Vier Jahre Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ – Initiative stellt Vergesellschaftungsgesetz vor

Am 26. September hat sich der erfolgreiche Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ zum vierten Mal gejährt. Mehr als eine Million Berliner*innen haben damals ein klares Zeichen gesetzt: Sie wollen eine Stadt, in der Wohnen keine Ware ist, sondern ein Grundrecht. Vor vier Jahren haben die Berliner*innen Geschichte geschrieben – mit dem erfolgreichen Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co enteignen“. Vier Jahre später müssen wir feststellen: Die Wohnungskrise hat sich weiter massiv zugespitzt. Vier Jahre später ist Berlin ärmer und sozial gespaltener geworden und wir müssen feststellen, dass sowohl der Bund wie das Land mietenpolitisch komplett versagt haben.

Zum Jahrestag hat die Initiative den ersten Entwurf eines Vergesellschaftungsgesetzes vorgelegt. Das ist ein historischer Schritt: Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik liegt ein vollständiger Gesetzesentwurf vor, mit dem Artikel 15 des Grundgesetzes angewendet werden kann. Damit ist die Vergesellschaftung großer, profitorientierter Immobilienkonzerne in greifbare Nähe gerückt.

© Marie-Lena Nelle

Eckpunkte des Vergesellschaftungsgesetzes

Die Wohnungskrise hat sich seit 2021 weiter verschärft. Steigende Mieten, Verdrängung und spekulativer Leerstand prägen den Alltag vieler Berliner*innen. Während der Senat die Mieter*innen mit einem inhaltsleeren „Rahmengesetz“ vertröstet, macht die Initiative DWE ernst und legt ein durchdachtes, rechtlich fundiertes Gesetz vor.

Hier die Eckpunkte: 

  • 220.000 Wohnungen könnten aus privatem Eigentum in Gemeineigentum überführt werden.
  • Betroffen wären ausschließlich große Immobilienkonzerne mit mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin – darunter Vonovia, Deutsche Wohnen, Heimstaden oder Adler.
  • Landeseigene Gesellschaften, Genossenschaften oder gemeinnützige Träger bleiben selbstverständlich unberührt.
  • Die Entschädigung soll nach dem neu entwickelten „fair-und-bezahlbar-Modell“ erfolgen – im Schnitt 40–60 % des Verkehrswerts, insgesamt zwischen 8 und 18 Milliarden Euro. Finanziert wird dies über Schuldverschreibungen, die aus den laufenden Mieten bedient werden. Der Landeshaushalt wird dadurch nicht belastet.

Dieses Gesetz ist nicht nur eine juristische Pionierleistung – es ist auch ein wirksames Mittel gegen die eskalierende Mietpreisspirale und die Abzocke der großen Konzerne. Es schafft dauerhaft bezahlbaren Wohnraum für breite Teile der Bevölkerung. Die Entwurfsfassung ist das Ergebnis von zwei Jahren intensiver Arbeit: Jurist*innen der Initiative haben gemeinsam mit einer renommierten Kanzlei und einem wissenschaftlichen Beirat alle Fragen zu Verfahren, Entschädigung und Zuständigkeiten beantwortet.

Mit der Veröffentlichung geht die Initiative nun bewusst in den Dialog: Berliner*innen, Fachverbände, Wissenschaft und Parteien sind eingeladen, Feedback zu geben. 

Erinnerung an eine verfehlte Politik – der Auftrag ins Leere

Dass dieses Gesetz notwendig wurde, hat historische Gründe. In den 1990er Jahren begann unter Rot-Rot der Ausverkauf Berlins: Von einst 590.000 landeseigenen Wohnungen sind 320.000 verloren. Über 10.000 Grundstücke – eine Fläche größer als ganz Friedrichshain-Kreuzberg – wurden verkauft. Die Folgen dieser Politik spüren wir bis heute: Die Wohnungskrise betrifft längst die Breite der Gesellschaft.

Der Volksentscheid von 2021 hatte einen klaren Auftrag: Die Mehrheit der Berliner*innen will die Vergesellschaftung. Es wäre die Aufgabe des Senats gewesen, diesen Beschluss umzusetzen. Spätestens nach dem Bericht der Expert*innenkommission 2021 hätte der Senat tätig werden sollen. Doch da der Senat untätig blieb, nimmt die Stadtgesellschaft das jetzt selbst in die Hand.

Bündnis 90/die Grünen unterstützt DWE

Wir Grüne haben die Initiative von Anfang an unterstützt. Bei der Sammlung von Unterschriften und bei der Unterstützung der Kampagne. Auch bei der Unterschriftensammlung im kommenden Jahr werden wir der Initiative natürlich zur Seite stehen. Berlin braucht eine mutige Politik, die den Volksentscheid respektiert und endlich umsetzt. Wohnen darf kein Luxus sein und Eigentum muss wieder verpflichten. Denn die Berliner*innen verdienen sichere und bezahlbare Wohnungen – heute mehr denn je.

Eigentum muss wieder verpflichten: Unser Bezahlbare-Mieten-Gesetz!

Die Vorstellung, dass der Markt alles regeln werde, ist gescheitert. Immer mehr Menschen kämpfen mit steigenden Mieten, Eigenbedarfskündigungen oder dem Verlust ihrer Wohnung durch Abriss und Luxussanierungen. Gleichzeitig stehen tausende Wohnungen leer oder werden als Ferienwohnungen zweckentfremdet. Das ist nicht nur ungerecht, es gefährdet auch den sozialen Zusammenhalt in unserer Stadt.

Wir Grüne im Abgeordnetenhaus haben deshalb ein umfassendes Bezahlbare-Mieten-Gesetz (BezMieG) geschrieben und am 23.09. der Öffentlichkeit vorgestellt. Damit wollen wir private Vermieter*innen stärker in die Pflicht nehmen und dafür sorgen, dass Wohnen wieder für alle bezahlbar bleibt.

Die wichtigsten Bausteine des BezMieG:

  1. Verbindliche Sozialquote bei Wiedervermietung
    Große Vermieter*innen werden verpflichtet, einen Anteil ihrer Wohnungen dauerhaft zu bezahlbaren Preisen zu vermieten, und das mindestens 20 % unter der ortsüblichen Vergleichsmiete. Je größer ein Unternehmen ist, desto höher die Quote: Ab 50 Wohnungen gelten 5 Einheiten, ab 100 Wohnungen 10 %, ab 1.000 Wohnungen 25 % und ab 2.000 sogar 30 %. 20 % dieser Wohnungen sind für besondere Bedarfsgruppen wie Studierende oder Auszubildende reserviert.
  2. Instandhaltungspflicht und Rücklagen
    Vermieter*innen müssen künftig einen Teil der Mieten verpflichtend für Instandhaltung und ökologische Modernisierung zurücklegen. Damit verhindern wir den Verfall von Häusern und Verdrängung durch Luxussanierungen.
  3. Klare Konsequenzen bei Regelverstößen
    Wer sich nicht an diese Regeln hält, soll den Berliner Wohnungsmarkt verlassen müssen. Sollten sich Vermieter*innen auch nach Abmahnungen weigern, ihren gesetzlichen Pflichten nachzukommen, müssen sie ihre Bestände innerhalb von zwei bis drei Jahren verkaufen.
  4. Neues Landesamt für Wohnungswesen
    Eine zentrale Behörde wird geschaffen, die für Kontrolle, Durchsetzung und Transparenz sorgt. Sie führt ein umfassendes Miet- und Wohnungskataster, damit Eigentumsstrukturen und Missstände sichtbar werden. So schaffen wir mehr Klarheit und Sicherheit für Mieter*innen.


Das Gesetz knüpft an die Landeskompetenz für Wohnungswesen an und setzt auf soziale Daseinsvorsorge. Eingriffe in Eigentumsrechte sind verhältnismäßig, weil sie das Gemeinwohl sichern, nämlich bezahlbaren Wohnraum für alle Berliner*innen.

Das Bezahlbare-Mieten-Gesetz ist eine Ergänzung zur Vergesellschaftung von Wohnungsunternehmen ab 3.000 Wohnungen, um insgesamt den Berliner Wohnungsmarkt gemeinwohlorientiert und nach Wiener Vorbild umzubauen.

Immer Ärger mit der Urbanen Mitte

Seit Jahren beschäftigt uns das Bauvorhaben „Urbane Mitte“ am Gleisdreieckpark – und seit Jahren ist klar: Dieses Projekt ist ein Musterbeispiel dafür, wie Stadtentwicklung in Berlin nicht laufen darf.

Mitten zwischen Kreuzberg und Schöneberg, direkt am beliebten Gleisdreieckpark, sollen nach den aktuellen Plänen sieben Bürohochhäuser entstehen. Türme, die mit bis zu 90 Metern das Gesicht des Quartiers radikal verändern würden – und das, obwohl Berlin derzeit rund 1,8 Millionen Quadratmeter leerstehende Büroflächen hat. Der Bedarf liegt also woanders: bei bezahlbarem Wohnen, sozialen und kulturellen Flächen, Grün- und Freiräumen.

Die von Investor*innen getriebene Logik hinter dem Projekt ist klar: Maximale Rendite statt Gemeinwohl.

Die geplanten Hochhäuser sind aus der Zeit gefallen. In einer Stadt, die immer heißer wird, brauchen wir kühlende Grünflächen und klimaresiliente Stadtentwicklung. Jeder zusätzliche Hektar Bodenversiegelung verschärft die Klimakrise. Auch sozialpolitisch ist das Projekt ein Schlag ins Gesicht: Statt dringend benötigten Wohnraums entstehen Flächen für Büros und weiteres Gewerbe, die niemand braucht.

Dass der Senat – angeführt von SPD und CDU – dieses Projekt trotzdem unbeirrt vorantreibt, zeigt deutlich, wessen Interessen er bedient. Besonders skandalös ist, dass er dafür sogar in die Zuständigkeiten des Bezirks eingreift. Erst beim Baufeld Süd, nun auch beim Baufeld Nord hat der Senat dem Bezirk die Entscheidungshoheit entzogen, nachdem dieser gemeinsam mit Initiativen und der Bevölkerung Ideen entwickeln wollte, wie eine Umplanung im Sinne der Bürger*innen aussehen könnte.

Nachdem dem Bezirk die Zuständigkeit genommen wurde, ist nun das Abgeordnetenhaus am Zuge. Der Bebauungsplan für die Urbane Mitte Süd wurde in den dortigen Ausschuss für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen überwiesen und soll dort demnächst behandelt werden. Auch im Abgeordnetenhaus bleibt das Thema somit hochaktuell. Und zurecht richtet sich der Protest der Engagierten vor Ort deswegen nun an die Mitglieder des Abgeordnetenhauses, denn sie haben es in der Hand, ob die Planungen noch verändert, oder einfach durchgewunken werden. Wir Grüne stehen hier fest an der Seite der Kritiker*innen des Projektes und werden im weiteren Verfahren unsere Bedenken deutlich machen.

Der Entzug der bezirklichen Zuständigkeit auch für die Urbane Mitte Nord wurde u.a. mit der Komplexität des Verfahrens und der überbezirklichen Verkehrsplanungen mit Blick auf die S21-Planungen begründet. Nachdem in den Medien zu lesen war, dass die Planungen für die S21 sich verzögern, wollten ich und Julian Schwarze vom Senat wissen, welche Auswirkungen dies auf das Bauvorhaben haben und reichten dazu eine schriftliche Anfrage an den Senat ein. In der Antwort räumt der Senat ein, dass eine endgültige Planfeststellung frühestens 2027/28 erfolgen kann. Dennoch bereitet er das Bebauungsplanverfahren weiter vor und prüft lediglich, „ob eine Wohnnutzung umsetzbar ist“. Diese Prüfung ist zu wenig, dass Bauvorhaben gehört endlich in Gänze auf den Prüfstand!

Mehr zum Thema Büroleerstand könnt ihr in der Schriftlichen Anfrage von mir und Julian Schwarze nachlesen: https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-22953.pdf

Die aktuelle Anfrage von mir und Julian zu den Auswirkungen der Verzögerungen bei den Planungen für die S21 für das Bebauungsplanverfahren Urbane Mitte Nord findet ihr hier:
https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-23538.pdf

Mietenkonzept 2025, Senat lässt Mieter*innen im Regen stehen

Das Berliner Mietenkonzept war seit 2012 ein wirksames Instrument, um Menschen im Sozialen Wohnungsbau vor zusätzlichen Belastungen zu schützen. Es verhinderte unnötige Tilgungszahlungen und half, Mieten stabil zu halten. Für viele Berliner Haushalte war es ein entscheidender Baustein, um bezahlbar wohnen zu können. Doch nun blockiert der Senat das Mietenkonzept 2025, mit gravierenden Folgen für tausende Mieter*innen.

Haushaltstricks statt echter Entlastung

Die Antwort des Senats auf meine schriftliche Anfrage ist ernüchternd: Zwar sind die bisherigen Mietkonzepte ausfinanziert, aber für 2025 wurden die notwendigen Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 79,8 Mio. Euro nicht freigegeben. Konkret heißt das: Die Mieten im Sozialen Wohnungsbau steigen um genau diesen Betrag.

Damit schiebt der Senat die Kosten auf die Mieter*innen, statt Verantwortung zu übernehmen. Besonders zynisch ist die Begründung: Man sehe keinen Grund für einen „zusätzlichen öffentlichen Mitteleinsatz“, da die Mietenentwicklung unterhalb der allgemeinen Preissteigerung liege. Für die Betroffenen bleibt aber eine reale Mehrbelastung, die viele Haushalte empfindlich trifft.

Wer profitiert wirklich?

Noch problematischer: Die zusätzlichen Zahlungen landen nicht beim Land, sondern bei den Vermieter*innen. Damit profitieren ausgerechnet diejenigen, die ohnehin Mieten oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen. Der Senat bestätigt damit indirekt, dass das alte Finanzierungssystem zu strukturell überhöhten Mieten führt.

Zwar verweist er auf eine IBB-Befragung, wonach nur ein Viertel der Wohnungen oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Doch gleichzeitig räumt er ein, dass Vermieter nach Ablauf der Bindungen sämtliche „freiwilligen Mietverzichte“ nachholen dürfen. Übersetzt heißt das: Am Ende werden praktisch alle Wohnungen oberhalb der Vergleichsmiete liegen.

Die Annahme des Senats, man könne „im Regelfall von einer Fortführung der Ist-Mieten“ nach Bindungsende ausgehen, ist reine Hoffnung, belegt wird sie nicht.

Stillstand beim sozialen Wohnungsbau

Auch für die Zukunft liefert der Senat keine Perspektive. Anstatt den Bestand an Sozialwohnungen auszubauen, will er lediglich jährlich 5.000 neue geförderte Wohnungen schaffen, um die Gesamtzahl stabil zu halten. Doch Stabilität reicht nicht: Weil jedes Jahr Bindungen auslaufen, verlieren wir kontinuierlich Sozialwohnungen. Nur ein echter Ausbau könnte diesen Trend umkehren.

Auch bei den Nachwirkungsfristen bleibt Berlin hinterher. Während Hamburg immerhin zehn Jahre vorsieht, hält der Senat an zwölf Jahren fest und denkt nicht an eine Verlängerung. Dabei hatten wir in der letzten Legislaturperiode unter RGR bereits um Verbesserungen gerungen.

Durchschnittsmiete verschleiert die Realität

Die vom Senat präsentierte Durchschnittsmiete im Sozialen Wohnungsbau von 6,95 €/m² klingt auf den ersten Blick niedrig. Doch diese Zahl verschleiert die Realität: Sie bildet lediglich den Durchschnitt der aktuellen Ist-Mieten ab, nicht aber die zulässigen Kostenmieten nach Förderjahrgängen. Genau hier zeigt sich ein stetiger Anstieg, der dazu führt, dass viele Wohnungen inzwischen oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen.

Unsere Forderungen

Die Politik des Senats ist ein schwerer Fehler. Wer das Mietenkonzept 2025 blockiert, verschärft die Wohnungsnot und zerstört die soziale Balance in der Stadt. Wir Grüne fordern deshalb:

  • Fortführung des Mietenkonzepts für 2025 und die Folgejahre.

  • Echten Ausbau von Sozialwohnungen, statt Stillstand zu verwalten.

  • Klare Begrenzung der Mieten im Sozialen Wohnungsbau.

  • Transparente Regeln für Vermieter, damit Mieterhöhungen nicht zur verdeckten Subvention werden.

Bezahlbarer Wohnraum ist kein Luxus, er ist die Grundlage für eine gerechte Stadt. Dass CDU und SPD das Mietenkonzept 2025 faktisch beerdigen, ist ein Schlag ins Gesicht der Berliner Mieter*innen.