Eine Wende in der Liegenschaftspolitik wird durch Rot-Schwarz verhindert

Wie wollen wir mit der endlichen Ressource öffentlicher Liegenschaften in Zukunft umgehen? Wohin steuert die Stadtentwicklung in Berlin? Wie sieht eine nachhaltige Bodenpolitik aus? Diese wichtigen Fragen diskutieren Senat, Abgeordnetenhaus und Zivilgesellschaft seit fast drei Jahren ohne konkrete Ergebnisse.  Und dass, obwohl es bereits im Jahr 2011 einen Beschluss des Abgeordnetenhauses dazu gab: Der damalige Auftrag an den Senat war, für einen transparenten und nachhaltigen Umgang mit landeseigenen Grundstücken zu sorgen. So sollten endlich klare Kriterien und Konzepte gelten, nach denen auch wirtschafts-, wohnungs-, kultur- und stadtentwicklungspolitische Ziele realisiert werden können. Im Gegensatz zu der bisherigen Vorgehensweise sollte also endlich nicht mehr alleine das höchste Gebot bei der Vergabe von städtischen Grundstücken entscheidend sein.


Im Oktober 2012 hat der Senat nun ein sogenanntes Konzept für eine neue Liegenschaftspolitik vorgelegt. Kurz zuvor hatte sich im Herbst 2012 ein großes Bündnis aus der Zivilgesellschaft und ExpertInnen gemeinsam mit allen Fraktionen aus dem Abgeordnetenhaus zu einem runden Tisch zusammengeschlossen, um einen breiten, transparenten Konsens über die zukünftige Entwicklung landes- und bezirkseigener Grundstücke zu erzielen. Dabei wurde einstimmig vereinbart, dass der Senat bzw. das Abgeordnetenhaus keine vollendeten Tatsachen schaffen, bis konkrete Verhandlungsergebnisse vorliegen. Dieses Versprechen hat der Senat nun gebrochen.

Nur einem Monat nach dem letzten Treffen des Runden Tisches hat der Senat sein Konzept im Hauptausschuss (Ausschuss für Finanzen des Abgeordnetenhauses) mit den Stimmen der Regierungsfraktionen „zustimmend zur Kenntnis nehmen lassen“. SPD und CDU haben also im Hauptausschuss Nußbaums Senatskonzept überraschend zugestimmt, obwohl es selbst in den eigenen Reihen heftig kritisieren und in zentralen Punkten abgelehnt wurde. In folgenden Punkten erwiesen sich Koalition und Senat aber zu unserem Entsetzen als einig: SPD und CDU lehnen die Forderung des Runden Tisches ab, die Zivilgesellschaft beratend an der Clusterung (Einteilung und Bewertung von städtischen und bezirklichen Liegenschaften nach Nutzungskriterien) der Grundstücke zu beteiligen. Die Bezirke sollen die Kosten von Vorratsimmobilien (Liegenschaften, die zum Verkauf gedacht, aber noch nicht verkauft sind) alleine tragen, obwohl der Rat der Bürgermeister zurecht eine hälftige Teilung der Kosten zwischen Bezirken und Land gefordert hatte. Auch unser Vorschlag, auf das Instrument des „Potenzialwerts“ (Bewertung eines Grundstück auf Grundlage eines spekulativen Marktwertes) zu verzichten und die „Stadtrendite“ (Einbeziehung von ökologischen und sozialen Komponenten in eine Gewinnrechnung) nicht zu monetarisieren, wurde abgelehnt. Durch diesen vom Senat eingeschlagenen Kurs sind in Zukunft keine Vergaben unter Verkehrswert mehr möglich. Konzeptorientierte Ausschreibungen, die bei einem Nutzenzuwachs für die Stadt Vergaben unter Verkehrswert ermöglichen, sind im Senatsbeschluss nicht vorgesehen. Ihm fehlt damit die wichtigste gesellschaftspolitische Komponente einer neuen Liegenschaftspolitik. Damit stehen wir in der Liegenschaftspolitik wieder am Anfang. Und das im Hinblick darauf, dass es nicht mehr viele freie Flächen gibt, vor allem in der Innenstadt.


Der Senat hat nun freie Hand sein schlechtes Liegenschaftskonzept ab 2014 umzusetzen – bis dahin wird übrigens noch das alte Verfahren „Verkauf zum Höchstpreis ohne jeglichen Anspruch auf ein Entwicklungskonzept" gelten. Wir kritisieren scharf, dass sich die Koalition derart weit von den ursprünglichen Zielen der neuen Liegenschaftspolitik entfernt hat. Damit ist eine nachhaltige, transparente und demokratische Stadtentwicklungspolitik weiter kaum möglich. Das hat Berlin definitiv nicht verdient.

Witerführende Informationen:

Links zu den Seiten der Initiatieve Stadt Neu Denken, des Künslerhofes Alt-Lietzow 12 

Link zu einem Aktikel des Tegespiegel über die Pläne zur Liegenschaftspolitik von Finanzsenator Nußbaum

Links zum Plenarprotokoll mit Katrin Schmidbergers Rede zur Vergabe des BSR-Geländes in der Holzmerktstraße am 27.09.2012 (Link zum PDF) und zum Antrag "Nachhaltige Vergabe des BSR-Geländes an der Holzmarktstraße 19-30" (Link zum PDF)

Ein Kommentar

  1. Vielen Dank für Ihren aufschlußreichen Artikel und Ihren Kommentar auf unserem Blog, Frau Schmidberger. Ich möchte an dieser Stelle gleich auf unseren aktuellen Hinweis für den 3. Runden Tisch am kommenden Freitag hinweisen.

    http://altlietzow12.wordpress.com/2013/02/04/termin-3-runder-tisch-hauptausschuss-beschliest-uberraschend-liegenschaftskonzept-pressereaktion/

    Das ist auch für Nicht-Politiker die nächste Möglichkeit, sich an den Themen zu beteiligen.

    Mit solidarischen Grüßen

    Regina Liedtke / Künstlerhof Alt-Lietzow 12

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