebensqualität führt. Nicht umsonst wird Wien regelmäßig zur lebenswertesten Stadt der Welt gekürt.

Die Expert*innenkommission sollte die juristische Antwort auf die offenen Fragen zur Vergesellschaftung geben, aber auch jetzt, trotz des positiven Berichts, will der Senat weiterhin verschleppen, statt direkt umsetzen und ein allgemeines Rahmengesetz vor einem Umsetzungsgesetz erarbeiten. Auch die Mitglieder der Expert*innenkommission haben bekräftigt: Ein allgemeines Rahmengesetz ist unnötig, da sich die konkreten und offenen Fragen nur in einem Umsetzungsgesetz (z.B. Verhältnismäßigkeit und Entschädigungshöhe) klären lassen können. Mit einem Rahmengesetz würde sich kein Maßstab für weitere Umsetzungsbereiche und spätere Gesetzgebung setzen lassen, da das spätere Gesetz sich immer durchsetzen würde. Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtes, von gesetzgeberischen Institutionen befragt zu werden, ob erarbeitete Gesetze zulässig sind. Eine Prüfung kann nur von der Opposition beauftragt werden.

Der Abschlussbericht hat zudem ergeben, dass deutlich unter Markt- bzw. Verkehrswert entschädigt werden kann. Es ist eben nicht so, dass das Land Berlin bei einer Vergesellschaftung analog zur Enteignung entschädigen muss – in diesem Fall muss nämlich nach Marktwert entschädigt werden. Daher ist klar: Die damalige Kostenschätzung des Senats über 36 Milliarden Euro ist hinfällig und muss überarbeitet werden.

Das Argument „Vergesellschaftung schafft keine neue Wohnung“, das auch heute vom Senat vorgebracht wurde, ist unterkomplex und folgt zu einem gefährlichen Schwarz-Weiß-Denken, das der aktuellen Debatte nicht weiterhilft. Es geht um die Sicherung des Bestandes zu gleichbleibenden bzw. gesenkten Mieten. Die Kombination aus kaum noch existentem belegungsgebundenem Bestand und der stark fallenden Anzahl von Sozialwohnungen mit den Plänen von Schwarz-Rot, die Ansprüche auf WBS deutlich auszuweiten, bedarf dringend neuer kommunaler Wohnungen. Kein Neubau der Welt kann diesen Bedarf decken, da es bereits heute für jede Sozialwohnung zehn WBS-Berechtigte gibt. Auch die Gefahr, private „Investor*innen“ im Wohnungsbau zu verprellen, ist ebenfalls fadenscheinig, da die dringend gebrauchten Sozialwohnungen fast ausschließlich von den landeseigenen Wohnungsunternehmen (LWU) gebaut werden. Die Anhebung der Fördermittel für unsere LWUs wäre daher die beste Neubaustrategie und nicht Bittsteller der privaten Wohnungsunternehmen zu werden. Diese haben ihre fehlende Verlässlichkeit im Wohnungsbündnis bereits zur Schau gestellt. Für uns Bündnis 90/GRÜNE ist klar, dass nur ein Zusammendenken verschiedener Maßnahmen die aktuelle Dynamik auf dem Wohnungsmarkt eindämmen kann- Vergesellschaftung ist dabei ein wichtiger Baustein. Wir fordern daher die zügige Erarbeitung eines Umsetzungsgesetzes, statt das Vorhaben weiterhin verschleppen zu wollen. Die Mitglieder der Kommission haben sich bereit erklärt, an dem Gesetz weiterzuarbeiten und ihre Expertise zur Verfügung zu stellen.

Wir Grüne werden gemeinsam mit der Initiative weiterhin den Druck auf den Senat erhöhen und uns weiterhin für die Umsetzung des Volksentscheids einsetzen!

Vorkaufsrecht Reloaded?
Wie die Bezirke das Vorkaufsrecht weiterhin nutzen könnten

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit einem Urteil im November 2021 die Anwendung des bezirklichen Vorkaufsrechts deutlich eingeschränkt und erschwert. Gerade für Friedrichshain-Kreuzberg war das ein herber Rückschlag im Kampf gegen Verdrängung und Spekulation. Das Urteil sitzt uns immer noch tief in den Knochen. Denn mit dem Vorkaufsrecht war es den Bezirken möglich, bei anstehenden Verkäufen in sogenannten „sozialen Erhaltungsgebieten“ (Milieuschutzgebieten) das Vorrecht auf den Erwerb von Wohnhäusern zu haben. Alternativ konnten den Mieter*innen – durch sogenannte “Abwendungsvereinbarungen” mit den künftigen Käufer*innen – für 20 Jahre ein besonderer Mieterschutz garantiert werden, z.B. keine Ausnahmen bei der Mietpreisbremse und keiner Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen.

Wir Grüne haben es geschafft, dass Friedrichshain-Kreuzberg  in der Anwendung dieses Instruments bis dahin Spitzenreiterin war und hat in der letzten Legislatur haben wir durch das Vorkaufsrecht über 700 Haushalte vor akuter Verdrängung schützen können. Nachdem das Vorkaufsrecht rechtlich gekippt wurde, stehen viele Häuser, die aktuell und offensichtlich zu Renditezwecken veräußert werden sollen, nun allein da. Hinzu kommen viele Häuser, die bereits über 10 Jahre und länger als Einzeleigentum aufgeteilt sind und es keinen besonderen Kündigungsschutz mehr gibt. Es ist auffällig, wie viele einzelne Wohnungen gerade in Kreuzberg verkauft werden.

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts gilt jedoch nicht für alle Gebäude im Milieuschutzgebiet. Die Bezirke können das Vorkaufsrecht noch immer ausüben, wenn es sich um Wohngebäude handelt, die städtebauliche Missstände aufweisen – also bei sogenannten Problemimmobilien – oder bei Gebäuden, die überwiegend leer stehen. Der Bezirk Neukölln hat nach dem Urteil vom November 2021 den Schritt gewagt, diesen Spielraum zunutzen und will bei zwei Gebäuden – der Weichselstraße 32 und der Hermannstraße 123 – das Vorkaufsrecht im eingeschränkten Sinne anwenden. Bei beiden Gebäuden besteht erheblicher Instandsetzung- und Sanierungsbedarf und die Mieter*innen müssen bei dem anstehenden Verkauf damit rechnen, wegen Mietsteigerungen verdrängt zu werden.

Leider sieht sich der Senat bis jetzt nicht in der Pflicht, diese Häuser vor der anstehenden Bedrohung zu retten und den Bezirk in der Ausübung des einschränkten Vorkaufsrechts zu unterstützen. Die entsprechenden Mittel für die Anwendung des Instruments sind nach Angabe des Senats gebunden, bzw. bereits ausgeschöpft.

Wir Bündnis 90/die GRÜNEN setzen uns dafür ein, dass der Senat die Bezirke in der Ausübung des eingeschränkten Vorkaufsrechts unterstützt – und fordern im Konkreten die Finanzierung für den Erwerb dieser beiden Gebäude. Wir fordern außerdem die Aufstockung des Finanzierungstopfs für den Ankauf weiterer bedrohter Gebäude, um z.B die Mieter*innen der Rigaer Straße 95/96 und Liebigstraße 14 vor Verdrängung zu schützen. Daher haben wir für das kommende Plenum einen Dringlichkeitsantrag eingebracht, der die Bereitstellung der Mittel fordert, die bei den Ankäufen nötig sein wird. In dem Antrag fordern wird auch, dass die Bezirke vom Senat bei möglichen Gerichtsverfahren gegen Käufer*innen unterstützt werden. Denn die Bezirke müssen weiterhin unterstützt werden im Kampf gegen Verdrängung und Spekulation und die Mieter*innen geschützt werden – Haus für Haus.

Demonstration der Mieter*innen der Weichselstraße 32.
© Katrin Schmidberger