Zum fragwürdigen Deal mit der Signa-Gruppe – Unser Brief an den Regierenden Bürgermeister Müller

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Müller,

teil des jüngst von Vertreter*innen des Berliner Senats und der Signa-Gruppe unterzeichneten Letter of Intent (LOI) sind auch Verabredungen zu den Bauvorhaben der Signa-Gruppe am Karstadt-Standort Hermannplatz im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg.

Als gewählte Vertreter*innen unseres Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg möchten wir Sie stellvertretend für den gesamten Senat darüber in Kenntnis setzen, dass wir weiterhin schwerwiegende Bedenken gegen die bisher bekannt gewordenen Pläne von Signa für den Hermannplatz haben und das nunmehr im LOI angedachte Vorgehen für hochproblematisch halten. Bestätigt sehen wir uns in dieser Haltung auch durch die fast durchweg negativen Reaktionen, die wir von Bewohnerinnen und Bewohnern unseres Bezirks auf die diesbezüglichen Verabredungen im LOI erhalten haben.

Wir wissen die Anstrengungen des Senats zu schätzen, möglichst viele Arbeitsplätze im Einzelhandel und aktuell insbesondere bei Galeria Karstadt Kaufhof zu erhalten. Und wir wissen auch, dass dieses Bemühen den Hintergrund bot für die Verhandlungen mit Signa. Wir hielten es jedoch in verschiedener Hinsicht für einen großen Fehler, sollte jetzt tatsächlich dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg die Zuständigkeit für dieses Vorhaben entzogen werden und die weitere Standortplanung auf Basis des bisherigen Konzeptes von Signa erfolgen. Aus unserer Sicht wäre der vollständige Abriss eines intakten Bestandsgebäudes nicht nur ökologisch mehr als fragwürdig. Auch eine Rekonstruktion des ursprünglichen Gebäudes in alter monumentaler Größe ist mit Blick auf das Stadtgefüge am Hermannplatz aus unserer Sicht in der heutigen Zeit völlig unangemessen. Die Rekonstruktion einer historischen Architektur aus der Endphase der Weimarer Republik fällt aus der Zeit und schafft keine „identitätsstiftende Architektur“ im heutigen Kreuzberg oder Neukölln, wie es im LOI gewünscht wird.

Wir teilen diesbezüglich auch ausdrücklich die fachliche Stellungnahme des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg vom 30. August 2019, in der es heißt: „Aufgrund von Dimension, Wirkung und geplanter Nutzung des Gebäudes würde es im umgebenden Stadtgefüge wie ein Fremdkörper wirken und könnte daher nicht nur keine Symbolkraft für die angrenzenden Bezirksflächen entfalten, sondern würde vielmehr ein irreführendes Signal senden und letztlich weitgehend nur für sich stehen.“Das Vorhaben steht zudem im Widerspruch zu bisherigen bezirklichen Verkehrs-und Grünflächenkonzepten und würde im Rahmen der baulichen Umsetzung einen zentralen Verkehrsknotenpunkt zweier Bezirke über Jahre hinweg lahmlegen.

Vor allem aber sorgt uns, dass ein neuer Konsum-und Eventpalast für gravierende Umstrukturierungen im Stadtteilumfeld sorgen dürfte. Noch ist das Karstadt-Warenhaus am Hermannplatz das Ankerzentrum im lokalen Markt und hat eine stabilisierende Funktion für das Umfeld. Wir beobachten jedoch bereits jetzt rund um den Hermannplatz eine massive Verdrängung des herkömmlichen Kleingewerbes, das auf den Alltagsbedarf für die lokale Bevölkerung ausgerichtet ist, durch ein wachsendes Angebotan Gastronomie, das auf Tourismus ausgerichtet ist. Eine monumentale Signa-Mall am Hermannplatz dürfte diese Entwicklung deutlich beschleunigen.

In diesem Zusammenhang sollte auch nicht unerwähnt bleiben, dass der geplante Abriss und Neubau des Gebäudes am Hermannplatz auch den dortigen Karstadt-Standort selbst und die dortigen Arbeitsplätze in Frage stellt. Nicht anders dürfte es auch zu verstehensein, dass im LOI weder Zusagen über den Erhalt der jetzigen Verkaufsfläche von Karstadt am Hermannplatz noch eine Garantie für den Erhalt der dortigen Arbeitsplätze während der zu erwartenden langjährigen Bauphase fixiert wurden. Es wird hingegen immerdeutlicher: im Mittelpunkt des Interesses der Signa-Gruppe steht nicht das Warenhausgeschäft, sondern die Renditen, die durch Immobilienhandel und -verwertung zu erzielen sind. Die Warenhäuser sind dabei bestenfalls Mittel zum Zweck zur Optimierung des Geschäftes mit Immobilien und wurden in Berlin genau in diesem Sinne eingesetzt. So bestehen im Übrigen auch ganz erhebliche Zweifel, dass die Schließungsankündigungen für die Berliner Warenhaus-Filialen tatsächlich in erster Linie betriebswirtschaftlich motiviert waren. Laut Auskunft von Signa waren die Berliner Standorte jedenfalls vor Beginn der Corona-Krise noch im Plus.

Signa hat die Corona-Krise viel mehr als Chance begriffen, um ihren eigentlichen Interessen im Immobiliengeschäft Nachdruck zu verleihen.Unter dem Strich bleibt es eine inakzeptable Form der politischen Erpressung, wenn die Signa-Gruppe Hunderte von Beschäftigten und ihre Arbeitsplätze an verschiedenen Standorten in unserer Stadt in Geiselhaft nimmt, um an einem Ort wie dem Hermannplatzeigene Bau-Interessen als Immobilienkonzern brachial durchzusetzen. Für Signa mag ein gigantischer Retro-Bau seinen Werbezweck erfüllen, der insbesondere auch Tourist*innen anziehen dürfte, und zudem dem Konzern Renditen im Immobiliengeschäft garantiert–für den betroffenen Stadtteil selbst und die angrenzenden Nachbarschaften wäre er ganz sicher vor allem eines: eine große Belastung.

Vor diesem Hintergrund erwarten wir, dass der Berliner Senat die Zuständigkeit für die Bauvorhaben von Signa am Hermannplatz federführend weiter beim Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg belässt und seine diesbezüglichen Vorstellungen in die bezirklichen Prozesse einspeist. Nur so bleiben eine bürgernahe Debatte und Entscheidung möglich. Signa sollte ihre Pläne für den StandortHermannplatz grundsätzlich überdenken, von dem geplanten Abriss Abstand nehmen und eine behutsame und städtebaulich verträgliche Weiterentwicklung des Bestandsgebäudes im Rahmen der bezirklichen Vorgaben in Angriff nehmen.

Mit freundlichen Grüßen

Reza Amiri
Mitglied im Ausschuss für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Fraktion DIE LINKE in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg

Canan Bayram
MdB Bündnis 90/Die Grünen Friedrichshain-Kreuzberg

Annika Gerold
Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg

Gaby Gottwald
MdA DIE LINKE Friedrichshain-Kreuzberg

Pascal Meiser
MdB DIE LINKE Friedrichshain-Kreuzberg

Oliver Nöll
Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg

Katrin Schmidberger
MdA Bündnis 90/Die Grünen Friedrichshain-Kreuzberg

Julian Schwarze
Vorsitzender der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg

Der erfundene Skandal: Debatte über LokalBau im Plenum

Einmal mehr erfindet die CDU Skandale und wirft ohne Fakten und Beweise mit Dreck. Diesmal haben sie sich dafür das Friedrichshain-Kreuzberger Projekt LokalBau ausgesucht. Der Vorwurf: Mauschelei und Vetternwirtschaft. Die Beweise: Keine. Es reicht nicht mal für einen handfesten Verdacht. An anderer Stelle würde wohl nun von Fake News gesprochen, die CDU stattdessen bringt sogar einen Antrag mit diesen nicht hinterlegten Anschuldigungen ein. Damit wird klar, die CDU ist gegen eine neue gemeinwohlorientierte und soziale Wohnungspolitik. Gut, dass wir das geklärt haben. Über diesen wurde in der letzten Plenarsitzung diskutiert. Meinen Redebeitrag mit den tatsächlich vorliegenden Fakten zum Projekt gibt’s hier (Quelle des Videos: rbb):

Zum Hintergrund: Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg setzt sich mit der LokalBau-Strategie für gemeinwohlorientierte Projekte im Neubau ein. Ziel ist, dass auf 30-50 Prozent der jeweiligen Flächen preisgünstiger Wohn- oder Arbeitsraum entsteht. Das Projekt LokalBau wurde transparent und für alle einsehbar öffentlich ausgeschrieben. Bereits im Februar 2019 wurde das Projekt im bezirklichen Stadtplanungsausschuss vorgestellt. Die CDU war dabei, ihren angeblichen „Skandal“ entdeckte die Partei aber erst über ein Jahr später – natürlich ohne jegliche Beweise dafür vorzulegen.

Für die CDU sprach Stefan Evers. Sein Redebeitrag kann hier auf den Seiten des RBB angesehen werden.

Ein Schutzschirm für Mieter*innen und einkommensschwache Haushalte in der Corona-Krise – Berliner Senat und Bund legen Maßnahmenpakete vor

Heute hat der Rot-Rot-Grüne Senat in seiner Sitzung bzw. wir als Rot-Rot-Grüne Koalition weitgehende Maßnahmen zur Verbesserung des Mieterschutzes und zur Vermeidung von Wohnungsverlusten für die Dauer der COVID-19-Pandemie beschlossen. Die extreme Situation hat bekanntlich die wirtschaftliche Situation vieler Berlinerinnen und Berliner verschärft. Vor allem Haushalte mit niedrigem Einkommen, Kleinstunternehmer*innen, Kultur- und Kleingewerbetreibende müssen mit weitgehenden Einkommensverlusten rechnen. Viele von ihnen wissen nicht mehr, wie sie ihre Mieten aufbringen können. Ebenso massiv betroffen, sind Wohnungslose und Mieter*innen, gegen den ein Zwangsräumungsverfahren droht oder sogar ansteht.

Gegen viele solche laufenden Zwangsräumungsverfahren sind wir in den letzten Tagen vorgegangen und haben uns an Eigentümer*innen gewandt, diese vorübergehend auszusetzen; in vielen Fällen erfolgreich. Neben den Landeseigenen Wohnungsunternehmen haben sich auch einige privaten Wohnungsunternehmen bereit erklärt, laufende Zwangsräumungen und Kündigungen auszusetzen. Auch das Amtsgericht Charlottenburg hat seine Richter*innen darauf hingewiesen, keine derartigen Urteile auszusprechen. Die Senatsverwaltung für Justiz hatte sich bereits mit einem Appell an die Aufsichtsbehörde der Gerichtsvollzieher*innen gewandt und für eine Aussetzung geworben. Wenn Bürgerinnen und Bürger sich grundsätzlich in ihrer Wohnung oder Unterkunft aufzuhalten haben, dann wäre es verantwortungslos und unsolidarisch, diese auf die Straße zu setzen. Derzeit sind viele Ämter unterbesetzt und können entsprechend nicht schnell genug reagieren, um die Menschen vorübergehend mit Wohnraum zu versorgen. Auch viele Notunterkünfte sind geschlossen.

Der heute beschlossene Maßnahmenkatalog soll in den nächsten sechs Monaten für ganz Berlin solche Verfahren stoppen sowie Mieterinnen und Mieter, die nicht in der Lage sind, ihre Miete zu bezahlen, umfassend schützen.

Die wichtigsten wohnungspolitischen Maßnahmen auf einen Blick:

  • Der Berliner Senat wird dafür sorgen, dass die sechs Landeseigenen Wohnungsunternehmen und die Berlinovo Mieterhöhungen aussetzen. Bei Mietrückständen sollen von Fall zu Fall kulante Lösungen vereinbart werden. Zudem sollen keine Kündigungen aufgrund von Zahlungsrückständen ausgesprochen werden. Auch Räumungen von bewohnten Wohnungen werden ausgesetzt und überprüft.
  • Der Senat appelliert an private Vermieterinnen und Vermieter in gleicher Weise zu verfahren. Zudem ist der Bund gerade dabei im Schnellverfahren zu beschließen, dass Kündigungen von Mietverhältnissen wegen Mietschulden für den Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 nicht möglich sind – und zwar sowohl bei Wohnungsmieter*innen als auch Gewerbemieter*innen. Der von der Bundesjustizministerin vorgeschlagene Zeitraum von sechs Monaten, wie ursprünglich von der Bundesregierung angekündigt, wurde nach Druck der CDU auf drei Monate gekürzt.
  • Es ist sicherzustellen, dass bei Verstößen gegen Melde- und Informationspflichten gemäß MietenWoG Bln (Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin) aufgrund von COVID-19 bis auf Weiteres auf Sanktionen verzichtet wird.
  • Der Senat wird auf Versorgungsunternehmen darauf hinwirken, dass diese bis auf Weiteres auf Strom- und Gassperren verzichten.
  • es wird solange die Krise andauert keinerlei Wohnungsräumungen geben, teils sind auch Räumungen von Gewerbeimmobilien ausgesetzt.
  • Der Senat wird sich an der Erarbeitung von Maßnahmenprogrammen vom Bund zum Umgang mit Mietverzichten, Mietausfällen und Mietrückständen aktiv beteiligen und bei Bedarf eigene Hilfsprogramme für Mieter*innen und Vermieter*innen entwickeln. Hierbei ist der gemeinsame Vorschlag vom DMB (Deutscher Mieterbund) und GdW (Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen) für einen Solidarfonds einzubeziehen.

Das von der Bundesregierung beschlossene „Sozialschutz-Paket“ für einkommensschwache Haushalte sowie für Gewerbe- und Wohnungsmieter*innen soll die sozialpolitischen Folgen in einem ersten Schritt abfedern. Wir Grüne begrüßen zwar die Aussetzung der Kündigungsmöglichkeiten für Vermieter*innen bei Zahlungsverzug der Mieter*innen. Dieses Moratorium für den Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 hilft erst nur existentielle Not zu lindern, kann aber Mieter*innen keinen mittelfristigen Schutz vor dem Verlust der Wohnung oder gewerblicher Räume bieten. Wir fordern deswegen seine Verlängerung mindestens bis zum 30. September 2020. Es ist bereits jetzt davon auszugehen, dass die Situation und deren Auswirkungen länger dauern wird.

Beantragung von Grundsicherung wird erleichtert

Zudem ist im Sozialschutz-Paket der Bundesregierung vorgesehen, dass die Kosten der Unterkunft (KdU, Mietkostenzuschuss für Transferleistungsbezieher*innen) bei Neuanträgen nicht überprüft, sondern schlichtweg als angemessen gewertet werden. Das ist ein guter Schritt. Jetzt sollte auch noch die Bundesagentur für Arbeit angewiesen werden, alle Mietschulden konsequent zu übernehmen, um Wohnungslosigkeit zu verhindern. Es ist auch richtig, dass jetzt alle Sanktionen gegen Hartz IV-Empfänger*innen ausgesetzt wurden.

Mein Kollege im Bundestag und sozialpolitischer Sprecher der Grünen Fraktion, Sven Lehmann hatte sich bereits Anfang letzter Woche mit einem Brief an Hubertus Heil und Detlef Scheele mit Forderungen und Maßnahmen für die Grundsicherung in Zeiten der Corona-Krise gewandt. Seinen Brief finden Sie hier.

Die nun vorgesehene befristete Aussetzung der Berücksichtigung von Vermögen bei der Beantragung von Grundsicherung, die Anerkennung der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sowie Erleichterungen bei der Berücksichtigung von Einkommen in Fällen einer vorläufigen Entscheidung, muss auch nach der Aufhebung dieses Gesetzes beibehalten werden.

Wie geht ’s weiter?!

Die mittel- und langfristigen Maßnahmen werden wir im Bund wie im Land diskutieren müssen. Beispielhaft sei hier genannt, dass wir nicht nur über Stundungen, sondern auch Mieterlasse und einen Fonds auf Bundesebene für Vermieter*innen wie Mieter*innen konkret helfen müssen. Auch sollte die Heilungsfrist bei Kündigungen durch Mietrückstände für die Zeit nach Corona von zwei auf sechs oder sogar neun Monate ausgeweitet werden. Denn nach Ablauf des Kündigungsmoratoriums werden viele Mieter*innen Schwierigkeiten haben, die angehäuften Mietrückstände zu begleichen. Zudem plant der Bund Verzugszinsen von voraussichtlich knapp 6 Prozent für die Miete. Das ist unangemessen hoch. Haushalte mit niedrigen bis mittleren Einkommen wären damit überfordert und kaum in der Lage bis zum 30. Juni 2022 die aufgelaufenen Schulden abzutragen, vor allem wenn die Krise noch länger anhält. Deshalb werden wir weiter darauf drängen, hier sozial gerechte und langfristige Lösungen zu finden – sowohl im Bund- als auch auf Landesebene.

Zudem sollte durch den Bund geprüft werden, inwieweit weitere Regelungen, z B. im Baugesetzbuch, ebenfalls an die Corona-Krise angepasst werden müssen. So sollte zum Beispiel die Frist beim kommunalen Vorkaufsrecht deutlich verlängert werden. Denn derzeit ist es Mieter*innen wie auch den Kommunen sehr schwer möglich, das Vorkaufsrecht innerhalb von zwei Monaten ausreichend zu prüfen oder gar zu ziehen. Auch andere Planungs- und Bauverfahren müssen jetzt mit Verzögerungen rechnen.

Alle Mieter*innen, die Fragen oder Probleme haben, können sich derzeit telefonisch und online beraten lassen bei der ASUM oder beim Berliner Mieterverein.

Sie können sich aber auch gerne an mein Team und mich wenden, am besten per E-Mail und per Post. Bleiben Sie gesund!

Mietendeckel für Berlin beschlossen

In der gestrigen Plenarsitzung hat das Abgeordnetenhaus mit den Stimmen der rot-rot-grünen Koalition das „Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung“ – kurz den Mietendeckel für Berlin – beschlossen. Der Mietendeckel ist ein Beitrag dazu, den Wohnungsmarkt wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Er ist ein Instrument, damit auch Menschen mit kleinem Geldbeutel wieder eine Chance auf dem Wohnungsmarkt haben und wir gemischte Quartiere erhalten. Den gewonnenen Spielraum gilt es jetzt für preiswerten Neubau zu nutzen. Dazu muss der Senat jetzt besonders den Genossenschaften endlich zu machbaren Konditionen Grundstücke anbieten. Rot-Rot-Grün steht jetzt in der Pflicht, die Bezirke und die IBB bei der Umsetzung zu unterstützen.

Richtig ist, dass wir mit dem Mietendeckel juristisches Neuland betreten. Aber wie der Staats- und Verwaltungsrechtler Christian Pestalozza treffend festgestellt hat: eine ungeklärte Rechtsfrage darf kein Grund sein, die Hände in den Schoß zu legen. Politik ist dazu da, um die Lebenssituation der Menschen zu verbessern. Es ist unsere Pflicht das Grundrecht auf Wohnen zu verteidigen. Denn im Grundsatz geht es doch darum, ob der Markt für die Menschen oder die Menschen für den Markt da sind.

Bevor das Abgeordnetenhaus über das Gesetz zum Mietendeckel abgestimmt hat, gab es im Rahmen der aktuellen Stunde eine Aussprache – meinen Redebeitrag gibt’s hier (Quelle des Videos: rbb):

Zusammengefasst werden die Mieten mit dem Gesetz für 2020 und 2021 auf dem Niveau des vergangenen Jahres eingefroren. Stichtag für die Miethöhe ist der 18. Juni 2019, das war der Tag, an dem der Senat die Eckpunkte für das Gesetz beschlossen hat. Von 2022 an sind Mietsteigerungen von maximal 1,3 Prozent im Jahr erlaubt, aber nur bis zu den festgelegten Mietobergrenzen.

Auf den Seiten der grünen Fraktion im Abgeordnetenhaus haben wir außerdem die wichtigsten Fragen zum Mietendeckel in einem FAQ zusammengefasst.

Die wichtigsten Punkte des Mietendeckels auf einen Blick:

  • Die Mieten in Berlin werden für die nächsten fünf Jahre zum Stichtag 18. Juni 2019 eingefroren bzw. niedrig gehalten. So wird es die versprochene Atempause für ca. 1,5 Mio. Haushalte geben. Auch für Staffel- und Indexmieten ist die am 18. Juni 2019 geltende Miete entscheidend.
  • Der Mietendeckel gilt auch bei möblierten Wohnungen, die zur Vermietung angeboten werden. Auch andere Zuschläge sind nicht erlaubt (ausgeschlossen natürlich ist die Kautionszahlung).
  • Damit faire und gemeinwohlorientierte Vermieter*innen wie etwa Genossenschaften mit niedrigen Mieten den nötigen Spielraum für Investitionen bekommen, wird es die Möglichkeit geben, ab 2022 die Mieten moderat anzupassen. Die Miete darf aber nicht um mehr als 1,3 Prozent jährlich steigen bis zu den Mietobergrenzen. Zudem passt die Senatsverwaltung die Mietobergrenzen an die Reallohnentwicklung nach 2 Jahren an. Diese Regelung sorgt vor allem für mehr Rechtssicherheit, weil sie die Verhältnismäßigkeit beim Eingriff ins Eigentum sicherstellt.
  • Als Grundlage für Mietobergrenzen gilt die Miettabelle der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, die auf Basis des Mietspiegels 2013 errechnet wurde und die Berliner Einkommensentwicklung bis heute mit einbezieht. Dadurch ergeben sich für die unterschiedlichen Baualtersklassen jeweils unterschiedliche Mietobergrenzen. Bei Wohnungen mit „moderner Ausstattung“, die im Gesetz genau definiert ist, erhöht sich die Mietobergrenze um 1 Euro/QM.

  • Bei Neuvermietungen darf die Miete nicht höher als die Vormiete sein oder – falls diese zu hoch angesetzt war – die maximale Mietobergrenze aus der Miettabelle verlangt werden. So verhindern wir, dass gerade Neu- bzw. Wiedervermietungen zu sprunghaften Anstiegen der Mieten führen und verschaffen den Wohnungssuchenden wieder eine stärkere Ausgangslage.
  • Überhöhte Mieten, die 20 Prozent über der Mietobergrenze in der Tabelle liegen, können neun Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes abgesenkt werden. Dabei werden Zu- und Abschläge für die einfache Lage (-28 Cent), die mittlere Lage (-9 Cent) und die gute Lage (+74 Cent) berücksichtigt. So gehen wir effektiv gegen Wucher vor.
  • Wird Wohnraum mit einer Miethöhe von unter 5 Euro neu vermietet und wird dieser vorher auf einen „modernen Ausstattungsstand“ gebracht, so darf die Miete bei Wiedervermietung sich maximal um 1 Euro erhöhen, jedoch nur bis zur Mietobergrenze von 5,02 Euro/QM.
  • Für die für den Klimaschutz dringend nötigen energetischen Modernisierungen haben wir erreicht, dass bis zu 1 Euro auf die Miete umgelegt werden kann, jedoch nur für Maßnahmen, die auch wirklich das Klima schützen – wie z.B. die Dämmung der obersten Geschoss- oder der Kellerdecke. Hierfür werden wir eine Positivliste mit entsprechenden Maßnahmen erarbeiten. Auch in diesen Fällen dürfen die Kosten aber nur insoweit umgelegt werden, wenn die Ausgangsmiete unterhalb der jeweiligen Mietobergrenze liegt. Für darüberhinausgehende ökologische Sanierungskosten werden wir Förderprogramme zur Verfügung stellen bzw. einen Mietzuschuss einrichten und so die Mieter*innen unterstützen. Damit es beim dringend benötigten Neubau weiter vorangeht, sind Erst- sowie Folgevermietungen von Neubauten nicht vom Mietendeckel betroffen. Alle Bauten mit dem Fertigstellungsdatum ab dem 1.1.2014 sind also nicht Bestandteil des Mietendeckels. Vermieter*innen, die durch die neuen Regelungen dauerhaft in eine wirtschaftliche Schieflage geraten würden, kann nach Antragstellung und Überprüfung eine Erhöhung der Miete genehmigt werden – hierbei handelt es sich um die sog. Härtefallregelung. In diesem Fall können Mieter*innen für die höhere Miete oberhalb der Mietobergrenze einen Zuschuss beantragen.
  • Wir stellen sicher, dass wir nach Ablauf der fünf Jahre eine soziale Regelung bei künftigen Mieterhöhungen erreichen können und somit mögliche Mietpreissprünge verhindern: Auf Druck von uns Grünen werden wir ein Mietkataster einführen, in dem wir alle Miethöhen (sowie Eigentümerstrukturen) sammeln, auswerten und damit eine ortsübliche Vergleichsmiete berechnen. Damit sind wir gut vorbereitet, um in fünf Jahren anhand dieses Mietkatasters Mieterhöhungen einzuschränken. Denn nach dem Bundesmietrecht sind Mietdatenbanken zur Mieterhöhungsbegründung erlaubt. Außerdem gelten natürlich auch alle anderen mieten- und baupolitischen Instrumente weiterhin parallel zum Mietengesetz. Eine plötzliche Mieterhöhung um 40 Prozent ist jetzt nicht möglich – und wird es auch dann nicht sein.

Berlin geht mit dem Mietendeckel neue Wege. Dafür braucht es Mut. Diesen Mut haben wir.