Das Bundesverwaltungsgericht hat mit einem Urteil im November 2021 die Anwendung des bezirklichen Vorkaufsrechts deutlich eingeschränkt und erschwert. Gerade für Friedrichshain-Kreuzberg war das ein herber Rückschlag im Kampf gegen Verdrängung und Spekulation. Das Urteil sitzt uns immer noch tief in den Knochen. Denn mit dem Vorkaufsrecht war es den Bezirken möglich, bei anstehenden Verkäufen in sogenannten „sozialen Erhaltungsgebieten“ (Milieuschutzgebieten) das Vorrecht auf den Erwerb von Wohnhäusern zu haben. Alternativ konnten den Mieter*innen – durch sogenannte “Abwendungsvereinbarungen” mit den künftigen Käufer*innen – für 20 Jahre ein besonderer Mieterschutz garantiert werden, z.B. keine Ausnahmen bei der Mietpreisbremse und keiner Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen.
Wir Grüne haben es geschafft, dass Friedrichshain-Kreuzberg in der Anwendung dieses Instruments bis dahin Spitzenreiterin war und hat in der letzten Legislatur haben wir durch das Vorkaufsrecht über 700 Haushalte vor akuter Verdrängung schützen können. Nachdem das Vorkaufsrecht rechtlich gekippt wurde, stehen viele Häuser, die aktuell und offensichtlich zu Renditezwecken veräußert werden sollen, nun allein da. Hinzu kommen viele Häuser, die bereits über 10 Jahre und länger als Einzeleigentum aufgeteilt sind und es keinen besonderen Kündigungsschutz mehr gibt. Es ist auffällig, wie viele einzelne Wohnungen gerade in Kreuzberg verkauft werden.
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts gilt jedoch nicht für alle Gebäude im Milieuschutzgebiet. Die Bezirke können das Vorkaufsrecht noch immer ausüben, wenn es sich um Wohngebäude handelt, die städtebauliche Missstände aufweisen – also bei sogenannten Problemimmobilien – oder bei Gebäuden, die überwiegend leer stehen. Der Bezirk Neukölln hat nach dem Urteil vom November 2021 den Schritt gewagt, diesen Spielraum zunutzen und will bei zwei Gebäuden – der Weichselstraße 32 und der Hermannstraße 123 – das Vorkaufsrecht im eingeschränkten Sinne anwenden. Bei beiden Gebäuden besteht erheblicher Instandsetzung- und Sanierungsbedarf und die Mieter*innen müssen bei dem anstehenden Verkauf damit rechnen, wegen Mietsteigerungen verdrängt zu werden.
Leider sieht sich der Senat bis jetzt nicht in der Pflicht, diese Häuser vor der anstehenden Bedrohung zu retten und den Bezirk in der Ausübung des einschränkten Vorkaufsrechts zu unterstützen. Die entsprechenden Mittel für die Anwendung des Instruments sind nach Angabe des Senats gebunden, bzw. bereits ausgeschöpft.
Wir Bündnis 90/die GRÜNEN setzen uns dafür ein, dass der Senat die Bezirke in der Ausübung des eingeschränkten Vorkaufsrechts unterstützt – und fordern im Konkreten die Finanzierung für den Erwerb dieser beiden Gebäude. Wir fordern außerdem die Aufstockung des Finanzierungstopfs für den Ankauf weiterer bedrohter Gebäude, um z.B die Mieter*innen der Rigaer Straße 95/96 und Liebigstraße 14 vor Verdrängung zu schützen. Daher haben wir für das kommende Plenum einen Dringlichkeitsantrag eingebracht, der die Bereitstellung der Mittel fordert, die bei den Ankäufen nötig sein wird. In dem Antrag fordern wird auch, dass die Bezirke vom Senat bei möglichen Gerichtsverfahren gegen Käufer*innen unterstützt werden. Denn die Bezirke müssen weiterhin unterstützt werden im Kampf gegen Verdrängung und Spekulation und die Mieter*innen geschützt werden – Haus für Haus.