Problemimmobilien, Mietwucher und spekulativer Leerstand – für eine schnelle Reform des Wohnungsaufsichtsgesetzes

Das Problem: Überbelegung und Mietwucher, kein warmes Wasser, keine Heizung, Schimmel und Müll. Die Besitzer? Sind nicht zu erreichen und verstecken sich hinter dubiosen „Hausverwaltungen“. Problemimmobilien sind verwahrloste Mietshäuser, die von ihren Eigentümern bewusst vernachlässigt oder heruntergewirtschaftet werden. In Berlin gibt es rund 60 Problemimmobilien, die oft nicht mehr bewohnbar sind. Die Folge: Das Zweckentfremdungsverbotsgesetz kann nicht mehr ange­wandt werden. Berlin benötigt daher andere Möglichkeiten, die Machenschaften mit Problemim­mobilien zu beenden. Denn: Problemimmobilien sind eine Zumutung für die Bewohner*innen, ein Konfliktherd in der Nachbarschaft, aber eine „Gelddruckmaschine“ für die Immobilienbesitzer.

Wenn wir nichts tun, wachsen die Machenschaften mit Problemimmobilien

Es ist zu befürchten, dass die Zunahme von Bautätigkeit in der Stadt auch eine Zunahme von Arbeitsausbeutung und damit der Vermietung von Schlafplätzen mit sich bringt. Damit gewinnt das Geschäftsmodell mit Problemimmobilien weiter an Attraktivität, denn Wohnraum bleibt knapp.

In vielen der Häuser leben Menschen, die anderswo keine Wohnungen bekommen und daher bereit sind, ohne Mietvertrag und gegen Barkasse zu „mieten“. Oft leben große Familien in viel zu kleinen Wohnungen und/oder in den Wohnungen werden einzelne Zimmer bzw. Schlafplätze für horrende Summen vermietet. Zudem sind die Bewohner*innen nicht selten auch von Arbeitsausbeutung betroffen.

Wer prekär beschäftigt oder auf Arbeitssuche ist, wer auf dem Wohnungsmarkt Diskriminierung erfährt oder wer mit dem Versprechen von Job und Schlafplatz angeworben wurde, hat oft wenig Alternativen. Hier stoßen auch die Behörden an ihre Grenzen, denn auch sie haben keine alternative Unterbringungsmöglichkeit für diese Gruppe wohnungsloser Menschen. Die Häuser und ihre Umgebung werden zum sozialen Brennpunkt, an dem sich Jugend- und Gesundheitsämter, Sozialarbeit und Mieterberatungen abarbeiten, während die eigentlich Verantwortlichen, die Hausbesitzer, oft weder kooperativ, noch greifbar sind.

Was hilft gegen die Machenschaften mit Problemimmobilien?

Wenn Berlin den Kampf gegen die Machenschaften mit Problemimmobilien gewinnen will, braucht es eine abgestimmte ressortübergreifende Gesamtstrategie: Verschärfung bzw. Anpassung von gesetzlichen Rahmenbedienungen und Beschleunigung von Verfahren, fnanzielle Unterfütterung und Personal für die Bezirke und eine bessere Koordinierung zwischen den verschiedenen Ämtern, sprich Beseitigung der Vollzugsprobleme.

Inwieweit hilft die Novellierung des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes?

Das Zweckentfremdungsverbotsgesetz bietet Eingriffsrechte bei Zweckentfremdungen von Wohnraum – also z.B. im Fall der Vermietung einzelner Schlafplätze. Um den oft schleichenden Prozess unterbliebener Instandhaltung und Verwahrlosung über Jahre hinweg zu stoppen, muss auch das Wohnungsaufsichtsgesetz reformiert werden.

Berlin braucht eine Reform des Wohnungsaufsichtsgesetzes

Nach dem Vorbild anderer Bundesländer (z.B. Hamburg) wollen wir mit einer Verschärfung des Wohnungsaufsichtsgesetzes die Rechte und Eingriffsmöglichkeiten der öffentlichen Hand bzw. Bezirke stärken und die durch die Problemimmobilie verursachten Kosten so weit möglich den Verursachern und Profteuren auferlegen. Unsere Vorschläge resultieren aus einem internen Fachgespräch unter Teilnahme von Experten, NGOs, der Bezirke und einiger Betroffener. Folgende Punkte sollten bei der Reform berücksichtigt werden:

1. Kosten umlegen: Kosten für angemessenen Ersatzwohnraum, für die Sachverhaltsaufklärung (z.B. für Gutachten, um Schimmelbefall, Ungeziefer oder Feuchtigkeit, Heizungsausfall, Leitungsschäden etc. festzustellen), für Müllbeseitigung usw. sollen künftig als öffentliche Last im Grundbuch eingetragen werden können (§ 8). Darüber hinaus sollen Bußgelder erhöht werden.

2. Rechtzeitiges Eingreifen ermöglichen: Wir wollen den Tatbestand der Verwahrlosung oder eines drohenden Missstandes einführen (§ 2). Das erlaubt ein früheres Eingreifen. Außerdem können Instandsetzungen bisher nur zum Schutz Dritter verlangt werden, nicht zugunsten der Mieter*innen.

3. Der Verfügungsberechtigte eines Hauses soll zur Sachverhaltsaufklärung verpfichtet werden können – auch bereits im Verdachtsfall. Damit wäre es künftig schwerer, dass Hausbesitzer*innen oder Hausverwaltungen die verängstigten Mieter*innen „davor warnen“, Behörden zur Begutachtung von Baumängeln in die Wohnung zu lassen (§ 10a und 13).

4. Die Kataloge der Missstände müssen angepasst werden – u.a. der Einbezug der Außenanlagen (§3). Damit können wir in Berlin auch gegen Verwahrlosung im Außenbereich von Gebäude vorgehen.

5. Effektive Eingriffsmöglichkeiten der Bezirke: Berlin braucht klare Regelungen der Ersatzvornahme, um zu lange Verhandlungen zu vermeiden. Als Vollzugsinstrument wollen wir ein Treuhänder-Modell einführen sowie ggf. Erweiterung der Gesetzesgültigkeit auf einzelne Wohnungen.

6. Einführung eines Fonds für die Bauaufsicht, um den Bezirken zu ermöglichen, zum Erhalt des Wohnraums in Vorkasse zu gehen. Die entstandenen Kosten sind durch Zugriff auf die Mieten zurückzuerstatten.

Wann kommt die Reform des Wohnungsaufsichtsgesetzes?

Bereits im September 2015 haben wir zehn grüne Vorschläge für den Umgang mit „Schrottimmobilien“ vorgelegt, darunter etliche Vorschläge für Änderungen des sogenannten Wohnungsaufsichtsgesetzes. Seit Januar 2016 tagt eine von der Obersten Bauaufsicht eingerichtete Arbeitsgruppe „Problemimmobilien“. Damit ist unsere Forderung nach einer Projektarbeitsgruppe auf Landesebene erfüllt. Sie erarbeitet ressortübergreifend und unter Einbezug der NGOs konkrete Handlungsempfehlungen. Ein wichtiger Punkt ist die Zusammenarbeit zwischen Bezirksämtern und Steuerbehörden. Aber auch die enge Begleitung aller Eingriffe durch Sozialarbeit für die Mieter*innen ist zentral, um erfolgreich sein zu können.

Die Reform des Wohnungsaufsichtsgesetzes steht aufgrund unseren Drucks seit 2016 im Koalitionsvertrag. Senatorin Lompscher hat die Überarbeitung des Gesetzes jetzt für 2020 angekündigt. Das halten wir für viel zu spät angesichts des seit Jahren bekannten Problemdrucks und angesichts der Tatsache, dass wir schon in der letzten Legislatur einen ausgereiften Gesetzentwurf vorgelegt haben.

Links der Medien:

Unsere grünen Forderungen zur Reform des Wohnungsaufsichtsgesetz gibt es hier auch als PDF zum Download.

Interview: „Eine Neuausrichtung der bisherigen Tourismuspolitik“

Ende Januar 2018 gab es anlässlich des Beschlusses eines neuen Tourismuskonzeptes durch den Senat ein Gespräch mit den Neuköllner Grünen. Wir Grüne fordern seit Jahren fordern ein Umsteuern in der Tourismuspolitik. Nun haben wir endlich den Weg freigemacht für einen nachhaltigen und stadtverträglichen Tourismus, von dem alle profitieren. Auch in Neukölln steht diesbezüglich vor solche Herausforderungen und Probleme. Wir wollen nicht weiter nur um den nächsten Besucherrekord hinterher sein, während Berliner*innen mit Lärm, Müll und der „Ballermannisierung“ ihrer Kieze alleine gelassen werden.

„Interview: „Eine Neuausrichtung der bisherigen Tourismuspolitik““ weiterlesen

Wohnpolitischer Aufruf anläßlich der Sondierungen zwischen CDU/CSU und SPD

Sondierungen/Verhandlungen über eine neue GROKO

„Eine schlechte Wohnung macht brave Leute verächtlich.“
(Johann Wolfgang von Goethe, Was wir bringen, Lauchstädt 3, 1802)

Was Goethe schon 1802 wusste, kann den Spitzen der Politik heute nicht verborgen sein. Die Verfügung über Wohnraum ist existentiell. Niemandem dürfte entgangen sein, dass heute insbesondere in deutschen Städten bezahlbarer Wohnraum ein knappes Gut ist. Die Mietpreise explodieren und entwickeln sich um ein Vielfaches schneller als die Einkommen. Diese Entwicklung bedroht in vielen Städten ihre Bewohner*innen. Und die Konsequenzen bedrohen auch die Städte. Keine Stadt wird mehr so sein, wie wir sie mögen, wenn nur Geld entscheidet, wer wo wohnt. Die Wohnungsfrage ist heute eine der wichtigsten sozialen Fragen, die jetzt geregelt werden muss. Sie betrifft besonders in Städten optional alle, die nicht reich sind. Damit liegt auch die Demokratiefrage auf dem Tisch. Wer regiert für wen?

Wir richten diesen Appell an die Verhandler*innen über eine mögliche neue Große Koalition. Die Wohnungsversorgung ist eine öffentliche Aufgabe und kann nicht allein dem Markt überlassen werden. Stellen Sie sich dieser Verantwortung! Verweigern Sie sich nicht, denn dies wird gravierende Folgen für die Mieter*innen und den Zusammenhalt in den Städten haben, aber auch für die Verhandler*innen selbst. Politisch. Nachhaltig. Keine Regelungen für Mieter*innen ist ein Statement gegen sie.

10 Punkte sind von der neuen Bundesregierung unabdingbar zu regeln:

  1. Leistbares Wohnen muss vom Bund stärker gefördert werden – auch über 2019 hinaus. Die Mittel für geförderten Wohnungsbau müssen deutlich aufgestockt werden – insbesondere für Ballungszentren.
  2. Der Bund unterlässt grundsätzlich, selbst als Preistreiber am Markt aktiv zu sein durch den Verkauf öffentlicher Liegenschaften zum Höchstpreis. Er verpflichtet sich, alle öffentlichen Liegenschaften im Besitz der BIMA vorrangig den Kommunen preisgünstig zur Verfügung zu stellen.
  3. Der Bund schafft alle Steuervorteile für Immobilienverkäufe ab, um der Spekulation mit Immobilien zu begegnen. Die Grunderwerbssteuer wird für alle Verkäufe verpflichtend. Daher Abschaffung der
    • Vorteile bei anteiligen Immobilienverkäufe (share deals),
    • Vorteile bei Immobilienverkäufen nach zehn Jahren.
  4. Wiedereinführung der Wohnungsgemeinnützigkeit zur steuerlichen Begünstigung von gemeinwohlorientierten Bauträgern, die preiswerten Wohnraum mit dauerhaften Belegungsbindungen schaffen und sichern.
  5. Der Mietspiegel muss preiswertere Bestandsmieten einbeziehen, damit er nicht mehr nur die Mietsteigerungen der letzten vier Jahre abbildet.
    • Erfassungszeitraum bei Neuverträgen/Vertragsänderungen auf mindestens zehn Jahre ausweiten
    • Erlass verbindlicher Kriterien des Bundes als Vorgabe für einen qualifizierten und verbindlichen Mietspiegel, den alle Kommunen verbindlich einführen.
  6. Die Mietpreisbremse muss Wirkungsmacht entfalten können. Dazu müssen alle Ausnahmeregelungen gestrichen und die Vermieter in die Pflicht genommen werden. Sie muss über 2020 entfristet werden.
    • der Vermieter muss rechtlich verbindlich die Vormiete nachweisen
    • rückwirkender Anspruch des Mieters auf Erstattung bereits geleisteter Überzahlungen
    • möblierte Wohnungen werden einbezogen.
  7. Die Modernisierungsumlage muss deutlich gesenkt, insgesamt gekappt und befristet werden, da sie zur Verdrängung missbraucht wird.
    • die Effizienz und Wirtschaftlichkeit von energetischen Modernisierungen müssen nachgewiesen und die Betriebskosten gesenkt werden.
  8. Mieterhöhungen müssen begrenzt werden. Kappung von Mieterhöhungen ohne Wohnwertverbesserungen von maximal 15 Prozent innerhalb von fünf Jahren.
  9. Das Baugesetzbuch wird reformiert, um Kommunen einen wirkungs-vollen Milieuschutz zu gewährleisten (Erhaltungsverordnung nach § 172 BauGB).
    • gestrichen wird die Genehmigungsfreiheit für Umwandlungen in Eigentumswohnungen durch Vorkaufsrecht des Mieters innerhalb von sieben Jahren, da sie regelhaft missbraucht wird. Wird das Schlupfloch nicht gestopft, können Umwandlungen in Milieuschutzgebieten trotz Umwandlungsverbot nicht verhindert werden, obwohl Mieter die Wohnung nicht kaufen.
    • eingefügt wird, dass auch Kleingewerbe und soziale Träger einem Schutz und besonderer Mietregelungen unterliegen, um aus städtebaulichen Erhaltungsgründen und/oder dem Erhalt der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung eine bestimmte gewerbliche Nutzung zu erhalten.
  10. Eine zeitgemäße Bodenpolitik muss Grundstücke aktivieren und Spekulation verhindern. Die anstehende Reform der Grundsteuer sollte dafür genutzt werden.

Berlin, 14. Januar 2018

Gaby Gottwald, MdA, Abgeordnetenhaus von Berlin, Die LINKE Friedrichshain-Kreuzberg
Katrin Schmidberger, MdA, Abgeordnetenhaus von Berlin, Bündnis 90/Die Grünen Friedrichshain-Kreuzberg

Der komplette Aufruf und die Liste der Unterstützer*innen kann hier abgerufen werden.

Kommentar zum Urteil des Landesgerichts im Hinblick auf die Mietpreisbremse

Die Bundesregierung verschleppt das Problem seit Jahren. Sie hat die Mietpreisbremse aus Kalkül wirkungslos gemacht. Sowohl das Gerichtsurteil als auch viele Studien der letzten Monate bestätigen dies. Wir brauchen eine praxistaugliche Mietpreisbremse, die funktioniert, dringender denn je.

Dass die Immobilienverbände nun fordern, diese wieder abzuschaffen, ist nicht nur mieterfeindlich, sondern auch unsozial. Tausende Haushalte würden dadurch massiv mehr belastet.

Wir brauchen ein sozial-ökologisches Mietrecht, das die Balance zwischen Mieter und Vermieter wieder herstellt. Wir wollen den Rahmen für Mieterhöhungsmöglichkeiten, die auf keinerlei Wertsteigerung der Immobilie basieren, deutlich verkleinern. Mietwucher muss eine Ordnungswidrigkeit werden. Auf diese Weise können wir den Missbrauch des Mietspiegels durch Vermieter stoppen.