WIR GEHEN NICHT MACHTLOS IN DIE KRISE!
SOZIALE HÄRTEN ABFEDERN. FÜR EIN ÖKOSOZIALES
BERLIN.

Autor*innen: Silke Gebel, Werner Graf, Taylan Kurt, Katrin Schmidberger und Dr. Stefan Taschner

Die enorme Inflation und die rasant steigenden Energiekosten bringen viele Berliner*innen in existenzielle Nöte. Auch die öffentlichen Haushalte sind davon enorm betroffen. Und eine rasche Besserung ist kaum in Sicht – im Gegenteil: Dass die früheren Preise zurückkommen, ist mehr als unwahrscheinlich, und sowohl der bevorstehende Winter als auch Maßnahmen wie die Gasumlage lassen vermuten, dass der Preisanstieg weiter voran geht. Die Politik ist jetzt gefordert, umsichtige Maßnahmen einzuleiten, die den Menschen akut und schnell, aber auch langfristig helfen. Denn nur über einen Winter zu kommen, wird nicht reichen.

Deshalb verschreiben wir uns einem Dreiklang in der Politik für die Berliner*innen:

  1. Sozialökologische Lücken schließen, die der Bund offen lässt
  2. Geringverdiener*innen bei den Kosten der Krise unterstützen und soziale
    Härten abfedern
  3. Solidarisch durch die Krise – die Berliner*innen bei der sozialökologischen Wende unterstützen

Als Land Berlin bereiten wir uns auf die aktuelle Krise vor und haben mit einer Rücklage von 380
Millionen Euro im Doppelhaushalt 2022/2023 Vorsorge für steigende Energiekosten getroffen. Unser
erstes Ziel ist, dass Schulen, Kitas, Feuerwehr und Polizei sowie die sozialen Träger über den Winter
arbeiten können und nicht aufgrund von Kälte geschlossen werden müssen. Gleichzeitig wollen wir
die Berliner*innen mit geringen Einkommen unterstützen, für die Preissteigerungen eine besondere
Härte darstellen.

Inwieweit die bestehende Rücklage ausreicht oder bei weiteren Bedarfen durch Kreditaufnahme
erhöht werden muss, ist aktuell noch ungewiss und hängt vor allem von der
Verantwortungsübernahme und den haushalterischen Entscheidungen des Bundes zur Notlage ab.

Dabei sind die Möglichkeiten der Länder und Kommunen, also auch Berlins, aufgrund ihrer
schwierigen finanziellen Lage begrenzt und dürften nicht zu einer generellen Haushaltsschieflage
führen.

Diese konkreten Maßnahmen folgen für uns auf den oben beschriebenen Dreiklang:

1. Sozialökologische Lücken schließen, die der Bund lässt

Schon in der Corona-Pandemie hat Berlin bewiesen, dass die Stadt schnell, unbürokratisch und
zielgenau die Menschen unterstützen konnte, die vom Bund nur unzureichend adressiert wurden.
Dabei gilt für uns weiter: „Bund vor Land“. Zunächst steht der Bund in der Pflicht und es muss klar
sein, wie er die Bürger*innen entlastet, erst dann kann das Land weitere, zusätzliche Maßnahmen auf den Weg bringen, um die vorhandenen Lücken zu schließen. Wir setzen uns dabei beim Bund ein, dass er alle Menschen im Transferbezug sowie mit niedrigen und auch mittleren Einkommen gezielt unterstützt und umfassend entlastet.

• Eine armutsfeste Grundsicherung, von der alle leben können
Laut Berechnungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes liegt eine menschenrechtskonforme Grundsicherung bei 678 Euro/Monat. Die Bundesregierung bereitet derzeit die Einführung des Bürgerinnengeldes vor. Wir erwarten, dass der neue Regelsatz des Bürger*innengeldes in seiner Höhe
deutlich über dem jetzigen Satz liegt und armutsfest ausgestaltet wird.

• Übergewinnsteuer einführen
Während viele Menschen unter den steigenden Energiepreisen leiden, verdienen Mineralöl- und
Energiekonzerne massiv daran. Wir haben daher im Bundesrat den Antrag zur Einführung einer
Übergewinnsteuer unterstützt und werden im Bund auch weiter Druck machen, den Beispielen vieler
europäischer Länder wie Spanien und Belgien zu folgen. Mit den Einnahmen aus der Steuer könnten
bspw. Entlastungsmaßnahmen finanziert werden. Um diese Ungerechtigkeit auszugleichen, wollen wir
die an der Berliner Energieversorgung beteiligten Energieunternehmen (wie zum Beispiel Vattenfall
und GASAG) finanziell an einem Berliner Härtefallfonds beteiligen.

• Aus 9 wird 29: Bezahlbare Mobilität für alle
Bezahlbare Mobilität gehört für uns zur Grundversorgung. Gerade in Zeiten steigender Energiepreise
brauchen wir eine Nachfolgeregelung für das 9-Euro-Ticket und fordern deshalb ein 29/49-Euro-
Ticket – 29 Euro pro Monat regional, 49 Euro für ganz Deutschland. Wir erwarten, dass der Bund die
Finanzierung hierfür bereitstellt und wir haben bereits Vorschläge zur Gegenfinanzierung gemacht
(z.B. Abschaffung des Dienstwagenprivilegs). Sollte der Bund nur einen Anteil der Kosten übernehmen,
sind wir auch als Berlin bereit, unseren Teil beizutragen. Falls eine Nachfolgeregelung durch den
Bund nicht erfolgt, wollen wir dennoch die Mobilität für alle in Berlin sicherstellen: Für diesen Fall
prüfen wir die Ausweitung des Berlin-Tickets S („Sozialticket“) auf alle Menschen, die in Berlin
Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein (WBS) haben.

• Gaspreisdeckel für die Grundversorgung
Die zusätzlichen finanziellen Belastungen wird der Staat nicht für alle Personen auffangen können.
Deshalb muss für die Grundversorgung ein Gaspreisdeckel auf Bundesebene eingeführt werden. Der
über den Grundverbrauch hinausgehende Verbrauch muss progressiv im Preis steigen.

• Ein Kündigungs- und Mieterhöhungsmoratorium für alle Mieter*innen
Wir fordern vom Bund die gesetzliche Möglichkeit, ein Mieterhöhungsmoratorium für ein Jahr auszusprechen bzw. Mieterhöhungsmöglichkeiten für die Nettokaltmiete selbst bundesgesetzlich auszuschließen. Zudem sollten Indexmieten gekappt werden.

• Wohngeld und BaFöG erhöhen und um eine Klimakomponente ergänzen
Das derzeitige Wohngeld deckt nicht immer die tatsächlichen Wohnkosten ab. Wir fordern, dass der Heizkostenanteil im Wohngeld nicht pauschal, sondern gestaffelt berechnet wird. Zudem muss der Berechtigtenkreis – zumindest temporär – deutlich erweitert werden, um mehr Menschen Unterstützung anzubieten, die derzeit aus allen Sicherheitsnetzen fallen bzw. bisher zu wenig unterstützt wurden.

• Ein Moratorium für Strom- und Gassperren
Energiesperren sind wie kalte Wohnungsräumungen: Ohne Haushaltsgeräte wie Kühlschrank oder Herd wird der Alltag unmöglich. Betroffene Personen kaufen in der Folge keine gesunden Lebensmittel ein, frieren und sitzen im Dunkeln. 14.000 Berliner*innen wurde im vergangenen Jahr
Strom oder Gas gesperrt. Diese Zahl wird aufgrund der steigenden Kosten weiter anwachsen. Wir
brauchen daher für Berliner*innen mit Energieschulden ein Moratorium für Strom- und Gassperren. Das muss auf Bundesebene vereinbart werden. Mit den Berliner Grundversorgern Vattenfall und GASAG wollen wir eine Vereinbarung treffen, von Energiesperren im nächsten Winter abzusehen, um so besonders schutzbedürftige Personen, wie z. B. Kinder und Jugendliche, Senior*innen und schwer
Kranke vor Energiesperren zu schützen.

2. Geringverdiener*innen bei den Kosten der Krise unterstützen und soziale Härten abfedern

In Berlin gehören ungefähr 1,2 Millionen Menschen zu den sogenannten Geringverdiener*innen und
über eine halbe Million Menschen beziehen Leistungen der sozialen Mindestsicherung. Unser Ziel ist
die finanzielle Unterstützung vor allem der am härtesten von dieser Situation betroffenen Menschen.
Wir fokussieren unsere Hilfsmaßnahmen deshalb auf die Menschen, die besonders tief in die Tasche
greifen müssen: Alleinerziehende, Rentner*innen, Geringverdiener*innen und Menschen im
Transferleistungsbezug, wo der Bund die Leistungen noch unzureichend erhöht hat. Dabei gilt es, die
Grundversorgung abzusichern. Wir wollen, dass niemand seine Wohnung verliert oder ohne
Energieversorgung auskommen muss.

• Sozial gestaffelten Härtefallfonds für Energieschulden einrichten
Der Fonds ist subsidiär zur Unterstützung des Bundes und soll wie damals bei den Corona-Hilfen
nachrangig organisiert werden – so wurde es in den Haushaltsberatungen vereinbart.
Anspruchsberechtigt sind nur natürliche Personen, die ihre Energieschulden oder
Betriebskostennachzahlungen mit den ihnen verfügbaren finanziellen Mitteln nicht bezahlen können.
Die Auszahlungen sollen sich an der finanziellen Leistungsfähigkeit der Betroffenen orientieren.
Menschen im Grundsicherungsbezug sollen für den Energiegrundbedarf bis zur Höhe des
Durchschnittsverbrauchs einen 100-prozentigen Zuschuss erhalten, aber auch Haushalte mit
Einkommen im Rahmen der WBS-Einkommensgrenzen (bis 180 Bundeseinkommensgrenze) sollen
Unterstützung erhalten. Voraussetzung für eine Auszahlung über den Grundbedarf hinaus soll die
Teilnahme an einer der Beratungsstellen sein. Wir werden prüfen, inwieweit dieser Fonds auch von Energiekonzernen (Vattenfall, GASAG…) getragen werden kann, gerade wenn der Bund keine
Übergewinnsteuer einführt.
• Wohn- und Heizkosten für Transferleistungsempfänger*innen umgehend anpassen und Zwangsumzüge verhindern
Die wenigen Grundsicherungsempfänger*innen, die aufgrund der steigenden Energiepreise aus der
Ausführungsvorschrift Wohnen fallen, dürfen nicht durch das Jobcenter zum Umzug aufgefordert
werden. Zwangsumzüge werden wir nicht zulassen. Wir fordern die schnelle und unkomplizierte
Übernahme von Miet- und Heizkostenschulden durch die Jobcenter/Sozialämter.

• Besonderen Mieter*innenschutz auf Landesebene einführen
Die landeseigenen Wohnungsunternehmen müssen mit gutem Beispiel vorangehen und für ein Jahr ein Kündigungsmoratorium aussprechen. Angesichts der aktuellen Lage brauchen wir eine verbesserte Härtefallregelung für Mieter*innen bei den Landeseigenen Wohnungsunternehmen mit WBS. Sollten
die Hilfen des Bundes nicht ausreichen, wollen wir den Kreis der WBS-Berechtigten bis zur
Bundeseinkommensgrenze 180 erweitern und auch die Regelung analog zum „alten sozialen
Wohnungsbau“ auf bruttowarm zunächst für sechs Monate umstellen: Damit kappen wir auch die
zweite Miete auf 30 % des Nettoeinkommens und unterstützen gezielt einkommensschwache
Mieter*innen. Mit Blick auf die ungewisse Lage, wie sehr die Kosten steigen werden, soll dieser Mieter*innenschutz regelmäßig evaluiert werden. Im Rahmen des Wohnungsbündnisses des Senats
sollten sich zu diesen Maßnahmen auch die privaten Akteur*innen verpflichten.

• Meldepflicht für Energiesperren einführen
Hilfe kann nur geleistet werden, wenn die Hilfsstellen alarmiert werden. Anlehnend an die
Mitteilungen über geplante Wohnungsräumungen an die Sozialämter, sollen die Sozialämter auch
dauerhaft bei Energiesperren informiert werden. Betroffene können in der Folge schnell aufsuchend
beraten und Energiesperren auf diese Art verhindert werden.

• Ratenzahlungsvereinbarungen für Energieschulden strecken
Gerade die explodierten Energierechnungen können oftmals nicht auf einen Schlag bezahlt werden.
Treten Energieschulden bei Personen auf, sind die Energieversorger verpflichtet, Rückzahlungen auf
bis zu 18 Monate zu strecken. In der Realität bieten die Energieversorger jedoch oft nicht mehr als
vier Monate an. Wir werden mit Hilfe des Runden Tisches Energie dafür sorgen, dass sich die
Energieversorgungsunternehmen in Berlin in Zukunft daran halten.

• Energiepreissteigerungen bei sozialen Trägern abfedern

Die steigenden Energiepreise werden zu Mehrkosten bei sozialen Trägern führen, die insbesondere
kleinere Träger wie z.B. Kinderläden, Notübernachtungen oder Beratungsstellen nicht immer sofort
auffangen können. Deshalb wollen wir einen Härtefallfonds für diese kleinen Träger einrichten,
welche die Nachzahlungen sonst in die Insolvenz treiben würden.

3. Solidarisch durch die Krise – die Berliner*innen bei der sozialökologischen Wende unterstützen

Die Energie- und Klimakrise werden uns in den nächsten Jahren beschäftigen: Das ist eine doppelte Herausforderung: Die sozialökologische Wende jetzt umzusetzen und gleichzeitig die Berliner*innen
dabei zu unterstützen, dass sie auf Dauer gut und günstig leben können. Dafür muss das eingesetzte Geld zielgenau wirken und aktuelle Maßnahmen dürfen den Staat nicht in zwei oder drei Jahren
handlungsunfähig machen. Wir wollen langfristig von fossilen Energieträgern unabhängig werden.
Nur so werden wir die Energieversorgung auch morgen und übermorgen sichern und gleichzeitig das
Klima schützen. Dabei müssen wir auch die Berliner*innen vor Ort unterstützen, besser mit den gestiegenen Energiekosten umgehen zu können.

• Energieberatung „Stromsparcheck“ zu einem Landesprogramm ausbauen
Berlin verfügt bereits über eine kompetente soziale Beratungslandschaft. Wir wollen den Stromsparcheck zu einem „Energiesparcheck“ für alle Energieformen ausbauen und es nach dem Vorbild der Stadtteilmütter in ein eigenes Landesprogramm mit fest angestellten Energiesparhelfer*innen überführen. Wir werden ihn zudem mehr Berliner*innen zugänglich machen.

• Ausbau der sozialen Beratungsstrukturen
Um Berliner*innen mit Energieschulden zu helfen, bauen wir soziale Beratungsstellen wie die
Energiesparberatung und Energieschuldenberatung der Verbraucherzentrale, aber auch von Trägern
wie der Caritas weiter aus und werden einen zweiten Standort im Berliner Osten eröffnen. Weiterhin
stärken wir die bezirklichen Schuldner*innenberatungen und die unabhängigen Sozialberatungen. Hand in Hand mit dem Härtefallfonds können so soziale Härten abgefedert werden.

• Energiewende für alle!
Wir setzen konsequent weiter auf den raschen Ausbau erneuerbaren Stroms und der Wärme. Dafür bauen wir gemeinsam mit den Berliner Stadtwerken verstärkt die Mieter*innenstromprojekte aus. Die
Bundesregierung muss dafür weitere bürokratische Hürden abbauen und endlich die EU-Richtlinie zu
den Erneuerbaren Energien vollständig umsetzen, insbesondere die Regelungen zu den Energy
Communities und zum Energy Sharing. Die Stromnetz Berlin werden wir so aufstellen, dass
Solaranlagen zügig angeschlossen werden können.

• Wo bekomme ich Hilfe? Informationskampagne für Berlin
Berlin braucht eine breit angelegte und mehrsprachige Werbekampagne, um auf die Angebote in der
Energiekrise hinzuweisen. Auch ein Informationsschreiben der Verbraucherschutzsenatorin das
beispielsweise zusammen mit Briefen der Landeseigenen Wohnungsunternehmen versandt werden
kann, werden wir angehen. Wir müssen alles tun, um vor allem Menschen in Gebäuden mit schlechter
Energieeffizienzklasse zu erreichen, zum Beispiel durch eine aufsuchende Hilfe in
Großwohnsiedlungen.

• Runden Tisch zum „Wärme sparen“ einführen
Die Senatsverwaltungen UMVK, SBW, WEB und IAS sollen gemeinsam einen Runden Tisch für die
kommenden Monate einberufen, der sowohl schnell umsetzbare Energiesparmaßnahmen sowie
Schutzmaßnahmen als auch langfristige Umbaufahrpläne entwickelt. Teilnehmen sollen alle
relevanten Akteure wie z.B. GASAG, Vattenfall, Baukammer, Handwerkskammer bzw. Innung, IHK,
Berliner Stadtwerke/Energieagentur, Bauinfo, Sozialverbände/Schuldner*innenberatung,
Mieterverbände und der Verband Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen (BBU).

• Beihilfen für Haushaltsgeräte nach dem SGB II und XII modernisieren
Haushalte im Transferleistungsbezug verfügen meist über ältere, energieintensive Kühlschränke oder
Waschmaschinen, die wir durch energiesparende Geräte austauschen wollen. Dafür sollen die
Beihilfen für Haushaltsgeräte im SGB II und XII auf Bundesebene modernisiert werden.

Keine Privatisierung von Landeseigenen Wohnungen – mehr Wohnraum für kommunale und genossenschaftliche Träger.

Am vergangenen Donnerstag habe ich im Plenum zum Antrag „Landeseigene Wohnungen an die Mieter privatisieren, Chance niedriger Zinsen nutzen, Wohneigentumsanteil in Berlin erhöhen“ gesprochen. Der Antrag schlägt vor, den Wohnungsbestand landeseigener Wohnungsgesellschaften an Mieter zu privatisieren, denn dank niedriger Zinsen könnten die neuen Eigentümer so vor überteuerten Mieten geschützt werden und für ihre Altersvorsorge sorgen. Zwei Wochen davor hatte schon Senator Geisel im Ausschuss angedeutet, dass eine Privatisierung landeseigener Wohnungen nicht auszuschließen sei.

In meiner Rede betone ich, dass dieser Vorschlag aus volkswirtschaftlicher und wohnungspolitischer Sicht keinen Sinn macht. Einerseits ist das Vorhaben jenseits der Realität der Mieter*innen (übrigens fast 50% der Berliner*innen sind WBS-berechtigt), denn Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen können sich Wohneigentum bei den aktuellen Preisen nicht leisten. Ein Eigenkapital von mindestens 20 % des Kaufpreises haben die wenigsten auf dem Konto. Andererseits sind die Zinsen längst nicht mehr so niedrig wie noch vor ein paar Monaten. Und sie steigen weiter.

Dass Privatisierung von kommunalem Wohnraum kein Instrument ist, dass langfristig wirksam ist, zeigt auch das Beispiel von England. Margret Thatcher hat bis 1990 1,5 Millionen Sozialwohnungen verkauft und davon sehr viele Wohnungen dabei auch an die Mieter privatisiert. Inzwischen sind diese Wohnungen vor allem Anlageobjekte, eine (bezahlbare) Wohnung in London zu finden ist wie ein Lottogewinn.

Dagegen argumentiere ich, dass die soziale Wohnraumversorgung nur mit der Überführung von mehr Wohnraum in öffentliche Hand zu leisten ist. Außerdem braucht es eine starke Wohnraumförderung, die auch im Neubau mindestens 50%  an belegungsgebundenen und mietpreisgebundenen Wohnungen vorsieht, die Unterstützung von genossenschaftlichen und kommunalen Trägern und neue Instrumente wie einen Renditedeckel, um die steigenden Mietpreise zu dämpfen.

Meine vollständige Rede findet ihr hier:

https://www.rbb-online.de/imparlament/berlin/2022/9–juni-2022/9-juni-2022—13–Sitzung-des-Berliner-Abgeordnetenhauses/katrin-schmidberger–buendnis-90-die-gruenen—top3-6.html

Die Rot-Grün-Rote Wohnungspolitik braucht gemeinwohlorientierten Kurs – der Start in die neue Legislatur

Zwischen Vergesellschaftung, Vorkaufsrecht, Mietenkataster, der sozialen Ausrichtung der Landeseigenen Wohnungsunternehmen und dem Wohnungsbündnis des Senats – die Wohnungspolitik von Rot-Grün-Rot für diese Legislaturperiode ist geprägt von Konflikten. Besonders zentral sind hierbei die Rolle des Bestandsschutz von Mieter*innen und der Neubau von Wohnraum.

Es ist kein Geheimnis: Wir als Koalition sind uns nicht einig bei der Frage, ob jeglicher Neubau – also egal, ob niedrig- oder hochpreisig – den Wohnungsmarkt entlastet, oder ob wir vor allem möglichst dauerhaft preisgünstigen  neuen Wohnraum brauchen, weil viele Berliner*innen gar keine Chance haben, teure Neubauten zu beziehen. Es ist zwar oft  vom „Sickereffekt“ die Rede. Damit ist gemeint,   dass gutverdienende Haushalte aus den Altbauwohnungen in die teuren Neubauten einziehen und Platz machen im Bestand. Das ist aber weder wissenschaftlich belegt, noch bleiben die alten Miethöhen bestehen.  Oft kommt es zu großen Mietsteigerungen, die sich einkommensschwache Haushalte gar nicht leisten können. Hinzu kommt: Seit 2014 wurde nicht einmal jede zehnte Wohnung als Sozialwohnung gebaut. Private haben also nur 304 Sozialwohnungen (von knapp 6400 insgesamt) errichtet. Wir haben in Berlin aber über 1 Millionen berechtigte Haushalte, also knapp 50 Prozent aller Haushalte, die so wenig verdienen, dass sie das Recht haben, eine Wohnung mit sog. Mietpreis- und Belegungsbindung zu beziehen, sprich einen Wohnberechtigungsschein beantragen können. Allein 85.000 neue Berechtigte kamen 2020 und 2021 dazu. Doch im vergangenen Jahr entstanden nur rund 3000 neue geförderte Wohnungen.  Der stadtweite Bestand von Sozialwohnungen liegt heute gerade mal noch bei 92.000 Wohnungen!  Und es kommt noch schlimmer: Bis 2025 wird davon  jede vierte Wohnung  aus der Mietpreisbindung fallen. Wir alle müssen alarmiert sein. 

Neubau – bedarfsgerecht statt renditegerecht

Die Landeseigenen Wohnungsunternehmen müssen zwar seit der letzten Legislatur 50 statt nur 30 Prozent ihrer Neubauten an Geringverdiener*innen vermieten, aber sie alleine werden den großen Bedarf an niedrigpreisigen Wohnungen nicht decken können – auch weil mittlerweile nur noch sehr wenige Menschen aus landeseigenen Wohnungen ausziehen (ca. 7.500 pro Jahr von 350.000 Wohnungen – wir alle können es nachvollziehen), die Fluktuation also so gering ist. Deshalb: Das vom Senat angestrebte Wohnungsbündnis, das er derzeit mit Vonovia, Heimstaden und Co., dem Berliner Mieterverein und der AG Junge Genossenschaften verhandelt, muss Antworten auf den großen Mangel an Sozialwohnungen finden. Ein Ergebnis muss daher die Novellierung des Kooperativen Baulandmodells sein: Bisher verpflichtet es private Bauherren, wenn sie neues Baurecht erhalten, 30 Prozent der Fläche für belegungs- und mietpreisgebundenem Wohnraum vorzuhalten. In München sind es schon jetzt  50-60 Prozent. Das wäre immerhin ein Fortschritt, auch wenn damit unser  Ziel dass jede zweite Neubauwohnung bis 2030 im „gemeinwohlorientierten Segment“ entsteht, leider nicht erreicht werden kann. Wir müssen die Akteure wie Genossenschaften, Stiftungen oder  soziale Träger in die Lage versetzen, mehr Wohnraum zu errichten. Dafür brauchen sie Grundstücke, bessere Förderkonditionen und vor allem eine Stadtentwicklungsverwaltung, die das Potential der „Gemeinwohlorientierten“ endlich auch nutzt. Hier lässt die SPD Engagement leider vermissen. Das Bündnis muss vor allem die Mieter*innen im Bestand absichern. Wir fordern daher ein Mietenmoratorium für mehrere Jahre, einen Renditedeckel für Groß-nternehmen, und den den unternehmensübergreifenden Wohnungstausch  zu  gleichen Mietkonditionen. Damit kann bestehender Wohnraum muss effektiver genutzt werden. Wir brauchen außerdem  einen Abrissstopp von Wohnraum sowie  Bestandsumbau und Umnutzungen. Auch Instandhaltungsmaßnahmen sowie bezahlbare Sanierungen, um Heizkosten einzusparen, müssen verpflichtend vereinbart werden, damit die „zweite Miete“ nicht zur Armutsfalle wird. All diese Maßnahmen könnten auch einen echten Beitrag gegen die Klimakrise leisten.

[Artikel erschienen im Stachel, Mai 2022]

Solidarität mit der Ukraine – Aufruf für private Unterbringung von Geflüchteten

Der Krieg in der Ukraine stellt Berlin wieder vor neue Herausforderungen. Progrosen zufolge wird zu einem hohen Bedarf an Unterkünften für Geflüchtete in Berlin führen, aber Wohnraum und entsprechende Kapazitäten sind knapp. Aktuell stehen ca. 2000 Plätze in offiziellen Unterkünften zu Verfügung, weitere sollen zeitnah geschaffen werden. Daher sind private Angebote für Unterkünfte ein wichtiger Baustein für eine schnelle Versorgung der Menschen, die unsere Hilfe sofort benötigen.

Falls Sie/ihr Raum habt, melden Sie/ meldet Euch auf dieser Webseite an:
elinor.network/gastfreundschaft-ukraine/

Das Netzwerk #unterkunft stellt unter dieser Internetadresse ein Formular zur Verfügung, mit dem freie Plätze unverbindlich gemeldet werden können. Interessenten können die Anzahl der Betten und den Zeitraum angeben, für den sie die Kapazitäten für mindestens zwei Wochen zur Verfügung stellen. Überdies können Angaben zu Sprachkenntnissen gemacht werden.

Träger der Initiative sind die digitale Finanzplattform elinor, die GLS Bank, die Suchmaschine Ecosia und die Spendenplattform betterplace. Sie gibt nach eigenem Bekunden die Daten direkt an Menschen aus der Ukraine weiter.