Wenn es nach dem neuen Landwirtschaftsminister Horst Seehofer geht, soll es in Deutschland in Zukunft leichter werden, Agro-Gentechnik für den kommerziellen Anbau zu nutzen. Der Wille der VerbraucherInnen wird damit mit Füßen getreten. Welche Gefahren auf uns lauern und wie wir uns dagegen wehren können, berichtet Katrin Schmidberger.
Nicht nur Horst Seehofer will grüne Gentechnik im Lande etablieren. Auch die EU lässt nun der grünen Gentech-Lobby freie Fahrt. Nachdem sie ihr Moratorium für den Anbau und Vertrieb von gentechnisch veränderte Organismen (GVO) im April 2004 aufgehoben hat, wurden gleich vier Maissorten zum Anbau zugelassen sowie für weitere zwanzig beantragt. In Deutschland vereinbarte die große Koalition eine aktive Förderung des Gentechnik-Anbaus, obwohl rund 80% der deutschen Bevölkerung gar kein Genfood haben wollen. Und das aus gutem Grund: Die Risiken für die Umwelt und die Gesundheit der Menschen sind bislang vollkommen ungeklärt.
Entsprechende Fütterungsstudien mit gentechnisch verändertem Mais und Erbsen haben bei Tieren dramatische Ergebnisse geliefert. Zumal eine Freisetzung von GVO unwiderruflich und nicht rückholbar wäre. Eine Kontaminierung durch Pollenflug und andere Ereignisse ist nicht zu verhindern.
Nahrungsmittelkonzerne wie Monsanto und Nestlé ignorieren diese Gefahren und Folgen einfach und beantragen aus reiner Profitgier immer neue Zulassungen, um ihre neuesten Erfindungen möglichst schnell auf dem Markt vertreiben zu können. Dass dabei die Sicherheit durch die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde garantiert wird, wird von vielen Sachverständigen stark bezweifelt. Deshalb darf es keinen freien Gentech-Anbau geben! Auch die drohende Abhängigkeit von ein paar großen Agrarmultis, das Unbehagen gegen Patente auf Lebewesen und die Sorge um den Bio-Landbau sprechen gegen GVO. Hinzu kommt, dass die finanziellen Risiken nach Seehofers Ansichten bei jenen LandwirtInnen liegen sollen, die keine Gentechnik wollen. Wenn dabei alles so harmlos wäre, stellt sich doch die Frage, warum derzeit keine Versicherung die Risiken der Gentechnik übernehmen will.
In Supermärkten werden zwar alle Lebensmittel gekennzeichnet, die mehr als 0,9 Prozent gentechnisch veränderter Substanzen enthalten, als GVO gekennzeichnete Ware ist allerdings so gut wie nicht zu finden. Denn obwohl auch gentechnisch veränderte Futtermittel zu kennzeichnen sind, kann die Gentech-Industrie uns unbehelligt die Produkte der Tiere unterjubeln, die mit eben jenen gefüttert werden, wie z.B. Milch, Eier, Fleisch und so weiter. Unbemerkt werden so in Europa jährlich rund 15 Millionen Tonnen gentechnisch veränderter Soja aus den USA und Argentinien zu Tierfutter verarbeitet. Ein ungestörtes Nebeneinander von konventionellem, biologischem und gentechnischem Anbau ist nicht möglich. Die Wahlfreiheit der LandwirtInnen ist schlichtweg nicht mehr vorhanden. Heute ist die Fläche der GVO-Felder bereits auf 80 Millionen Hektar weltweit angewachsen und ihre Patente stammen zu über 90 Prozent von einer einzigen Firma: Monsanto. Obwohl ihr Name hierzulande noch nicht allen ein Begriff ist, agiert sie schon seit Jahren als mächtigster und rücksichtslosester Akteur der Agrarindustrie. Mit Monsanto an der Spitze will eben diese uns nun einfach überrollen. Wo dabei die Rechte der VerbraucherInnen und die Wahlfreiheit der LandwirtInnen bleibt, ist ihnen vollkommen egal. Die wie Marionetten gesteuerten PolitikerInnen in der US-Regierung, der WTO und der EU-Kommission tun alles erdenkliche, um nach ihrer Pfeife zu tanzen und dabei die Bedürfnisse der eigenen Bevölkerung vollends zu ignorieren. Doch die formiert sich nun zum Widerstand: Ein Zusammenschluss aus europäischen Regionen hat sich bereits zur gentechnikfreien Zone erklärt, um ihre Felder vor der bevorstehenden Kontaminierung zu schützen. Bereits Anfang des Jahres fand in Berlin ein Kongress dazu statt, ein weiterer folgt im April in Österreich. Und jedeR kann sich daran aktiv beteiligen. Am Ende werden die VerbraucherInnen deutlich machen, dass ihr Wille nicht einfach von mächtigen Industrien überlaufen werden kann. Eine Chance für alle LandwirtInnen und Regionen, die sich jetzt wehren und auf biologisches Wirtschaften umstellen. Es gibt also Hoffnung und viele Gründe weiter zu kämpfen!
Zuerst erschienen im SPUNK.