Seit Jahren werden in vielen Kiezen Berlins die Gewerbeflächen immer lukrativer. Im Durchschnitt sind die Gewerbemieten in den letzten fünf Jahren um 25 Prozent gestiegen. Den traurigen Rekord bildet Kreuzberg ab: dort sind die Gewerbemieten in den letzten drei Jahren um 34 Prozent gestiegen und liegen nun bei durchschnittlich 14,30/QM nettokalt (Berlin 12,86 Euro/QM). Und die Nachfrage steigt weiter und damit auch die Konkurrenz. Neben der Bockbrauerei hat es nun leider auch den Berliner Büchertisch am Mehringdamm erwischt. Der Eigentümer (Investorenfirma Taliesin) verlangt den Auszug bis Ende Januar 2017. Er begründet das mit dem Ziel, „Kapitalwerte durch Sanierung und Mieterhöhungen zu steigern“. Dabei ist das Projekt bereits seit 2006 dort verankert, beschäftigt 30 Mitarbeiter*innen und leistet einen unverzichtbaren bildungs- und kulturpolitischen Beitrag für ganz Berlin.
Milieuschutz auch für Gewerbe nötig
Aus Grüner Sicht ist die Einführung von Gewerbeschutzregelungen und stadtentwicklungspolitischen Instrumenten für Ballungsgebiete wie Berlin längst überfällig, um den bereits eingesetzten Verdrängungsprozess zu stoppen. Steigende Gewerbemieten stellen zunehmend kleine Gewerbetreibende, soziale Träger und Vereine vor Schwierigkeiten, bezahlbare Flächen zu finden oder ihre bestehenden Räume weiter zu finanzieren. So besteht die Gefahr, dass ganze Stadtteile nicht mehr oder zumindest nicht mehr ausreichend mit verbrauchernahen Waren und Dienstleistungen, sozialen und kulturellen Einrichtungen versorgt werden. Es ist höchste Zeit für ein soziales Gewerbemietrecht. Denn für den Erhalt bestehender vielfältiger Gewerbestrukturen fehlt es bisher an stadtentwicklungspolitischen Instrumenten. Es braucht daher eine Initiative auf Bundesebene, die das Land Berlin im Bundesrat anstoßen könnte, um geeignete Steuerungsinstrumente zu implementieren. In bestehenden Milieuschutzgebieten soll Gewerbe besonders geschützt werden können.
Denn zum Schutz der sozialen Zusammensetzung der Wohnbevölkerung gehört auch eine funktionierende, soziale Infrastruktur und Grundversorgung. Wir schlagen auf den jeweiligen Gebietscharakter abgestimmte Nutzungsmischungen vor, die bei Neuvermietungen eingehalten werden müssen sowie Mietobergrenzen. Diese müssen in Milieuschutzgebieten sowohl für Gewerbe-, als auch für Wohnmieten durch neu zu setzendes Bundesrecht ermöglicht werden. Bei Neubauvorhaben soll möglichst die Erdgeschossetage für Gewerbe und soziale Infrastruktur sowie kulturelle Zwecke vorgehalten werden. Gerade die landeseigenen Wohnungsunternehmen stehen dabei in der Pflicht. Um insbesondere sozialen Trägern und Projekten, Kinderläden oder Kitas die Nutzung von Räumen zu erleichtern, fordern wir Anmietungen durch eine zu gründende Gewerbevermittlungsagentur auf Landesebene, die längerfristige und somit zumeist günstigere Mietkonditionen erreicht und als Generalmieter weitervermietet. Hierzu habe ich im Abgeordnetenhaus auch bereits einen Antrag eingereicht, der leider keine Mehrheit fand. Im Grunde wäre auch eine Neugründung angelehnt an die GSG zentral, damit das Land Berlin mit den Bezirken gemeinsam Gewerbe aktiv fördern kann.
Eigentum verpflichtet
Das Gewerbemietrecht sieht bisher keine Schutzklauseln vergleichbar zum Mietrecht für Wohnraum vor. Bisher gibt es z.B. keine gesetzlichen Vorschriften zur Miethöhe und die Kündigung ist ohne Angabe von Gründen oft innerhalb kürzester Zeiträume möglich. Dazu fordern wir vom Land Berlin eine Bundesratsinitiative. In Zukunft sollen VermieterInnen nicht ohne Kündigungsgrund und nicht allein aufgrund von wirtschaftlichen Interessen kündigen können. Das Prinzip „Eigentum verpflichtet“ sollte auch für den Gewerbebereich gelten. Analog zum Mietspiegel setzen wir uns ebenfalls für einen Gewerbemietspiegel ein, den der Bund, führen mit dem Mietobergrenzen und eine Mietpreisbremse festgelegt werden. Auch beim Gewerbe gibt es spekulativen Leerstand. Deshalb ist eine unserer Forderungen, gewerblichen Leerstand ab sechs Monaten genehmigungspflichtig zu erklären. Bisher gibt es eine solche Regelung auf Landesebene aber nicht. Das alles zu verwirklichen wird einen langen Atem erfordern, aber angesichts der zunehmenden Problematik haben wir keine Wahl.