Ein Jahr AV-Wohnen: Bilanz über die Kosten der Unterkunft für Beziehende von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe

Am 7. Juli 2016 zogen Sigmar Gude, Leiter des Stadtforschungsinstituts Topos und ich in einem gemeinsamen Pressegespräch Bilanz über die derzeit gültige Aufwendungsverordnung Wohnen (AV Wohnen). Anlass war das einjährige Bestehen der Verordnung seit dem 1. Juli 2015. Sie regelt die Sätze der Kosten der Unterkunft (KdU), die Haushalten mit geringem Einkommen nach dem SGB II und SGB XII zur Deckung ihrer Wohnkosten zugesprochen werden. Die Vorgängerregelungen wurden in mehreren Gerichtsinstanzen aufgrund unschlüssiger Berechnungsmodelle für ungültig erklärt.

Vor dem Pressegepräch hatten wir in schriftlichen Anfragen zu klären versucht, ob die derzeitige AV Wohnen ihrem Zweck gerecht wird, also Anspruchsberechtigte Haushalte ausreichend Geld bekommen, um ihre Wohnkosten zu decken und nicht aus ihren Wohnungen verdrängt zu werden (Links zu den Anfragen „Schützen die Kosten der Unterkunft vor Verdrängung?“ und „Nachfrage zur schriftlichen Anfrage 17/18175“). Die von Sigmar Gude und mir ausgewerteten Daten, ergaben das beunruhigende Bild einer dauerhaften Unterversorgung eines großen Teiles der Bedarfsgemeinschften in Berlin. Über wichtige Eckdaten, wie die Gesammtzahl der KdU-Empfangenden Bedarfsgemeinschaften, die über den Richtwerten der AV Wohnen liegen, konnte der Senat gar keine Auskunft geben. In unserem Pressepapier und der Präsentation von Sigmar Gude brachten wir etwas Licht ins Dunkel der finanziellen Unterversorgung der Berliner KdU-Empfänger*innen:

Trotz einiger Änderungen trägt auch die neue AV-Wohnen nicht zum verlässlichen Erhalt von angemessenem Wohnraum und zum Schutz vor Verdrängung bei. Mit Höchstwerten von ca. 5,50 €/m², die den Leistungsberechtigten für ihre Nettokaltmiete zugestanden werden, liegen die Mietvorgaben der AV-Wohnen weit jenseits der Realität am Berliner Wohnungsmarkt. Schon jetzt müssen Leistungsberechtigte nach dem SGB II in Berlin durchschnittlich zwei Euro mehr, also 7,47 €/m² zahlen, um eine Wohnung anzumieten. Die Konsequenzen dieser systematischen Unterversorgung von Geringverdienerhaushalten äußert sich neben der Verdrängung der betroffenen Bedarfsgemeinschaften (BG) an den Stadtrand in zunehmender Verarmung und der Überbelegung vieler leistungsberechtigter Haushalte.

Um diesen unwürdigen und gesetzwidrigen Zustand im Hilfesystem zu beenden, fordert die Grüne Fraktion schon seit langem eine Reihe an Maßnahmen zur Erstellung einer neuen AV-Wohnen:

1. Aussetzung von Sanktionen und Umkehrung der Beweislast für Bedarfsgemeinschaften in Kostenfestsetzungsverfahren
2. Festsetzung realistischer Richtwerte der KdU
3. differenzierte Neuvertragszuschläge und „Klimabonus“ bei energetischer Sanierung gewähren
4. Schluss mit der Vertuschungstaktik – Erarbeitung eines transparenten Verfahrens zur Ermittlung der Zahl und Haushaltsgröße der von Kostenfestsetzungsverfahren betroffenen BG
5. Bestehende Härtefallregelungen prüfen, besonderer Schutz für Alleinerziehende