Schlesische 25 – Ein Beispiel für die spekulative GSW-Politik

Bereits zweimal in diesem Jahr wurde das Haus in der Schlesischen Straße 25 von AnwohnerInnen und linken AktivistInnen besetzt. Die als politisches Symbol gedachten Besetzungen, endeten jeweils kurz nach ihrem Beginn mit Räumungen unter massivem Polizeiaufgebot. Wie es dazu kam und warum das ehemals in Bezirkshand befindliche Haus an einen Privatinvestor gelangte, erklärt Katrin Schmidberger.

Zunächst bedarf es eines Rückblicks ins Jahr 1988: Das Abgeordnetenhaus hatte damals beschlossen, die von den damaligen bezirkseigenen Grundstücksämtern verwalteten landeseigenen Wohngrundstücke den städtischen Wohnungsbaugesellschaften zu übertragen. Dahinter stand die Idee, dass eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft geeigneter ist, Wohnraum zielgerichtet und unter sozialen Kriterien an die Bevölkerung zu verteilen als die Ämter der einzelnen Bezirke. Im Fall des heutigen Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg waren dies insgesamt 23 Häuser. Das direkt am Landwehrkanal gelegene Haus in der Schlesischen Straße 25 mit seinen 35 Wohnungen gehörte zu diesen Liegenschaften. Im Jahr 1993 wurde das Haus vom Bezirk an die damals noch landeseigene GSW (Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft) übertragen. Zur Regelung dieses Vorgangs wurde zwischen dem Land und der GSW ein sogenannter Einbringungsvertrag geschlossen, in dem verschiedene Bedingungen vereinbart wurden, die in erster Linie dem Schutz der MieterInnen dienen sollten. Unter anderem wurde festgeschrieben, dass die Häuser, die der GSW übereignet wurden, nicht ohne Zustimmung des Senats verkauft werden durften. Darüber hinaus wurde eine Deckelung der Miethöhe und eine mieter-freundliche Instandsetzung binnen 10 Jahren festgelegt.

Mit der Privatisierung der GSW im Jahr 2004 fingen dann die Probleme: Das bisher landeseigene Unternehmen wurde an eine Investorengruppe um Cerberus European Investments und Whitehall-Fonds der US-Investmentbank Goldman Sachs verkauft. Mit den über 70.000 Wohnungen, die sich zu diesem Zeitpunkt im Besitz der GSW befanden, handelte es sich bei bei dem Verkauf um eine der größten Privatisierungen auf dem deutschen Immobilienmarkt. Der Preis betrug 405 Millionen Euro. Mit dem Verkauf der GSW gab das Land auch seinen vertraglich gesicherten Anspruch auf die Rückübertragung der Häuser auf. Dafür wurden dem Land Berlin 75% des Verkehrswertes der Grundstücke ausgezahlt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte das Abgeordnetenhaus sich die Häuser zurückholen müssen, der Bezirk war dazu leider nicht mehr befähigt. Trotz des Verkaufs der GSW bleiben aber die ursprünglichen Regelungen zum Mieterschutz erhalten. Laut Senat habe sich das Konsortium verpflichtet, die "sozial- und wohnungspolitischen Ziele der GSW fortzuführen".

Im Fall der Schlesischen Straße 25 legte die mittlerweile privatisierte GSW die Vertragsbedingungen jedoch sehr eigenwillig aus. Beginnend mit einer Modernisierungsankündigung im Jahr 2008 verfolgte die GSW eine regelrechte Entmietungsstratgie. Durch latenten Druck auf die MieterInnen und das Angebot von Ersatzwohnungen gelang es ihr die meisten MieterInnen zum Auszug zu bewegen. Heute stehen 33 der 35 Wohnungen in der Schlesischen Straße 25 leer. Dass die mittlerweile an der Börse notierte GSW den Leerstand des Hauses bewusst herbei zu führen versuchte, um es schließlich gewinnbringend an solvente Käufer zu veräußern, scheint dabei offenkundig. Die Schlesische 25 ist leider kein Einzelfall. Auch die 22 anderen, an die GSW übertragenen Häuser sind heute von Entmietung und Neuverkauf betroffen: zwei Häuser (Friedrichstr. 17, Enckestr. 4-4a) sind verkauft, eines (Wilhelmstr. 7) steht fast leer, einige sind instandgesetzt andere nicht. Der gewinnbringende Weiterverkauf scheint im Vordergrund der Bemühungen der GSW zu stehen.

Die neue, stark am Markt orientierte Ausrichtung der GSW kann man nicht nur am Umgang mit den MieterInnen der genannten Häuser beobachten. Als dieses Jahr der neue Mietspiegel veröffentlicht wurde, verkündete das Unternehmen sofort, dass aus ihrer Sicht 15.000 Wohnungen aus ihrem Bestand ein Mieterhöhungspotential von rund 6,8% haben. Zum besseren Verständnis: Seit 2004 fließen die Gewinne an die Investoren: bisher sind es ungefähr 700 Millionen Euro, erzielt u.a. durch den Verkauf von 20.000 Wohneinheiten. Als die GSW im April 2011 sogar noch an die Börse ging, wurde den Investoren dadurch ein Reinprofit von 50 Mio. Euro jährlich versprochen. Bezahlt werden kann dies wahrscheinlich nur von den MieterInnen. Diesem Muster folgend hat die GSW nach eigenen Angaben bisher 10.000 Mieterhöhungsankündigungen verschickt. Nach Bekanntgabe dieser Maßnahme soll, ebenfalls nach Auskunft der GSW, die Unternehmensaktie um 4,3% gestiegen sein.

Die spannendste Frage ist nun: Können sich die MieterInnen der GSW-Wohnungen gegenüber den neuen Eigentümern auf die Mieterschutzklauseln aus den früheren Einbringungsverträgen noch verlassen? Als die GSW an die Börse ging, wurden einige der Mieterschutzklauseln (keine Luxussanierungen, keine Kündigung wegen Eigenbedarf etc.) bestätigt. Dies bedeutet dennoch eine Verschlechterung des Mieterschutzes gegenüber den ursprünglichen Regelungen zwischen dem Bezirksamt Kreuzberg und der GSW. Ein weiteres Ärgernis ist, dass die MieterInnen ihren Rechtsanspruch gar nicht überprüfen können, weil der Privatisierungsvertrag der GSW geheim gehalten wird. Deshalb muss der Senat endlich Gewissheit schaffen und falls damals Fehler gemacht wurden, diese auch klar benennen. Vereinbarungen, die zum Schutz der MieterInnen getroffen wurden, müssen eingehalten und gegen die Interessen der nun privatwirtschaftlich agierenden GSW verteidigt werden.