Zwischen Vergesellschaftung, Vorkaufsrecht, Mietenkataster, der sozialen Ausrichtung der Landeseigenen Wohnungsunternehmen und dem Wohnungsbündnis des Senats – die Wohnungspolitik von Rot-Grün-Rot für diese Legislaturperiode ist geprägt von Konflikten. Besonders zentral sind hierbei die Rolle des Bestandsschutz von Mieter*innen und der Neubau von Wohnraum.
Es ist kein Geheimnis: Wir als Koalition sind uns nicht einig bei der Frage, ob jeglicher Neubau – also egal, ob niedrig- oder hochpreisig – den Wohnungsmarkt entlastet, oder ob wir vor allem möglichst dauerhaft preisgünstigen neuen Wohnraum brauchen, weil viele Berliner*innen gar keine Chance haben, teure Neubauten zu beziehen. Es ist zwar oft vom „Sickereffekt“ die Rede. Damit ist gemeint, dass gutverdienende Haushalte aus den Altbauwohnungen in die teuren Neubauten einziehen und Platz machen im Bestand. Das ist aber weder wissenschaftlich belegt, noch bleiben die alten Miethöhen bestehen. Oft kommt es zu großen Mietsteigerungen, die sich einkommensschwache Haushalte gar nicht leisten können. Hinzu kommt: Seit 2014 wurde nicht einmal jede zehnte Wohnung als Sozialwohnung gebaut. Private haben also nur 304 Sozialwohnungen (von knapp 6400 insgesamt) errichtet. Wir haben in Berlin aber über 1 Millionen berechtigte Haushalte, also knapp 50 Prozent aller Haushalte, die so wenig verdienen, dass sie das Recht haben, eine Wohnung mit sog. Mietpreis- und Belegungsbindung zu beziehen, sprich einen Wohnberechtigungsschein beantragen können. Allein 85.000 neue Berechtigte kamen 2020 und 2021 dazu. Doch im vergangenen Jahr entstanden nur rund 3000 neue geförderte Wohnungen. Der stadtweite Bestand von Sozialwohnungen liegt heute gerade mal noch bei 92.000 Wohnungen! Und es kommt noch schlimmer: Bis 2025 wird davon jede vierte Wohnung aus der Mietpreisbindung fallen. Wir alle müssen alarmiert sein.
Neubau – bedarfsgerecht statt renditegerecht
Die Landeseigenen Wohnungsunternehmen müssen zwar seit der letzten Legislatur 50 statt nur 30 Prozent ihrer Neubauten an Geringverdiener*innen vermieten, aber sie alleine werden den großen Bedarf an niedrigpreisigen Wohnungen nicht decken können – auch weil mittlerweile nur noch sehr wenige Menschen aus landeseigenen Wohnungen ausziehen (ca. 7.500 pro Jahr von 350.000 Wohnungen – wir alle können es nachvollziehen), die Fluktuation also so gering ist. Deshalb: Das vom Senat angestrebte Wohnungsbündnis, das er derzeit mit Vonovia, Heimstaden und Co., dem Berliner Mieterverein und der AG Junge Genossenschaften verhandelt, muss Antworten auf den großen Mangel an Sozialwohnungen finden. Ein Ergebnis muss daher die Novellierung des Kooperativen Baulandmodells sein: Bisher verpflichtet es private Bauherren, wenn sie neues Baurecht erhalten, 30 Prozent der Fläche für belegungs- und mietpreisgebundenem Wohnraum vorzuhalten. In München sind es schon jetzt 50-60 Prozent. Das wäre immerhin ein Fortschritt, auch wenn damit unser Ziel dass jede zweite Neubauwohnung bis 2030 im „gemeinwohlorientierten Segment“ entsteht, leider nicht erreicht werden kann. Wir müssen die Akteure wie Genossenschaften, Stiftungen oder soziale Träger in die Lage versetzen, mehr Wohnraum zu errichten. Dafür brauchen sie Grundstücke, bessere Förderkonditionen und vor allem eine Stadtentwicklungsverwaltung, die das Potential der „Gemeinwohlorientierten“ endlich auch nutzt. Hier lässt die SPD Engagement leider vermissen. Das Bündnis muss vor allem die Mieter*innen im Bestand absichern. Wir fordern daher ein Mietenmoratorium für mehrere Jahre, einen Renditedeckel für Groß-nternehmen, und den den unternehmensübergreifenden Wohnungstausch zu gleichen Mietkonditionen. Damit kann bestehender Wohnraum muss effektiver genutzt werden. Wir brauchen außerdem einen Abrissstopp von Wohnraum sowie Bestandsumbau und Umnutzungen. Auch Instandhaltungsmaßnahmen sowie bezahlbare Sanierungen, um Heizkosten einzusparen, müssen verpflichtend vereinbart werden, damit die „zweite Miete“ nicht zur Armutsfalle wird. All diese Maßnahmen könnten auch einen echten Beitrag gegen die Klimakrise leisten.
[Artikel erschienen im Stachel, Mai 2022]