Änderung der Bauordnung: erste Novelle soll Immobilienspekulation erschweren

In der Koalitionsvereinbarung hatten wir Änderungen bei der Berliner Bauordnung erkämpft, die jetzt teilweise in eine erste Novelle eingeflossen und seit April in Kraft in Kraft sind. Im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag haben wir zur Bauordnung folgendes vereinbart:

Mit der beschlossenen und in Kraft getretenen Änderung der Bauordnung wird der Abriss von Wohnraum endlich wieder genehmigungspflichtig nachdem Rot-Rot 2006 lediglich eine Anzeigepflicht eingeführt hatte. In der Folge konnten Bezirke gegen den Abriss häufig nichts unternehmen. Die Anzeigepflicht bot keinerlei Schutz für bestehenden Wohnraum und hat oft sogar das Gegenteil bewirkt – zu Lasten der Mieterstadt Berlin.  Denn aus Investorensicht ist immer öfter der Abriss bestehender Gebäude und ein anschließender Neubau im hochpreisigen Eigentumssegment attraktiver, als bestehenden Wohnraum zu nutzen. Ergänzend wurde im ebenfalls überarbeiteten Zweckentfremdungsverbots-Gesetz (tritt am 1. Mai in Kraft) festgelegt, das die Schaffung vom vorgeschriebenen Ersatzwohnraum zukünftig nur noch dann anerkennt wird, wenn dieser im gleichen Bezirk und mit vergleichbaren Mietpreisen geschaffen wird. Um Altbauten vor Abriss zu schützen, soll der vorgeschriebene Ersatzbau auch nur unter der Voraussetzung der Beibehaltung des Maßes der baulichen Nutzung erlaubt sein. Wird ein beantragter Ersatzwohnraum anerkannt, wird der Abriss aber erst genehmigt, sobald eine Baugenehmigung für das Gebäude mit Ersatzwohnraum vorliegt. Das sind die beiden entscheidenden Instrumente, um den Abriss von bestehendem Mietwohnraum einigermaßen zu verhindern, auch wenn dies nicht in jedem Fall gelingen wird.

Außerdem verkürzen wir mit der beschlossenen Änderung der Bauordnung die Geltungsdauer von Baugenehmigungen und Bauvorbescheiden, denn viele Flächen liegen in Berlin auch Brach obwohl Baurecht besteht, weil einige Investoren lieber damit spekulieren statt ihre Bauvorhaben zu realisieren. Seit 2016 wurden 119.000 Baugengehmigungen in Berlin ausgesprochen, allerdings wurden nur 65.000 Bauvorhaben realisiert. Zukünftig soll die Geltungsdauer der Baugenehmigung deshalb statt drei nur zwei Jahre betragen sowie die Frist zur Fertigstellung genehmigter Bauvorhaben von sieben auf sechs Jahre reduziert werden.

Und last but not least: wir weisen in der Bauordnung darauf hin, dass ökologische Baustoffe und Teile verwendet werden, die weitestgehend nach dem Abbruch wiederverwendet oder recycelt werden können. Damit wollen wir den Baustoff Holz besonders voranbringen, der schon erfolgreich für den Geschosswohnungsbau eingesetzt wird – leider noch zu selten in Berlin. Dabei bietet gerade der Holzbau große Chancen für den günstigen Neubau von Mietwohnungen.

Übrigens: In der 2. Jahreshälfte werden wir eine weitere Novelle erarbeiten. Diese soll sich dann mit dem Schwerpunkt Ökologie und Nachhaltigkeit beschäftigen und die Abstandsflächen wieder erweitern.

Die beschlossenen Änderungen zur Berliner Bauordnung sind hier zu finden. Im Vorfeld gab es im Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen ein Anhörung mit Experten zur Bauordnung, das Wortprotokoll gibt es hier.

CDU, FDP und AfD wollen Holm als ehrenamtlichen Berater Berufsverbot erteilen – und scheitern

CDU, FDP und AfD sind gescheitert: sie hatten jeweils gefordert, dass Andrej Holm nicht länger ehrenamtlicher Berater im „Begleitkreis zum Stadtentwicklungsplan Wohnen 2030“ der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sein dürfe. Gemeinsam mit SPD und Linke haben wir die Anträge abgelehnt – meinen Redebeitrag dazu gibt es hier:

(Quelle des Videos: rbb)

Für einen stadtverträglichen und nachhaltigen Tourismus – Antrag eingebracht

Die Entwicklung der letzten Jahre im Bereich des Städtetourismus stellen Berlin und insbesondere die beliebten innerstädtischen Kieze vor neue Herausforderungen und Probleme. Viel zu lange wurden diese Entwicklungen jedoch ignoriert und stattdessen auf immer neue Besucherrekorde gesetzt. Seit Jahren fordern wir von Grüner Seite aus ein Umsteuern. Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag verabredet, die Tourismuspolitik in Berlin neu und stadtverträglich aufzustellen. Es braucht nicht weniger als eine umfassende qualitative und sozial-ökologische Neuausrichtung des Stadttourismus.

In diesem Sinne wird derzeit ein neues Tourismuskonzept für einen stadtverträglichen und nachhaltigen Tourismus durch die zuständige Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe erarbeitet. Begleitend bringen wir gemeinsam mit unseren Koalitionspartnern einen Antrag ins Abgeordnetenhaus ein, der wichtige Ziele für einen stadtverträglichen und nachhaltigen Tourismus formuliert.

Ein Punkt, für den wir uns dabei besonders stark gemacht haben, ist die Einführung eines Bürger*innenbeirats. Dieser soll eine stärkere und kontinuierliche Beteiligung der Bevölkerung rund um das Thema Tourismus ermöglichen – auch um gemeinsam kooperative und stadtverträgliche Lösungen für bestehende Probleme in den Kiezen zu finden. Durch die Etablierung eines solchen Beirats soll die Zusammenarbeit mit der Stadtgesellschaft weiter verstärkt werden. Auch der Runde Tisch Tourismus soll in diesem Sinne zukünftig für weitere Akteure geöffnet werden.

Endlich auf den Weg gebracht wird auch die Erstellung eines stadtweiten Hotelentwicklungsplans. Mit ihm soll zukünftig die Ansiedlung neuer Beherbergungsbetriebe stadt- und kiezverträglich gesteuert werden.

Ebenso formulieren wir in dem Antrag das Ziel, dass zukünftig die Bezirke stärker von den Mitteln zur Förderung des Tourismus profitieren sollen – u.a. um aktuellen Entwicklungen und Problemen gezielt mit Projekten bzw. Maßnahmen begegnen können. Unterstützend hierfür soll zukünftig in den Bezirken die Stelle einer/s Tourismusbeauftragten geschaffen werden.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Thema „Saubere Stadt“. Insbesondere die touristisch stark beanspruchten Bezirke sollen hier mehr unterstützt werden. Gleichzeitig schreiben wir fest: die Einstufung in höhere Reinigungsklassen der BSR darf in diesem Zusammenhang zukünftig nicht mehr zulasten von Mietern und Mieterinnen und Anwohnern und Anwohnerinnen gehen.

Im Bereich des Wassertourismus sollen Maßnahmen zur Steigerung der Umweltverträglichkeit ergriffen werden – etwa die Umrüstung auf Dieselrußfilter bei Ausflugsschiffen.

Nicht zuletzt soll auch eine Neuausrichtung des touristischen Marketings Berlins durch visit.Berlin im Sinne eines stadtverträglichen und nachhaltigen Tourismus erfolgen.

Der komplette Antrag kann hier abgerufen werden. Er wird am kommenden Donnerstag im Plenum des Abgeordnetenhauses eingebracht.

Tourismus in Berlin: es muss umgedacht werden

Seit Jahren machen wir Grüne uns für eine andere Tourismuspolitik in der Stadt stark. Ende Februar kündigte die Grüne Wirtschaftssenatorin Ramona Pop ein neues Konzept für einen stadtverträglichen und nachhaltigen Tourismus an – ein Umdenken in diesem Bereich ist längst überfällig.

Ein paar Wochen zuvor veröffentlichte Kopenhagen seine neue Tourismus- und Standortstrategie mit dem Titel „Das Ende des Tourismus wie wir ihn kennen“ („The End Of Tourism As We Know It“). Zwar sind beide Städte im Tourismusbereich nicht vergleichbar, dennoch liefert Kopenhagen mit seiner neuen Strategie einige interessante Ansatzpunkte, die durchaus auch für Berlin von Relevanz sind. Das trifft insbesondere auf die Feststellung zu, dass die Erwartungen der Besucher*innen sich wandeln und damit der Städtetourismus sein Profil entscheidend geändert hat. Städtische Räume und Ressourcen werden von Tourist*innen und Einheimischen zunehmend ähnlich genutzt. Die Grenzen zwischen touristischer und nicht-touristischer Aktivität verschwimmen immer mehr. Städtetourist*innen wollen in das Alltagsleben eintauchen, für einen temporären Zeitraum Teil der Nachbarschaft sein. Sie suchen das Authentische und nicht das perfekte Postkartenmotiv. Gerade in Berlin ist das seit Jahren zu beobachten. Neben den klassischen Tourist*innenattraktionen rücken immer mehr die Kieze in den Fokus. Längst ist der Tourismus dadurch zu einem raumprägendem Faktor und alltäglichem Phänomen in vielen Stadtteilen geworden.

Kombiniert mit einer veränderten innerstädtischen Nachfrage stellt das die Stadt vor neue Herausforderungen. Insbesondere im Nachtleben ziehen die Hotspots in Kreuzberg, Neukölln oder Friedrichshain immer mehr Berliner*innen aus der ganzen Stadt an, die sich mit den Tourist*innen mischen. Immer häufiger klagen Anwohner*innen über eine zunehmende Ballermannisierung. Dabei geht es nicht nur um klassische Verträglichkeitsprobleme, wie zunehmende Lärm- und Müllbelästigung. Auch die gewachsenen lokalen Strukturen verändern sich und mit ihnen die Lebenswelten der Kieze. Mietwohnungen werden als Ferienwohnungen zweckentfremdet, die oft bunt gemischte Einzelhandelsstruktur geht verloren. Das gewerbliche Angebot richtet sich zunehmend an die Bedürfnisse der wachsenden Besucher*innen und nicht mehr an die der Bewohner*innen. Das führt bereits seit Jahren zu einem zunehmenden Akzeptanzverlust bei der Bevölkerung in den stark beanspruchten Innenstadtbezirken. Eine Umfrage zeigt: etwa ein Drittel der Bewohner*innen fühlt sich durch Tourist*innen gestört.

Nachdem der Senat sich in den letzten Legislaturperioden vornehmlich den nächsten Besucherrekord vor Augen hatte, haben wir Grüne jetzt erreicht, dass die neue Landesregierung neue Schwerpunkte setzen wird. Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass das Tourismuskonzept hinsichtlich eines langfristig stadtverträglichen und nachhaltigen Tourismus neu aufgestellt und mit einem zielorientierten Maßnahmenplan unterlegt wird. Dieser soll insbesondere die Vielfalt in den Kiezen erhalten und für einen Interessensausgleich zwischen den Anwohner*innen, Gewerbetreibenden und Besucher*innen sorgen. Besonders stark touristisch beanspruchte Bezirke sollen mehr unterstützt werden, insbesondere bei den Themen öffentlicher Raum und Infrastruktur. Ebenso stehen Fragen des Reisebusverkehrs sowie die von Grüner Seite seit Jahren geforderte Aufstellung eines Hotelentwicklungsplanes im Fokus.

Ein neues Konzept für einen stadtverträglichen und nachhaltigen Tourismus in Berlin muss diese Punkte vereinen. Herkömmliche touristische Steuerungsinstrumente – wie klassische Leitsysteme – funktionieren nur noch begrenzt. Umso wichtiger ist es, einen ressortübergreifenden Ansatz zu entwickeln, wie mit dem innerstädtischen Massentourismus umgegangen werden soll. Anstatt Tourist*innen dabei isoliert zu betrachten, sollten sie gemeinsam mit den Berliner*innen als Stadtnutzer*innen in den Blick genommen werden. Gemeinsam mit den Bezirken, den Bürger*innen, den Gewerbetreibenden und der Wissenschaft sollten in einem ersten Schritt zu erfüllende Ansprüche und Eckpfeiler erstellt werden, ein entsprechend breit aufgestellter Beirat die Erarbeitung eines neuen Konzeptes begleiten. Vor Beschlussfassung sollte eine breite Debatte in der Stadtgesellschaft erfolgen. Das kostet zwar Zeit, bietet aber auch die Chance, verlorene Akzeptanz wiederherzustellen.

Einem neuen Konzept müssen Sofortmaßnahmen vorangehen, die die drängendsten Probleme in den stark beanspruchten Bezirken anpacken. Dazu gehört z.B. mehr Geld für häufigere Straßenreinigungen – die nicht auf die Anwohner*innen umgelegt werden dürfen – oder mehr öffentliche und kostenfreie Toiletten. Aus einem Teil der Einnahmen aus der City-Tax könnte ein Aktionsfonds gebildet werden, auf den die Bezirke zurückgreifen können. Ebenso ist stadtentwicklungspolitische Steuerung immer neuer Hotels und Hostels ein Punkt, der zeitnah umgesetzt werden kann und dringend muss.

Der Text erschien Anfang Mai 2017 im Friedrichshain-Kreuzberger Stachel der Grünen.