Zwischen Vertrauen und Verdrängung – Der Fall Stölpchenweg 41 und die Verantwortung des Landes Berlin

Der Fall wirkt auf den ersten Blick unscheinbar: Ein kleines Zweifamilienhaus im Stölpchenweg 41 in Wannsee soll verkauft werden. Doch hinter dieser Adresse verbirgt sich eine Geschichte, die exemplarisch für die Versäumnisse und die soziale Verantwortungslosigkeit des schwarz-roten Senats in der Mieten- und Wohnungspolitik steht – und ein Ehepaar, das nach Jahrzehnten in seiner Wohnung nun vor der Verdrängung steht.

Seit fast 40 Jahren wohnen Herr und Frau Möller in diesem Haus, beide sind inzwischen im Ruhestand. Herr Möller war früher Angestellter bei den Berliner Forsten, hat also für das Land Berlin gearbeitet – und wurde damals sogar von diesem gefragt, ob er nicht in den Stölpchenweg 41 ziehen möchte.

Für die Immobilie zuständig ist die landeseigene BIM (Berliner Immobilienmanagement GmbH). Trotz mehrfacher Versuche der Möllers, eine rechtliche Absicherung gegen Eigenbedarfskündigungen im Mietvertrag zu verankern oder sich auf eine Mieterhöhung, die die Möllers von sich aus anboten, zu einigen, blieb jede Initiative ohne Antwort. Die Möllers zeigten sich sogar bereit, auszuziehen – sofern ihnen ein zumutbarer Ersatzwohnraum angeboten würde. Auch dazu kam es nie.

Stattdessen verbreitete die BIM Gerüchte, dass eine Einigung mit den Mieter*innen nicht möglich sei – eine Darstellung, die mit dem tatsächlichen Verlauf der Gespräche nicht übereinstimmt und die Mieter in ein schlechtes Licht rückt. Eine klassische Nebelkerze, die offenbar nur dazu dient, vom eigenen Verwaltungsversagen abzulenken.

Ein Rückblick auf das Versagen

Die Verantwortung für die Unwirtschaftlichkeit des Hauses liegt nicht bei den Mieter*innen – sie liegt beim Land Berlin selbst, das es jahrzehntelang versäumt hat, wirtschaftlich oder strukturell auf die Immobilie einzuwirken. Dass nun ausgerechnet das Vertrauen der Mieter in den Staat zu ihrer Schwäche wird, ist tragisch und zutiefst beschämend.

Doch anstatt Verantwortung zu übernehmen, rät der Finanzsenator den Mietern lapidar, das Haus doch einfach selbst zu kaufen. Diese Aussage ist nicht nur weltfremd – sie ist zynisch. Wie soll ein Ehepaar im Ruhestand, ohne großes Vermögen, einen solchen Kredit stemmen? Das ist kein sozialpolitisches Handeln – das ist Realitätsverweigerung.

Verantwortung übernehmen – jetzt!

Erst durch politischen Druck, unter anderem von uns Grünen, ist Bewegung in den Fall gekommen. Mittlerweile gibt es Gespräche zwischen BIM, dem Berliner Mieterverein und den Mieter*innen. Die Möllers haben sich sogar bereit erklärt, einer Verdopplung der Kaltmiete zuzustimmen – ein beispielloses Entgegenkommen.

Nun ist der Senat gefragt. Der Schutz von Mietern darf nicht enden, nur weil es sich um einen „Einzelfall“ handelt. Gerade in solchen Fällen ist ein sozial verantwortungsbewusstes Handeln notwendig. Der Staat darf nicht als Miethai agieren, der seine eigenen Bürger verdrängt – besonders nicht, wenn diese jahrzehntelang loyal für die öffentliche Hand gearbeitet haben.

Ein Appell an Fairness und Menschlichkeit

Der Fall Möller ist kein gewöhnlicher Mietkonflikt – er ist ein Testfall für die soziale Glaubwürdigkeit des Senates. Wenn selbst das Land keine besseren Maßstäbe an sich legt als private Immobilienhaie, wer schützt dann noch die Mieter*innen in unserer Stadt?

Der Senat muss diesen Verkauf stoppen und eine faire, soziale Lösung finden. Es ist nicht nur eine Frage des politischen Anstands – es ist eine Frage der Gerechtigkeit. Herr und Frau Möller verdienen mehr als leere Versprechen und kalte Verwaltung. Sie verdienen Respekt, Sicherheit – und ihr Zuhause.

5 Jahre Einführung des Berliner Mietendeckels

In den letzten Jahren sind die Mieten in Deutschland förmlich explodiert. Laut aktuellen Zahlen sind die Mietpreise bei Neuvermietungen zwischen 2010 und 2022 im Durchschnitt um rund 55 % gestiegen. Dabei ist es vor allem in Berlin zu einem rasanten Anstieg der Angebotsmieten und zu einer drastischen Entkopplung der Einkommensentwicklung gekommen. Menschen müssen teilweise über 40% ihres Einkommens für die Miete ausgeben – viel zum Leben bleibt da nicht.

Parallel zu dieser besorgniserregenden Entwicklung verschwindet das Angebot regulärer und bezahlbarer Wohnungen. Die Zahl geförderter Wohnungen für Menschen mit niedrigem Einkommen sinkt deutschlandweit rapide und es werden immer weitere Schlupflöcher gefunden, um bestehende Gesetze zu umgehen. Im Jahr 2023 wurden in den größten deutschen Städten über 30% der Mietwohnungen als möbliert angeboten – mit Preisen von mehr als 30 Euro pro Quadratmeter. 

Das ist möglich, obwohl die sogenannte Mietpreisbremse seit 2015 gilt, die eine Obergrenze für Mietsteigerungen setzen sollte. Aber sie weist erhebliche Lücken auf: Sie greift nicht bei Modernisierungen, wenn Vormieter*innen bereits zu hohe Mieten gezahlt haben, und auch nicht bei möblierten Wohnungen, Indexmieten oder befristeten Mietverträgen. Und selbst wenn sie greift, erlaubt die Mietpreisbremse Mietsteigerungen von bis zu 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete. Diese Schwächen führen dazu, dass die Mietpreise trotz des Gesetzes immer weiter steigen – insbesondere in den Großstädten. 

Der “Berliner Mietendeckel” 

Um diesen Entwicklungen, die sich damals schon angebahnt hatten, etwas entgegenzusetzen, haben wir im Februar 2020 in Berlin unter der rot-rot-grünen Regierung das “Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin” aka der “Berliner Mietendeckel” eingeführt. Durch dieses Gesetz wurden die Mieten im Grundsatz eingefroren und konnten dann an die Nettokaltmiete, die am 18. Juni 2019 wirksam vereinbart war, angepasst werden. Dieser Stichtag, an dem der Berliner Senat einen Eckpunktebeschluss zum Mietendeckel fasste, wurde gewählt, um mit der Ankündigung des kommenden Gesetzes die zu erwartende Mieterhöhungswelle einzufangen. Im April 2021 wurde das Gesetz vom Bundesverfassungsgericht gekippt, weil Berlin laut Urteil nicht über die entsprechende Kompetenz verfügt hätte, ein solches Gesetz zu erlassen. 

Dennoch war der Berliner Mietendeckel – trotz Umgehungsmöglichkeiten wie “Schattenmieten” – ein wirksames Schutzinstrument, das bis zu 1,5 Millionen Berliner Haushalte entlastet hat. Das Berliner Abgeordnetenhaus hatte mit der Einführung mit diesem Gesetz juristisches Neuland betreten, um die Menschen in unserer Stadt so gut wie möglich vor Verdrängung aus dem eigenen Zuhause zu schützen, aber auch um das Primat der Politik wiederherzustellen. Denn es gibt kein Recht auf Rendite. Wohnungspolitik ist öffentliche Daseinsvorsorge und das Grundrecht auf Wohnen muss durch Rot-Rot-Grün gewährleistet werden. Der Mietenedeckel war also zugleich ein politischer Auftrag, alles zu tun, damit wir eine gemischte, solidarische Stadtgesellschaft bleiben.

Lesson Learnt – Ein Mietendeckel für stark angespannte Gebiete 

Ich bin der Überzeugung, dass der Mietendeckel als wirksames Instrument wieder scharf gestellt werden muss und möchte mich daher auf Bundesebene für seine Wiedereinführung einsetzen. Als Sofortmaßnahme haben wir auf der Bundesdelegiertenkonferenz einen Mietenstopp in angespannten Wohnungsmärkten beschlossen. Denn in Städten wie Berlin, wo die Nachfrage das Angebot weit übersteigt, darf die Miete im Bestand nicht mehr steigen. Für weniger angespannte Märkte soll eine moderate Mieterhöhung möglich sein, während in anderen Gebieten eine Kappungsgrenze für Mietsteigerungen eingeführt wird.

Ein solcher Mietenstopp könnte entweder über eine Länderöffnungsklausel für den Berliner Mietendeckel oder direkt über das Bundesrecht festgelegt werden. Denn der Mietendeckel von 2020 bis 2021 in Berlin hat gezeigt, dass eine solche Maßnahme die Mietbelastung für viele Menschen deutlich reduzieren kann.

Wohnungsnot durch Eigenbedarf und Umwandlung – Senat muss handeln

Die Bezirksämter Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte, Neukölln und Pankow haben ein gemeinsames Projekt mit dem Berliner Mieterverein gegen Wohnungsnot durch Eigenbedarf und Umwandlung gestartet. Dazu habe ich folgende Stellungnahme veröffentlicht:

“Eigenbedarfskündigungen sind ein soziales Pulverfass, das explodieren wird, wenn Bund und Senat nicht handeln. Umwandlungen als Geschäftsmodell waren ein großer Verdrängungsmotor in Berlin. Das darf sich nicht wiederholen, die nächste Bundesregierung muss die Umwandlungsbremse dringend verlängern. Aber auch der Senat hätte längst handeln müssen. In Berlin übernehmen jetzt die Bezirke die Verantwortung. Eine gemeinsame Strategie gegen die Verdrängung aus den Kiezen durch Eigenbedarfskündigungen ist dringend notwendig. Gerade in den betroffenen Bezirken ist die Zahl der aufgeteilten Wohnungen hoch und in den kommenden Jahren fallen immer mehr umgewandelte oder als Eigentum geförderte Sozialwohnungen aus den Mietpreisbindungen. Hinzu kommt, dass viele Mieter*innen oft nicht wissen, dass sie in einer umgewandelten Wohnung wohnen oder der zehnjährige Kündigungsschutz längst ausgelaufen ist.

Eigenbedarf muss Ausnahme sein und darf nicht weiter als Grund für mehr Rendite geltend gemacht werden. Wir Grüne fordern Transparenz vom Senat durch ein öffentlich einsehbares Umwandlungsregister, damit Mieter*innen wissen, ob sie von Eigenbedarfskündigungen bedroht sind. Vorgetäuschter Eigenbedarf muss endlich geahndet werden sowie die Einschränkung des Berechtigtenkreises und eine frühzeitige Interessensabwägung, ob eine Eigenbedarfskündigung überhaupt rechtens ist. Die Härtefallregelung muss angepasst werden, denn es kann nicht sein, dass gerade älteren Menschen ohne Ersatzwohnraum einfach so gekündigt werden kann und sie ihr Zuhause verlieren. Wir fordern vom Bund, dass die Umwandlungsbremse entfristet wird und die Kündigungssperrfrist deutlich verlängert wird.”

Am 10.2.2025 findet zwischen 18.00 und 21.00 Uhr außerdem der Auftakt der Kampagne „Wohnungs­not durch Umwand­lung und Eigen­bedarfs­kündi­­­­gungen stoppen!“ statt. Weitere Informationen findet ihr hier:
https://www.baustelle-gemeinwohl.de/veranstaltung/start-wohnungsnot-durch-umwandlung-und-eigenbedarfskundigungen-stoppen/